Eine wirklich gute Nachricht zu Beginn der Advents- und Weihnachtszeit: Die beiden Werke des Autozulieferers Halberg Guss in Saarbrücken und Leipzig bleiben erhalten. Das Werk wechselt den Eigentümer. Hunderte Arbeitsplätze können so vor dem Aus gerettet werden – in Leipzig sind es ca. 530. Was für ein Erfolg!
Doch dieser ist nicht vom Himmel gefallen. Dafür waren 45 Tage Streik nötig, einer der längsten Arbeitskämpfe in Deutschland seit 1945, und harte Verhandlungen. Doch was sich hinter der nüchternen Zahl 45 verbirgt, ist mehr als eine Zeitspanne im heißen Sommer. 45 Tage haben die Arbeitnehmer/innen von Halberg Guss Leipzig zusammengehalten, haben sich nicht auseinanderdividieren lassen zwischen Ost und West, zwischen Betriebsangehörigen und Zeitarbeitern, zwischen einheimischen und ausländischen Arbeitnehmern, zwischen denen, die kein Problem haben, einen neuen Arbeitsplatz zu finden, und denen, für die das Aus des Werkes eine persönliche und familiäre Katastrophe bedeutet hätte.
45 Tage Arbeitskampf haben gezeigt, wie wichtig es ist, dass Arbeitnehmer/innen sich in einer Gewerkschaft, nein: nicht in irgendeiner, sondern in der zum DGB gehörenden IG Metall organisiert sind. Gerade in Ostdeutschland meinen noch viel zu viele Arbeitnehmer/innen, die Mitgliedschaft in einer DGB-Gewerkschaft sei nicht nötig.
Zu viele Betriebe haben weder einen Betriebsrat, noch achten sie auf gewerkschaftliche Organisation. Doch diese ist überlebenswichtig. Wenn es bei Amazon den Organisationsgrad geben würde wie bei Halberg Guss (dort gehören über 90 Prozent der Arbeitnehmer/innen der IG Metall an!) – schon längst hätten die Arbeitnehmer/innen bei der Durchsetzung ihrer Interessen eine bessere Position und größere Erfolgschancen in diesem Großkonzern.
Das positive Ergebnis bei Halberg Guss ist aber auch ein Erfolg für die Demokratie, für das bürgerschaftliche Engagement, für die Macht und Einflussmöglichkeiten des Einzelnen. Wenn nicht annähernd jede und jeder Beschäftigte bei Halberg Guss von der Richtigkeit und Notwendigkeit des Arbeitskampfes überzeugt gewesen wären, wenn nicht jeder einzelne erkannt hätte: Jetzt kommt es auf mich an!, dann wäre nicht der Druck entstanden und vor allem: dann hätten die Beschäftigten bei Halberg Guss diesen langen Arbeitskampf nicht durchgestanden.
Denn 45 Tage nicht arbeiten können, 45 Tage immer vor dem Betriebsgelände ausharren (und das bei der Hitze Juni-August), monatelange in Ungewissheit über den Erhalt des Arbeitsplatz bleiben – das erfordert viel innere Kraft und verlangt jedem größte Disziplin ab.
Natürlich hat sich auch als ganz wichtig erwiesen, dass Streikende Unterstützung in der Bürger- und Stadtgesellschaft finden – und zwar nicht in dem Sinn, dass nur auf die Verhältnisse geschimpft wird oder jeder soziale Missstand auf die „Migration“ und „Umvolkung“sabsichten anonymer Mächte zurückgeführt werden, wie das heute bei den Rechtspopulisten in Mode gekommen ist.
Vielmehr ist wichtig, dass wir alle erkennen und darauf vertrauen: die Demokratie lässt es zu, dass nicht nur die Räder stillstehen, wenn der Arbeiter es will – sie ermöglicht vor allem Veränderungen zum Schutz der Arbeitnehmerrechte. Voraussetzung ist aber: dass jeder seine gesellschaftspolitische Verantwortung wahrnimmt, seine Möglichkeiten nutzt, den Wert der Solidarität lebt und am Ende auch zum Kompromiss bereit ist.
Das Beispiel Halberg Guss straft alle Lügen, die zur Zeit die Axt an die Wurzeln des sog. „Systems“ anlegen, an die Demokratie, an den Sozialstaat, an die Gestaltungsmöglichkeiten der vielen. Darum ist es auch ein großer Erfolg, dass bei Arbeitskämpfen wie diesem, die rechten Großmäuler, die im Zweifelsfall Menschen fallen und sich vom Geldadel aushalten lassen, keinerlei Einfluss auf die Arbeitskämpfe gewinnen konnten.
Es ist durchaus angemessen, diesen Arbeitskampf am Ende des Jahres als großen Erfolg zu feiern: Erfolg von Menschen, die sich auch am Arbeitsplatz als mündige Bürger/innen bewährt haben; Erfolg für die Demokratie und damit für uns alle. Großer Dank also an die Arbeitsnehmer/innen von Halberg Guss, an ihre Familien, an den Betriebsrat, die IG Metall und an alle anderen, die diese Lösung mit auf den Weg gebracht haben.
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