Zwei krachende Niederlagen für die SPD in zwei unterschiedlichen Bundesländern – und ein Absturz in den Umfragen noch jenseits des katastrophalen Wahlergebnisses bei den Bundestagswahlen 2017. Derzeit deutet wenig darauf hin, dass die SPD aus diesem finsteren Tal herausfindet. Doch ihr bedauernswerter Zustand ist hausgemacht. So sehr es schmerzt: Niemand anders als SPD selbst ist für den Niedergang verantwortlich.
Man muss nur auf zwei Fakten schauen:
- Seit einem Jahr diskutiert die SPD über Erneuerung, aber in keinem Politikfeld ist auch nur annähernd sichtbar geworden, wie die Erneuerung aussehen soll. Als Mitglied erhalte ich viele Mails aus dem Parteivorstand. Von keiner wurde ich elektrisiert, aufgeschreckt, ermutigt, motiviert.
- Seit Monaten diskutieren die sog. Parteilinken: Die CDU/SPD/CSU-Koalition sei schuld am Niedergang der SPD. Die SPD müsse da raus. Geflissentlich wird dabei übersehen, dass die SPD vor 50 Jahren aus einer Großen Koalition heraus und als Juniorpartner Bundestagswahlen hat gewinnen können. Umgekehrt war die SPD von 2009 bis 2013 in der Opposition – und sie hat es nicht vermocht, sich in den vier Jahren programmatisch so aufzustellen, dass sie ein wesentlich besseres Ergebnis erzielt hätte.
Als langjähriges Parteimitglied (seit 1970) fällt es mir nicht leicht, aber die Ehrlichkeit zwingt mich dazu, nüchtern und ernüchternd festzustellen: Die SPD ist für viele Menschen uninteressant, ja langweilig geworden – nicht nur auf Bundes-, auch auf Länderebene. Daran ändert derzeit auch ein Kevin Kühnert wenig. Von der SPD geht derzeit weder politisch, noch gesellschaftlich, noch kulturell Inspiration aus. Um einen Vergleich zu wagen: Die SPD kommt mir so vor, als habe sie im Orchester der Gesellschaft das Dirigentenpult und die Stühle der Konzertmeister und Stimmführer verlassen – und ist nun als Orchesterwart tätig.
Sie richtet die Stühle und legt die Noten auf die Pulte. Diese Aufgabe erledigt sie beamtenmäßig gewissenhaft und durchaus verantwortungsvoll. Aber niemand merkt und sieht etwas davon. Die Noten werden von anderen gespielt. Gesprochen wird von denen, die an den ersten Pulten sitzen oder als Dirigenten die Musik bestimmen. Die Frage ist also: Hat die SPD noch die Kraft, die kreative, den Menschen zugewandte Rolle im politischen Geschäft wieder zu übernehmen und mit diesem Anspruch aufzutreten?
Wenn ich mit Freunden und Bekannten rede, die nicht der SPD angehören, dann erlebe ich derzeit immer dasselbe: Es regt sich noch nicht einmal einer über die SPD auf! Auf allen Politikfeldern hat die SPD die Meinungsführerschaft verloren. Das, was sie sozialpolitisch auf den Weg bringt, kommt bieder herüber. Es ist nicht in einen Gesellschaftsentwurf eingebettet, der Neugier und Interesse weckt und zum Mittun ermuntert. Die SPD hat es versäumt, programmatische Grundideen und Ziele zu entwickeln, an denen sie sich auch im Alltagsgeschäft einer Landes- oder Bundesregierung orientiert.
So ist die absurde Situation entstanden, dass in der Bevölkerung eine viel größere Bereitschaft zu neuen Politikansätzen vorhanden ist, als die SPD sich selbst zutraut. Das aber macht sie entbehrlich … und das macht den Erfolg der Grünen aus. Sie bieten eine Politik an, in der die Bürgerinnen und Bürger die notwendig erachteten Veränderungen aufgehoben sehen. Das gilt insbesondere für die Integrations-, die Mobilitäts- und die Klima-/Kohleausstiegspolitik – Politikbereiche, in denen die Menschen Lösungen erwarten. Hier hat die SPD alles verschlafen – nicht nur im Bund, auch in Brandenburg, Sachsen und Nordrhein-Westfalen.
Wenn dort die SPD weiter auf die Braunkohle setzt, wird sie elendig scheitern. Und in der Friedens- und Außenpolitik hat sie es seit Jahren nicht vermocht, an die große Tradition sozialdemokratischer Friedenspolitik anzuknüpfen. Wo sind die Visionen für Europa, für eine Befriedung des Nahen Ostens und Nordafrikas?
Die SPD hat nur eine Chance: Jetzt in der Regierung, aber noch viel wichtiger: jetzt in der Partei umzusteuern und ganz entschlossen in den genannten Politikfeldern die Themen mit eindeutigen Vorstellungen zu besetzen: Entwicklung des ländlichen Raumes, Integration als Chance gesellschaftlicher Erneuerung, Ausstieg aus der Kohle bejahen und gerecht gestalten und natürlich eine europäische Friedenspolitik. Wenn dies geschieht, dann werden auch die sozialpolitischen Initiativen der SPD neue Strahlkraft erfahren und die SPD wird wieder interessant.
Verschwenden wir also keine Zeit mehr mit der Frage von Koalitionsbeteiligungen. Es geht um klar konturierte Politikansätze, die das, was vielen Menschen bedrohlich erscheint, mit erstrebenswerten, positiven Zielvorstellungen versieht.
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Mit einer Forderung nach 25 EUR Mindestlohn pro Stunde, könnte die SPD vielleicht wieder interessant werden.
Für nur 12 EUR bekommen sie meine Stimme nicht!