KommentarKnapp 240.000 von knapp 464.000 SPD-Mitgliedern, also ca. 52 Prozent aller SPD-Mitglieder, befürworten den Eintritt der SPD in eine Koalition mit der CDU/CSU. Ein beachtliches Ergebnis des Mitglieder-Votums. Doch „groß“ daran ist nichts. Weder werden damit die Probleme kleiner, noch gibt es jetzt eine „Große“ Koalition. Dennoch ist wichtig, dass eine Bundesregierung gebildet werden kann. Alles andere wäre zu einer gefährlichen Hängepartie geworden. Von ihr hätten die profitiert, die das System der freiheitlichen Demokratie lieber heute als morgen zerlegen und zerstören wollen.
Die AfD hat sich dies auf die Fahnen geschrieben. Im Freistaat Sachsen haben sie schon lange die Axt an die Grundfesten einer offenen, demokratischen Gesellschaft gelegt (siehe: Gastkommentar von Christian Wolff: Die schleichende Gewöhnung). Daraus ergibt sich auch eine der Hauptaufgaben der SPD in der schwarz-roten Koalition: Sie muss einen wesentlichen Beitrag leisten zur Erneuerung der demokratischen Gesellschaft in Deutschland.
Das aber ist nur möglich, wenn
- die Teilhabe aller Bürgerinnen und Bürger an Bildung, Einkommen und Wohnen gewahrt bleibt bzw. befördert wird;
- die Integration in den Mittelpunkt der politischen Arbeit gestellt wird;
- alle Angriffe auf die kulturelle Vielfalt des gesellschaftlichen Lebens offensiv abgewehrt werden;
- Deutschland sich als Teil des geeinten Europas versteht und seine Politik danach ausrichtet.
Außerdem muss die SPD auf allen politischen Ebenen – Kommunen, Bundesländer, Deutschland – in den sensiblen Bereichen der inneren und äußeren Sicherheit für Glaubwürdigkeit sorgen. Das bedeutet: Statt Geflüchtete, Ausländer, Asylbewerber/innen auszugrenzen oder abzuwehren, muss das Einbinden dieser Menschen in unsere Gesellschaft zur Überschrift des politischen Handelns werden. Statt weiter auf Rüstungsexporte und militärische Konfliktlösungen zu setzen, muss eine aktive Friedenspolitik zum sozialdemokratischen Aushängeschild werden.
Innerparteilich besteht die Erneuerung der Partei vor allem darin, sich nicht länger damit abzufinden, dass sie in drei ostdeutschen Bundesländern Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen eine 10 Prozent-Partei geworden ist – eine Partei, die vor allem im ländlichen Bereich kaum präsent und nur äußerst sporadisch in den unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppierungen vertreten ist. Das ist vor allem im Freistaat Sachsen ein riesiges Problem. Dort wird die SPD außerhalb Leipzigs nicht als politische Kraft, eher als Anhängsel des CDU-geführten Regierungsapparates wahrgenommen.
Dieses Jahr muss dazu genutzt werden, dass im Blick auf 2019 (Europa-, Landtags- und Kommunalwahlen) die SPD sich viel stärker verankert in den sächsischen Regionen. Das aber ist nicht nur eine organisatorische Herausforderung. Es muss vor allem gelingen, für die Themen, für die die SPD steht (Europa, gesellschaftliche Vielfalt, soziale Teilhabe), Menschen vor Ort zu gewinnen. Gleichzeitig gilt es, den Hang zum Rechtradikalismus offensiv zu bekämpfen.
Viel zu tief sind NPD/AfD/Pegida in die unterschiedlichen gesellschaftlichen Schichten mit ihren das Zusammenleben vergiftenden, hasserfüllten Parolen eingedrungen. Viel zu oft wurden die AfD-Pegida-Parolen in falscher Hinsicht ernst genommen: als sei da etwas Berechtigtes dran, als würden diese die „Ängste und Sorgen der Menschen“ offenbaren.
Stattdessen wurde die Absicht des organisierten Rechtsradikalismus unterschätzt, das demokratische, freiheitliche Zusammenleben zu zerstören. Die Parole der Friedlichen Revolution von 1989 „Für ein freies Land mit offenen Grenzen“ wird täglich von Pegida/AfD mit Füßen getreten. Es geht ihnen nicht um die Achtung der „Abgehängten“. Vielmehr nutzen AfD/Pegida die politische Labilität vieler Menschen schamlos aus, um sie an den nationalistischen, völkischen Abgrund zu führen.
Dass derzeit so viele Bürgerinnen und Bürger davon ansprechen lassen, ist nicht nur erschreckend – es ist auch Ausdruck des desaströsen Ergebnisses von 30 Jahren verfehlter Politik- und Demokratie-Bildung insbesondere im Freistaat Sachsen. Dem muss jetzt gerade durch die SPD auf allen Ebenen entschlossen entgegengewirkt werden.
Nachtrag: An diesem Wochenende hat der Parteikonvent der AfD mit großer Mehrheit beschlossen, dass AfD-Mitglieder das Recht haben, bei Pegida Kundgebungen aufzutreten. Der AfD-Vorsitzende von Sachsen-Anhalt André Poggenburg bewertet das Votum als „Meilenstein“. Damit hat sich der rechtsradikale Flügel der AfD um Höcke und Poggenburg durchgesetzt.
Alle aktuellen Debatten und Äußerungen aus der Politik in Sachsen auf L-IZ.de.
Keine Kommentare bisher