„In Erwägung unserer Schwäche machtet, ihr Gesetze, die uns knechten soll'n, die Gesetze seien künftig nicht beachtet. In Erwägung, daß wir nicht mehr Knecht sein woll'n.“ (Brecht) Das Jahr 2017 neigt sich dem Ende. Ein weiteres Jahr des Weiter so. Ein weiteres Jahr am Kneipentisch über die Zustände gemeckert. Die Institutionalisierung der Rechtsrucks mit der Bundestagswahl mit kurzem Erschrecken wahrgenommen und wieder zur Tagesordnung übergegangen.
Erneute rassistische Übergriffe in Bautzen mit einem Kommentar weitergetwittert und wieder an die Arbeit. Ach Hartz IV wird für Kinder im neuen Jahr auch um drei Euro angehoben? Schweinesystem! Der Nachbar muss ausziehen, kann sich die Mieterhöhung nicht mehr leisten. Da muss doch mal jemand was machen gegen diese Gentrifizierung. Und diese Bilder aus Lesbos. Es kann ja nicht sein, dass da so viele Menschen seit Monaten, ja fast Jahren warten um menschenwürdig zu leben. Soll die EU doch mal endlich …
Ja das Jahr 2017. Ein weiteres, in dem im Windschatten sich verhärtender Armutslagen Kinder, Jugendlicher und Erwachsener. Ein weiteres Jahr, in dem die Zahlen von schutzsuchenden Menschen, die bis ins Herz des Wohlstandes, nach Deutschland, vordringen können, mit diplomatischer Raffinesse und repressiven Verfahren gesenkt wird.
Ein weiteres Jahr voller Menschenrechtsverletzungen an Menschen, die nicht hier geboren wurden, von Menschen, die arm sind. Ein Jahr voller legislativer Akte, die die Freiheit eines und einer jeden einschränken. Das Bild vom Personalausweis kann in Zukunft von Geheimdiensten und Polizei automatisch abgerufen werden und meine eigenen Daten werden beim Flugausflug automatisch an Polizei und Geheimdienste übermittelt.
Gegen die Mieterhöhungen wegen Modernisierung kann ich mich eh seit ein paar Jahren nicht mehr sinnvoll wehren. Ach und gut, dass wir endlich wieder eine Regierung bekommen.
Ein Jahr des weiter so. Und dieses weiter so scheint trotz all der Grausamkeit jeder einzelnen legislativen Maßnahmen und menschenverachtenden Äußerung aus dem Reigen der verantwortlichen Akteure dieses Landes keine Reaktion zu zeitigen. In den Szenevierteln mit ihren aktenkundigen 10 oder 40 „Linksextremisten“ fühlt mensch sich wohl. Die 10 bis 40 laufen samt Freund*innen regelmäßig die Karli (in Süd und West) rauf und runter und rufen radikale Parolen. „Feuer und Flamme…“ das geht dann doch zu weit. Zuprosten und weiter sinnieren und meckern.
Ändern wird das alles nichts, aber die Radikalität.
Was ich mir wünsche? Wovon ich träume?
Ich träume von Wut, die zur Veränderung antreibt. Ich träume davon, dass Menschen in Scharen ihre Bier-Tresen und Latte-Macchiato-Tische verlassen und sich nicht mehr zufrieden geben. Dass gemeinsame Schwäche erkannt und zur Stärke gemacht wird. Aber auch davon, dass Menschen endlich aufhören nach unten zu treten. Dass Menschen als Menschen behandelt werden, weil sie Menschen sind.
Wut kann ein positives Moment sein, wenn sie sich solidarisch ihre Wege sucht. Wenn sie konsequent Menschenrechte verteidigt und die Verletzung der Menschenwürde abwehrt, wie sie tagtäglich geschieht, per Gesetz und im Alltag. Und wenn sie verbale Auffangnetze aufspannt, um die zu schützen, die im Namen des Besseren übers Ziel hinaus geschossen sind, ohne dabei an Gefechtskritik zu sparen.
Ich wünsche mir Dissidenz, statt Floskeln und Ausflüchte. Eine Demo macht längst keine Veränderung. Das Fernbleiben aber auch nicht. Ich wünsche mir Solidarität. Und das ist keine altbackene Haltung. Ich wünsche mir Lust auf eine fundamentale Veränderung des Status quo. Und das wünsche ich mir nicht nur von all den anderen. Sondern auch von mir selbst.
„In Erwägung, daß wir der Regierung, Was sie immer auch verspricht, nicht traun, haben wir beschlossen, unter eigner Führung, uns nunmehr ein gutes Leben aufzubaun.“ (Aus: Bertolt Brecht, Resolution der Kommunarden. 1934)
Alle Träume, welch bereits veröffentlicht sind, finden Sie ab sofort hier in steigender Anzahl unter dem Tag l-iz.de/tag/traeume.
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