Gestern war internationaler Frauentag. Übrigens kein Tag, den irgendwelche Männer den Frauen mal gegönnt haben. Den haben sich die Frauen selbst erkämpft, vor genau 100 Jahren, woran uns dieser Tage – nicht ganz zufällig – die Leipziger Linkspartei erinnerte. Und es waren russische Frauen, die damit eine Revolution auslösten.

„Am 8. März 1917 streikten in Sankt Petersburg Arbeiter- und Soldatenfrauen und erstmals auch Bauernfrauen aus den armen Stadtvierteln gegen ihre miserablen Lebensbedingungen und lösten damit die Februarrevolution aus. Seither ist der Internationale Frauentag auf dieses historische Datum gelegt worden und soll jedes Jahr an den Mut und die Kraft der Frauen erinnern, die sich für ihre Frauenanliegen eingesetzt und gekämpft haben.“

Wenn Frauen auf die Straße gehen, dann geht es um ganz reelle Sachen: Schluss mit dem Krieg! Schluss mit dem Hunger! Brot für die Kinder!

Auch „Spiegel Online“ würdigte am Mittwoch, 8. März, diesen Beginn der russischen Februarrevolution im berechtigten Zorn der Frauen: „Den Anfang machen die Frauen, die sich am Morgen weigern, in ihre Textilfabriken zu gehen. ‚Massen der Arbeiterinnen füllten die Straße und ihre Stimmung war militant‘, erinnert sich ein Augenzeuge später, auch er ein Arbeiter, der die Szene aus dem Fenster seiner Fabrik beobachtet. Die Stimmen unten werden lauter: ‚Nieder mit dem Krieg!‘ rufen sie. Und: ‚Brot für die Arbeiter!‘“

Wenn doch Frauen nur schon früher wütend werden würden – bevor die Kerle ihre bekloppten Kriege beginnen.

Aber zumindest die Forscher ahnen, dass das so einfach nicht ist. Denn ganz so autark sind Frauen nicht. Sie leben in einer von Männern dominierten Welt. Und ein großer Teil der männlichen Macht ist schlicht durch Lügen und Vorurteile zementiert.

Das ist ein Stoff, mit dem sich Prof. Dr. Hannes Zacher, Arbeitspsychologe der Universität Leipzig, beschäftigt.

Ein paar dieser Männersprüche: Frauen fahren schlechter Auto als Männer. Sie zeigen weniger Führungsstärke, und Schwangere sind am Arbeitsplatz weniger leistungsfähig als ihre Kollegen.

Dies alles sind negative Vorurteile, für die es keinerlei Beweise gibt. Dennoch begegnen sie uns tagtäglich und sie können uns – oft unbewusst – stark beeinflussen. Dieses Phänomen erforscht Zacher.

„Ich forsche daran, was diese Vorurteile mit den Menschen machen“, erklärt der Psychologe, der dafür mit Umfragen und Experimenten arbeitet. „Wenn eine einzige Managerin ansonsten nur mit männlichen Führungskräften zusammenarbeitet, kann auch bei ihr unbewusst ein Vorurteil aktiviert werden: Ich habe weniger Führungsstärke als ein Mann. Das kann zu Hemmungen führen.“

Wie ausgeprägt diese sein können, beweist die Tatsache, dass Chefinnen oftmals geheim halten, dass sie Kinder haben – eine vermeintliche Schwäche. Es kann auch dazu führen, dass sie seltener Angebote von Arbeitgebern zur Kinderbetreuung und für mehr Flexibilität in Anspruch nehmen als ihre männlichen Pendants.

Nur so als Zwischenbemerkung: Genau das passiert, wenn Frauen in Hierarchien geraten, die von Männern konstruiert wurden.

Deswegen ist das kleine Büchlein „Warum die Welt weiblich wird“, das wir hier besprochen haben, ein guter Tipp. Denn darin geht Christoph-Maria Liegener auch darauf ein, dass es Männer sind, die Hierarchien bauen, die regelrecht besessen sind, die Rangfolge durch knallharte Befehlsstrukturen zu zementieren und ein Alphamännchen an die Spitze zu setzen.

Frauen bauen keine Hierarchien. Das kann Männer zum Wahnsinn treiben – und zwar gerade die beleidigten Alphamännchen. Frauen bevorzugen die Augenhöhe und arbeiten lieber in Netzwerken.

Was in aller Konsequenz natürlich heißt: Es ist gequirlter Blödsinn, Frauen über eine Frauenquote in die von Männern geprägten Hierarchien zu lancieren. Das muss schiefgehen, und es geht schief. Reihenweise verabschieden sich gerade die talentiertesten dieser Frauen meist binnen Jahresfrist wieder aus den ihnen angedienten Führungspositionen. Sie reden nicht groß drüber. Aber es ist nachvollziehbar: Sie halten es in diesen männlichen Befehlsstrukturen nicht aus. Und sie halten es mit den dort vorzufindenen Männertypen nicht aus.

Einige der Erscheinungen hat auch Zacher ausgearbeitet.

So vermeiden es Frauen in Führungspositionen häufig, Gefühle zu zeigen, weil ihnen das als Schwäche und als Bestätigung eines klassischen Vorurteils ausgelegt werden könnte.

Aber was macht er draus? Empfiehlt er, diese männlichen Hierarchien zu demontieren und durch weibliche Führungsmodelle zu ersetzen?

Leider nicht.

Im Gegenteil. Obwohl er es besser wissen sollte, empfiehlt er sogar eine Unterordnung unter die paternalistische Hierarchie – übrigens auch den Männern.

Eine (weibliche) Führungskraft sollte Zacher zufolge im Job nicht nur einfühlsam auftreten. Er rät hier zu einem goldenen Mittelweg: „Empathie ist gut, anderen zuhören. Eine Führungskraft sollte andere im positiven Sinne beeinflussen können, aber nicht mit allen Mitarbeitern gut befreundet sein.“

Was schon wieder ein Vorurteil ist. Das scheint Zacher nicht zu merken. Wenn Frauen freundlich sind, heißt das nicht, dass sie mit ihren Mitarbeitern befreundet sind. Im Gegenteil: Männer sind es, die Freundlichkeit immer wieder falsch deuten – und dann übergriffig werden. Was eine Katastrophe für das kooperative Netzwerken von Frauen ist. Die Kerle fangen an zu balzen, statt sich offen und lernfähig in die gemeinsame Problemlösung einzuklinken.

Was nicht nur ein Problem für Frauen ist, sondern auch für Männer, die lieber kooperativ arbeiten – die werden in diesen Macho-Hierarchien genauso gemobbt, ausgegrenzt und eben nicht an Problemlösungen beteiligt, weil der Big Boss das ja alles alleine kann und nur von oben nach unten durchstellt.

Dass Frauen dann auch noch richtige Frauen sind, wird in der heutigen Arbeitswelt erst recht zum Problem, so Zacher.

Wenn sie schwanger sind, wird ihnen häufig unterstellt, sie seien weniger leistungsfähig als ihre Kollegen. Die Reaktionen der Betroffenen auf dieses Vorurteil fallen Zacher zufolge unterschiedlich aus: Während einige Schwangere unbewusst diesem Vorurteil entsprechen und sich auf der Arbeit zurückhalten, stecken andere werdende Mütter noch mehr Energie in ihre Arbeit als sonst.

„Es gibt Vorurteile gegenüber dem Geschlecht eines Menschen, aber auch gegenüber bestimmten Altersgruppen“, sagt Zacher, der sich seit kurzem auch mit den Vorurteilen jüngerer Kollegen gegenüber Älteren wissenschaftlich beschäftigt und dabei schon mehrere gängige Vorurteile – zum Beispiel dass ältere Erwerbstätige weniger leistungsfähig als jüngere sind – widerlegen konnte.

Aber man ahnt schon: Er kratzt nur die Oberfläche. Er vermeidet lieber, die allerorts vorfindbaren männlichen Hierarchien auch als Konstrukte der Macht zu identifizieren, Burgen, mit denen machtbewusste Männer ihre Position absichern und eine ganz bestimmte Art des Durchregierens installieren. Und zwar in Strukturen, die der Mentalität von Frauen völlig zuwider laufen, die auch im höchsten Grade familienfeindlich sind, weil in diesen Befehlshierarchien volle Einsatzbereitschaft rund um die Uhr und volle Unterwürfigkeit verlangt werden.

Schöne neue Arbeitswelt, nicht wahr? Wer erkennt sie wieder?

Wie erwähnt: Es sind nicht nur Frauen, die sich in solchen Führungsgremien nicht wohl fühlen. Es sind auch Männer, die kooperative Lösungsmethoden bevorzugen und sich von solchen Hierarchien ebenfall abgestoßen fühlen, die sich Lösungssuche ohne Empathie und nachhaltige Verantwortung einfach nicht vorstellen können. Über Wirtschaftshochschulen wird derzeit versucht, diese beiden Grundthemen irgendwie in die Unternehmenswelten hineinzubringen. Aber das wird nicht wirklich gelingen, wenn Unternehmen nicht ihre Führungskultur völlig verändern. Was ein grundlegend gesellschaftliches Problem ist.

Alle schauen nur auf die gefühllosen Machos an den Unternehmensspitzen. Aber der Blick in die Politik und die Staatsbürokratie zeigt, dass es da genauso zugeht – dass fast alle wichtigen Führungspositionen von „knallharten“ Männern besetzt sind, die ihre Entscheidungen in straffen Befehlshierarchien durchstellen und selbst die eigentlichen subalternen Abteilungen, wo es eigentlich um Kommunikationsfähigkeit und Verständnis geht, zu rigiden Sanktionsapparaten machen.

War das jetzt wieder ein Seitenhieb gegen Gerhard Schröder, Peter Hartz und die anderen rosa angemalten Machos?

Natürlich.

Wer kein Mit-Gefühl hat mit den Menschen, der wird niemals eine Verwaltung bauen, die für die Menschen da ist.

Der wird auch nicht verstehen, wie ein anderes Denken in Verwaltungen und Unternehmen möglich sein könnte. Der wird bestenfalls gnädig mal der Beförderung einer Frau zustimmen. Und wenn sie dann da ist – dann wird man sie schon spüren lassen, wie knallhart es zugeht in solchen Führungsgremien. Noch ein bisschen knallhärter, weil sie ja eine Frau ist und sonst niemals lernt, sich so gnadenlos wie ein harter Mann zu verhalten.

Nicht wahr?

Das merkt aber scheinbar niemand, weil diese durchdeklinierte Macht von lauter Macho-Sprüchen und Vor-Urteilen durchtränkt ist, schlimmsten Schenkelklopferwitzen von Typen, die Frauen erst dann akzeptieren, wenn sie ihnen mit der selben Abgebrühtheit begegnen. Das tut weder den Frauen gut noch unserer Welt. Denn es verstärkt nur die alte Macho-Welt, statt ein neues, kooperatives Arbeiten möglich zu machen.

Da wäre es schon schön, wenn dieses ganze Palaver über die Quotenregelung endlich aufhört und wenigstens ein Paar Frauen mal anfangen darüber nachzudenken, wie weibliche Führungskultur eigentlich organisiert werden muss. Die klugen Männer bekommen sie dann von allein, die fühlen sich in kooperativen Strukturen nämlich auch wohler als in diesen verlogenen Alphamännchen-Türmen.

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Bestimmte Verhaltensweisen mag man im alltäglichen Sprachgebrauch als “männlich” oder als “weiblich” etikettieren. Aber man sollte das Missverständnis vermeiden, das mit einer (als unveränderlich begriffenen) “Mentalität” des einen oder anderen Geschlechts gleichzusetzen. Wie im Artikel erwähnt, können auch Männer an “weiblichen” kooperativen Arbeitsformen interessiert sein. Genauso gibt es Beispiele aus der Praxis, die zeigen, dass auch weibliche Führungskräfte auf Hierarchien setzen und “männlich” von oben nach unten durchregieren (selbst in Organisationen, in denen das eher nicht so gern gesehen ist, wie z.B. in einer Universität). Die sprachlichen Etiketten tragen hier nicht unbedingt zu einem klareren Verständnis der Problemlage bei. Wenn man das Kind schon beim Namen nennt (Netzwerke und Kooperation vs. Hierarchien und Befehlsgewalt), muss man damit nicht noch die Unterteilung in “die einen” und “die anderen” Menschen verbinden. Auch wenn es Fakt ist, dass weniger Frauen als Männer auf Führungsebenen zu finden sind. Aber das hat wohl auch handfestere Gründe, wie immer noch zu wenige und zu unflexible oder zu teure Kinderbetreuungsmöglichkeiten, zu wenig wirklich partnerschaftliche Familienarbeit aufgrund unflexibler Arbeitszeitmodelle (die Männer und Frauen gleichermaßen betreffen) etc.

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