KommentarSehr geehrter Herr Hartung, ich bleibe dabei: Wir sind hier höflich. Wir fangen auch nicht an zu sortieren, wer vielleicht Höflichkeit verdient hätte oder nur mit Vorbehalt. Das gilt für Sie genauso wie für Frauen mit und ohne Hochschulabschluss. Wir unterstellen auch niemandem, dass er sich vielleicht mit Drogen behilft. Ich persönlich gehe davon aus, dass Ihre Pressemitteilung zu Eveline Lemke und Claudia Roth ganz gezielt, ganz nüchtern und ganz bewusst so formuliert war. Sie wollten verletzten. Nichts anderes sagt Ihre Pressemitteilung aus.

In Ihrem Schreiben an mich tun Sie zwar so, als müsste ich jetzt auf die Diskussion einsteigen, ob die Karlshochschule berechtigt ist, eine Frau ohne Hochschulabschluss zur Präsidentin zu wählen und damit gegen ihre eigene Grundsatzordnung zu verstoßen.

Aber das muss ich nicht. Das war sichtlich auch für die wählenden Gremien der Karlshochschule kein Problem, weil ihnen die Persönlichkeit, die politische und Lebenserfahrung von Eveline Lemke sichtlich wichtiger waren als alle Titelei. Auch ein beurkundeter Hochschulabschluss ist nur eine Titelei.

Und es liegt ganz in der Souveränität der Karlshochschule, das so zu machen. Und es spricht auch keiner Sache Hohn, wie Sie glauben.

Und es waren Professoren und Dozenten, die sie gewählt haben. Das erzählt eigentlich genug über den Respekt, den sie der neu gewählten Präsidentin zollen. Deswegen ist auch Ihr Satz Unfug: „Was für eine Autorität soll die Frau unter Professoren und Dozenten genießen?“. Er ist eine reine rhetorische Floskel.

Mit der Sie dann Ihre Verachtung von grünen Politikerinnen einleiten. Sie schreiben vom „Bild bildungsunwilliger grüner Politiker“. Sie schreiben von der „ungelernten Hilfsarbeiterin wie Claudia Roth“. Und Sie zitieren die rechtsnationale Publizistin Cora Stephan, die über Grüne im Bundestag als Menschen schreibt, „die nichts gelernt und keinen Beruf ausgeübt und auch sonst von Tuten und Blasen keine Ahnung hatten“.

Das ist Hohn und Verachtung. Nichts Anderes.

Hätten Sie klug und nüchtern argumentiert, warum eine Berufung Eveline Lemkes in die Präsidentschaft der Karlshochschule keinen Sinn macht, der Hochschule nicht hilft oder gar kontraproduktiv wäre, hätte ich mich ja mit Ihren Argumenten auseinandersetzen können. Aber davon ist in Ihrer PM nichts zu lesen. Sie haben nur den Anlass genommen, um ihre Häme auszukippen über Grüne im Allgemeinen und zwei namhafte grüne Politikerinnen im Besonderen.

Und nun versuchen Sie mir mit fünf Punkten zu erklären, dass ich wohl unfähig wäre zu erkennen, was Sie mit ihrer Wortmeldung eigentlich gemeint haben könnten.

Und Sie greifen zum selben Mittel: der Verächtlichmachung.

Und Sie arbeiten wieder mit Unterstellungen. Als wenn Ihre Facebook-Antworten unser „Weltbild erschüttern“ könnten. In was für einer Welt leben Sie eigentlich? Unterhalten Sie sich mit Ihren Parteifreunden auf diesem Niveau?

Ich würde mich ja riesig freuen, wenn aus der AfD einmal wirklich kluge Analysen und Kommentare kämen, Wortmeldungen, die zeigen, dass man sich wirklich ernsthaft mit dem Thema beschäftigt hat und auch fundierte Lösungen entwickeln kann. Aber dergleichen kommt einfach nicht. Stattdessen gibt es immer wieder nur hämische Kommentare. Wie soll ich Sie da ernst nehmen?

Und Querdenker in der AfD? Verwechseln Sie da nicht etwas? Querschießen hat nichts mit Querdenken zu tun, der Fähigkeit, Dinge anders zu denken und neue Lösungen und Ideen zu finden. Davon finde ich aber in der AfD nichts. Sie macht keine Denkangebote, keine durchdachten Lösungsangebote, bietet keine neuen Ideen, sondern nur lauter alte. Die wirklichen Querdenker in dieser Welt, die sind nicht hämisch. Die schauen auch nicht mit so viel Verachtung auf andere Menschen herab. Die sind im Gegenteil sehr nachdenklich und respektvoll, weil sie wissen, dass neue Ideen immer auch das Verständnis aller Anderen brauchen. Man muss sie begründen und man muss sehr viel Geduld haben, bis sie auch verstanden werden.

Aber man muss sie begründen können, nicht einfach nur behaupten.

Das ist das, was in Ihrer Wortmeldung so aufstößt. Sie behaupten nur.

Und unterstellen – wie jetzt auch in ihrem Leserbrief: „Vor allem aber: sollten Inhaber akademischer Grade vom Bachelor bis zur Habilitation per se keine ‚Grenzgänger und Querdenker‘ sein? Das halte ich gelinde geschrieben für postarrogant.“

Die Aussage kommt in meinen Text nirgendwo vor. Sie tun aber so, als hätte ich so etwas geschrieben und schieben dann ihre nächste Verächtlichmachung nach: „postarrogant“. Wie soll man Sie da ernst nehmen, wenn sie immer wieder vom Thema abkommen, ihre Vorwürfe nicht begründen und trotzdem darauf beharren, Recht zu haben? Haben Sie das wirklich so gelernt?

Oder ist es das, was Sie für Querdenken halten?

Ist es aber nicht. Es ist nur Querschießen.

Mit freundlichen Grüßen.

Der komplette Leserbrief von Dr. Thomas Hartung:

„Da meine Facebookantwort an Herrn Julke einem liz-Autoren namens Freitag offenbar ungeläufig ist (vielleicht weigert er sich auch, sie zur Kenntnis zu nehmen, da sie sein Weltbild erschüttern könnte), dokumentiere ich sie hier gern erneut:

Hallo Herr Julke,

ich weiß nicht, was für Stoff Sie sich einverhalfen, um auf so ein Wutlevel zu gelangen – übrigens völlig unbegründet:

1) einen Titel erhielt man zu meiner Zeit (ja teilweise sogar noch heute) nur, NACHDEM man etwas geleistet hat. Nämlich eine wissenschaftliche Arbeit geschrieben. Sie kennen offenbar nur h.c.

2) Wer Titel fälschlicherweise erworben oder „nachgeworfen“ bekommen hat, aber nur darum auf irgendwelche Posten gehievt wurde, wird von uns auch weiterhin angegriffen (das können Sie gern zum „Elitenbashing“ verallgemeinern); das betrifft auch und erst recht Guttenberg, über den ich mich vor Jahren auch privat aufgeregt hatte (vgl. hier: http://www.dr-thomas-hartung.de/?p=287)

3) Es geht um eine Hochschule, an der genau solche Grade (angefangen beim Bachelor) für genau solche Leistungen vergeben werden. Wenn einer solchen Einrichtung jemand vorsteht, der genau solch eine Leistung nie erbracht hat, ist und bleibt das für mich indiskutabel – einerlei übrigens, ob Männlein oder Weiblein. Dieselbe PM hätte ich auch geschrieben, wenn ein bildungsferner Mann diesen Posten bekommen hätte; ebenso einerlei ob grün, gelb, rot, schwarz…
Ergänzung: Das Schlagwort der PM hat etwas mit Kürze zu tun. Wie man die Dimensionen von Beschreibung und Bedeutung vermischen haben, erlebt die AfD tagtäglich.

4) wäre die Frau Vorstand irgendeines Unternehmens, wäre mir der Vorgang egal. So aber werden sowohl die Absenkung von Bildungsstandards trefflich illustriert als auch die von Cora Stephan wunderbar süffisant beschriebenen Zusammenhänge von grüner Partei und Bildung.

5) Mag sein, dass man in Karlsruhe „Grenzgänger und Querdenker“ gut findet. Aber: die finde ich auch gut, die finden sich überdies zuhauf in der AfD. Und keineswegs ist es so, dass auf „Grenzgänger und Querdenker“ die Grünen ein Monopol haben. Vor allem aber: sollten Inhaber akademischer Grade vom Bachelor bis zur Habilitation per se keine „Grenzgänger und Querdenker“ sein? Das halt ich gelinde geschrieben für postarrogant.

Übrigens: Was meine DDR-Sozialisation / mein DDR-Doktortitel mit den 68ern zu tun hat, mag Ihr Geheimnis bleiben.

Mit verhältnismäßig freundlichen Grüßen

Dr. Thomas Hartung“

Die ursprüngliche Pressemitteilung.

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