Im März 2015 tauchten in sozialen Netzwerken, allen voran auf verschiedenen Facebookprofilen, fingierte Steckbriefe mit Namen und Foto eines Mitarbeiters der Leipziger Internet Zeitung auf. Angeblich würde die Polizei nach unserem L-IZ-Kollegen Martin Schöler fahnden. Dieser werde wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern gesucht. Der perfide Fall von Verleumdung machte deutschlandweit Schlagzeilen. Laut polizeilichen Ermittlungen sieht nun alles danach aus, als ob hinter der koordinierten Aktion ein bekannter Kampfsportler und einstiger Lok-Hooligan steckte.
Denn die Ermittlungen von Polizei und Staatsanwaltschaft haben ergeben, dass der Fahndungsaufruf von Benjamin B. in die Welt gesetzt wurde. Der Wurzner ist seit vielen Jahren in der subkulturellen Neonazi- und Hooliganszene Leipzigs aktiv. Die Leipziger Internet Zeitung hatte in der Vergangenheit mehrfach über seine Aktivitäten berichtet, nach Verurteilungen auch mit Klarnamen.
Benjamin B. gehörte bis 2014 der Fangruppierung „Scenario Lok“ an, die vom Landesamt für Verfassungsschutz bis zu ihrer zumindest öffentlich verbreiteten Selbstauflösung beobachtet wurde. Im Jahr 2010 ging B. eine Geschäftsbeziehung mit dem Wurzner Rechtsrockproduzenten Thomas P. ein, was sich nachhaltig negativ auf seine Kampfsportkarriere auswirken sollte. B. galt seinerzeit als hoffnungsvolles Nachwuchstalent in der Disziplin Mixed-Martial-Arts, verlor allerdings aufgrund seiner Nähe zu rechten Kreisen im September 2014 einen lukrativen Vertrag mit der amerikanischen Profiliga UFC.
Der Freefighter inszenierte sich gegenüber seinen Fans daraufhin als Opfer einer Medienkampagne, hinter der einzig und allein Martin Schöler gesteckt haben soll. Dass bereits da längst andere Kollegen von sich aus auf die seltsamen Wege des Kampfsportlers aufmerksam geworden waren, schien für B. ausgeschlossen.
Als Schöler tatsächlich über die einst tonangebende Rolle B.s im rechtsextremen Teil der Lok-Fanszene berichtete, verzichtete dieser wohlweislich auf die Einleitung juristischer Schritte gegen die Leipziger Internet Zeitung. Stattdessen griff B. auf höchst fragwürdige Methoden zurück, um seinem Frust Ausdruck zu verleihen. Bereits im März 2012 stellte der Wurzner einen Strafantrag gegen Schöler, da er sich verleumdet fühle. Konkrete Belege, dass unser Kollege im Internet behauptet hatte, B. sei Rechtsextremist, konnte der Freefighter den Beamten seinerzeit nicht liefern. Das Verfahren wurde schließlich mangels Tatverdachts eingestellt.
Aus heutiger Perspektive bestehen an B.s Weltbild hingegen keinerlei Zweifel mehr. Seine Mitgliedschaft bei „Scenario Lok“ hat der Kampfsportler längst in einem Rechtsstreit vor dem Landgericht Leipzig eingeräumt. Als Staatsschützer den Wurzner während einer Hausdurchsuchung im August 2015 nach seiner Handy-Pin fragten, erwiderte er, sie mögen „die Klassiker“ probieren. Gemeint war der Zahlencode „1488“. Diesen könne er sich besonders gut merken. In rechtsextremen Kreisen steht die Ziffernfolge symbolisch für die „Fourteen Words“. Der Glaubenssatz des amerikanischen Rechtsterroristen David Eden Lane bedeutet übersetzt: „Wir müssen die Existenz unseres Volkes und die Zukunft für die weißen Kinder sichern. Heil Hitler.“
Laut der Datenauslesung der ermittelnden Beamten diskutierte B. in einer internen WhatsApp-Gruppe im März 2015 mit anderen Personen, wie man an die Wohnanschrift und weitere persönliche Daten unseres Kollegen gelangen könnte. Die Freunde erörterten unter anderem die Möglichkeit, Martin Schöler am Rande von Fußballspielen aufzulauern. B.s Geschäftspartner Thomas P. prahlte gegenüber seinen Kameraden, den Reporter angezeigt zu haben, um mittels Akteneinsicht an dessen Adresse zu gelangen.
Alles in Allem ein gehöriger Verfolgungseifer und ein hohes Maß an internen Absprachen rings um einen Lokaljournalisten, welcher lange Zeit in der Angst leben durfte, entweder verprügelt oder von leichtgläubigen Mitmenschen aufs nächste Polizeirevier geschleppt zu werden.
Das Amtsgericht Grimma hat gegen B. wegen Verbreitens des Steckbriefs kürzlich einen Strafbefehl über 90 Tagessätze zu je 30 Euro erlassen. Da der laut Ermittler als Ersteller des Aufrufes Geltende Einspruch eingelegt hat, wird das Gericht nun in öffentlicher Hauptverhandlung über den Fall zu entscheiden haben. Ein Verhandlungstermin steht noch nicht fest.
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Es gibt 2 Kommentare
Die Strafe ist viel zu gering!
Was für ein Feigling.