Das Bündnis "Legida? Läuft nicht." sorgte Anfang des Jahres dafür, dass sich bis zu 7.000 Studenten an den Protesten gegen nationalistische Aufmärsche in Leipzig beteiligten. Seitdem war es weitgehend ruhig um die Aktivisten geworden. Doch nun wollen sie wieder angreifen - und planen für November gleich zwei große Kundgebungen.
Dresden hat Leipzig überholt. Glaubt man ersten wissenschaftlichen Schätzungen, demonstrierten am Montagabend in der Landeshauptstadt mehr und in der Messestadt weniger als 1.000 Menschen gegen Pegida und seine Kopie. Dass in Dresden nach monatelanger Abwesenheit wieder nennenswerter Protest gegen flüchtlingsfeindliche Hetze wahrnehmbar ist, wertet dabei freilich niemand, der es gut mit Geflüchteten meint, als Problem. Aber was ist los mit dem antirassistischen Protest in Leipzig, der in der Vergangenheit ja gerne mal mit einer ordentlichen Portion Häme und Verachtung Richtung Ostsachsen blickte?
Von den anfangs etwa 30.000 Menschen, die am Rande der ersten Legida-Demo im Januar das Waldstraßenviertel füllten, ist kaum jemand übrig geblieben. Ging man in Anbetracht rückläufiger Teilnehmerzahlen bei Legida in den ersten Monaten wohl davon aus, dass sich das Thema von selbst erledigen würde, steht nun fest, dass sich diese Einschätzung nicht bewahrheitet hat. Legida mobilisiert wöchentlich etwa 800 Personen – aber der Protest stagniert weiterhin.
Insbesondere die studentische Stimme innerhalb der Gegenbewegungen ist seit Anfang des Jahres deutlich leiser geworden. Statt 7.000, wie im Januar, sind es mittlerweile nur noch einige hundert Studenten, die sich beteiligen – in einer Stadt, in der es allein an der Universität knapp 30.000 von ihnen gibt. Das dort angesiedelte Bündnis „Legida? Läuft nicht.“ (LLN) war maßgeblich für die anfänglich starke Mobilisierung verantwortlich und organisierte beispielsweise die in der Universitätsstraße gestartete Demonstration – die ursprünglich nur für 200 Personen angemeldet war. Zur ersten Informationsveranstaltung kamen mehr als 500 Interessierte in einen hoffnungslos überfüllten Hörsaal. Auch die Bündnistreffen, aus denen verschiedene Arbeitsgruppen und eine Fotoaktion resultierten, zogen zunächst mehrere hundert Studenten an.
Doch schon recht bald war die Luft raus.
Männer und Frauen der ersten Stunde zogen sich vorübergehend zurück und die vorlesungsfreie Zeit im Februar und März sorgte für fehlende studentische Kapazitäten in Leipzig. Oder wie es einer der damals noch und jetzt wieder Aktiven in kleiner Runde kürzlich ziemlich direkt auf den Punkt brachte: „Nach ein paar Wochen hat sich die Spreu vom Weizen getrennt.“
Wirklich weg von der Bildfläche war das Bündnis nie. Im Mai positionierte es sich beispielsweise kritisch zum Auftritt eines Universitätsmitarbeiters auf der Legida-Bühne und im August bereitete es gemeinsam mit dem StuRa die gut besuchte Audimax-Veranstaltung zur Erstaufnahme in der Ernst-Grube-Halle vor. Auf Facebook rief es weiterhin zur Teilnahme an No-Legida-Protesten auf und informierte über rassistische Umtriebe im Freistaat. Wirklich wahrnehmbar ist „Legida? Läuft nicht.“ jedoch erst seit einigen Wochen wieder.
Pünktlich mit Beginn des neuen Semesters scheinen die Aktivitäten neuen Schwung gewonnen zu haben. Mit Bannern auf dem Uni-Innenhof und in der Mensa mobilisierte das Bündnis bereits für eine – letztlich erfolglose – Demonstration gegen die Mitte Oktober von Bundestag und Bundesrat beschlossene, neuerliche Asylrechtsverschärfung. Für die Proteste gegen die OfD-Kundgebung in Grünau rief LLN zur gemeinsamen Anreise vom Hauptbahnhof aus auf. Doch auch gegen Legida, wogegen sich das Bündnis ursprünglich ja einmal gegründet hatte, soll der studentische Widerstand wieder stärker werden.
Zu diesem Zweck nutzte „Legida? Läuft nicht.“ insbesondere die „Kritischen Einführungswochen“ an der Uni Leipzig und rief etwa am 12. Oktober zur gemeinsamen Aktion auf: „Lasst uns gemeinsam treffen, nicht mehr nur zum Startpunkt der Nazis gehen, sondern früher aktiv werden, um uns diesen Idioten in den Weg zu stellen.“
Gebracht hat es bislang wenig.
Denn weder sind die Teilnehmerzahlen bei den Gegendemonstrationen nennenswert angestiegen noch konnte LLN das Versprechen seines Bündnisnamens in die Tat umsetzen, seit Legida wieder vom Refugees-Welcome-Platz aus startet. Auch einem Aufruf in der vergangenen Woche, ein Infotreffen zu besuchen, folgten nur wenig mehr als ein Dutzend Studenten, darunter immerhin viele Neuimmatrikulierte. Eben um die Frage, wie wieder mehr Angehörige der Leipziger Hochschulen zur Teilnahme an den No-Legida-Veranstaltungen bewegt werden können, kreisten an diesem Tag einige Gespräche. Problematisch sei beispielsweise, dass viele wohl gar nicht wüssten, dass weiterhin wöchentlich rassistische Aufmärsche in Leipzig stattfinden. Zudem sei anzunehmen, dass einige jenes dort verbreitete Gedankengut durchaus teilen.
„Legida? Läuft nicht.“ möchte nun wieder angreifen und plant für Mitte des kommenden Monats gleich zwei große Demonstrationen. So soll am 16. November ein Laternenumzug stattfinden, für den bereits jetzt auf Facebook mobilisiert wird. Eine solche Veranstaltungsankündigung wird es demnächst auch für den 9. November geben, dem Jahrestag der nationalsozialistischen Pogrome gegen jüdische Menschen im Jahr 1938, als ihre systematische Verfolgung ihren Anfang nahm.
„Wir rufen aber jetzt schon alle Menschen dazu auf, sich an diesem historischen Datum deutlich zu positionieren“, heißt es von Seiten des Bündnisses. „Der Gedanke, dass an diesem Tag Nazis und Rechtsgesinnte ihr hetzerisches, menschenfeindliches Bild auf die Straße tragen und an Gedenkveranstaltungen vorbeimarschieren, ist unerträglich.“
Bereits am vergangenen Freitag fand ein erstes Vorbereitungstreffen dazu statt, nach LLN-Angaben mit etwa 35 Interessierten. Ein weiteres soll am Freitagmittag auf dem Uni-Campus folgen. Schon am Mittwochabend lädt „Legida? Läuft nicht.“ derweil zum offenen Plenum ein, um sich allen an einer generellen Mitarbeit Interessierten näher vorzustellen. Perspektivisch möchte das Bündnis sich nicht nur mit Legida auseinandersetzen, sondern auch ein eigenes Selbstverständnis entwickeln und emanzipatorische Themen stärker an der Hochschule verwurzeln. Solange Legida weiter läuft, liegen die Prioritäten jedoch woanders.
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