Viele würden gern wissen, was den gemeinen Pegida-Teilnehmer auf die Straße treibt und hält. Schlau aus den diffusen Forderungen werden viele Betrachter der Bewegung nicht. Am Dienstagabend versuchte man im Werk 2, dazu eine Erklärung zu finden und kam dabei zur Erkenntnis, dass man eigentlich nicht über Pegida sondern über die Atmosphäre, in der die Bewegung gedeiht, reden müsste.
Als Pegida das erste Mal mehrere tausend Menschen in Dresden versammeln konnte, fragte man sich, wer da eigentlich demonstriert und warum. Einige sagten Nazis, andere besorgte Bürger und wiederum andere sahen eine Horde von ostdeutschen Wendeverlierern, die unzufrieden mit ihrer Situation sind.
Der Verein linXXnet veranstaltete am Dienstagabend eine Diskussionsveranstaltung mit zwei Referenten, moderiert durch Juliane Nagel (MdL, Die Linke), um der Frage auf den Grund zu gehen, was den Reiz hinter den wöchentlichen Protestzügen ausmacht.
„Die Frage ist schwierig zu beantworten“, gab Horst Kahrs vom Institut für Gesellschaftsanalyse der Rosa Luxemburg Stiftung zu bedenken. Mehrere Studien über die Teilnehmer wurden durchgeführt, deren Aussagekraft aber fragwürdig ist. Der durchschnittliche Pegida-Teilnehmer lehne eine Befragung ab. Auch sein Mitdiskutant, Robert Feustel vom Institut für Politikwissenschaften der Universität Leipzig, hat Schwierigkeiten, das verbindende Element zwischen den verschiedenen GIDA-Veranstaltungen zu finden. „Es ist ein Container für alle möglichen Ängste“, umriss er die grundlegende Motivation. „Es ist vielleicht von Vorteil, sich die Videos anzuschauen und zu fragen, wer das ist“, so der Politikwissenschaftler über einen möglichen Zugang in die Köpfe der Protestierenden. Der NDR hatte zwei Beiträge mit ungeschnittenem Interviewmaterial veröffentlicht, die einen Einblick in die Gedankengänge von Pegida-Teilnehmern ermöglichen.
Wieviel Aufnahme ist möglich?
Eine ältere Frau aus dem Publikum veranschaulichte mit ihrer Frage zum Ende der Veranstaltung den grundlegenden Widerspruch zwischen ordnungspolitischer Lösung und gesellschaftlichem Wandel, der sich in der ganzen Debatte widerspiegelt. Sie fragte nach der Anzahl an Flüchtlingen, die Deutschland aufnehmen könnte.
Auf das Zahlenspiel wollte das Podium sich nicht einlassen. Horst Kahrs argumentiere, dass schon alleine die Festlegung auf diese Zahl diverse Annahmen mit sich brächte. Sie hätten einen Blickwinkel in dem es darum gehe, dass die gesellschaftliche Entwicklung praktisch stillstehen solle und der Wohlstand Deutschlands nicht im globalem Maßstab mit der Verarmung von anderen Ländern gedacht werde. Armut sei ein wichtiger Fluchtgrund, der mitbetrachtet werden müsse. Die Frage sei seiner Meinung nach nicht, wie viele Flüchtlinge aufgenommen werden könnten, sondern wie lange Deutschland seinen Reichtum halten könne, ohne eine militärisch gesicherte Mauer um sich herum zu ziehen. „Es ist ein Irrtum, dass durch weniger aufgenommene Flüchtlinge es einem Armen besser geht“, stellte der Gesellschaftsanalytiker fest.
Was geschieht am rechten Rand?
„Es gibt eine massive Veränderung im rechten Spektrum“, konstatierte Kahrs zudem. Damit meinte er nicht nur die Verschiebungen in der Nazi-Szene, sondern auch Veränderungen bis hinein in bürgerliche Kreise der CDU. Die Volkspartei sei in den vergangenen Jahren von vielen ihrer klassischen Themen abgerückt, sei auf gesellschaftliche Veränderungen eingegangen und stehe somit inhaltlich nicht mehr für einen Teil ihrer früheren Wählerschaft. Dies schaffe den Platz für neue Bewegungen wie Pegida, die die gesellschaftlichen Veränderungen nicht akzeptieren wollen.
„Vielleicht ist es Zeit, nicht mehr über Pegida zu reden“, regte Robert Feustel grundlegend zur Debatte an. Er zeigte Verständnis dafür, dass die Menschen sich in einer immer schnelleren und im ständigen Wandel befindlichen Welt nicht mehr zurecht fänden. Dies führe allerdings zu unschönen Folgen. „Irgendwie ist der Ruf aus Dresden einer nach Unfreiheit“, charakterisierte der Politikwissenschaftlicher den grundlegenden Tenor der GIDA-Bewegung.
Die derzeitigen Zahlen der Demonstrationen von vielen Pegida-Ablegern sind zurzeit rückläufig. Aufgrund der gesellschaftlichen Veränderungen und den daraus resultierenden Problemen und Herausforderungen kann es aber nur eine Frage der Zeit sein, bis sich die nächste Protestbewegung aufmacht, am gesellschaftlichen Stillstand festzuhalten.
Es gibt 7 Kommentare
Danke für ihre Darlegungen, wo ich für jeden ihrer Argumente sehr leicht viele Gegenargumente liefern könnte. Ich habe das aber bereits in meinem Interview gemacht und diese sind auch im Buch “Finanzrevisor Pfiffig…” enthalten.
Trotzdem drei Hinweise:
Zum Punkt mit den Freien Wählern:
“Sie haben eben nur drei Sitze, d.h. sie repräsentieren damit eben auch nun eine Minderheit”. Richtig. Eine wesentlicher Ursache war bzw. ist, dass auch die Medien in Brandenburg ihre Rolle als vierte Staatsgewalt schamlos missbraucht haben. Nicht umsonst haben sie den “Freien Wähler” kaum Platz in ihren Berichterstattungen eingeräumt. Das wurde – wie in Sachsen und Thüringen – bewusst so gesteuert. Meine Gespräche mit Journalisten haben das bestätigt. Wären die Medien auf die Forderung der “Freien Wähler” (erstmalig in der Geschichte der BRD bzw. des wieder vereinten Deutschlands!!!!) zur Reform der kommunalen Finanzkontrolle eingegangen, um endliche eine ordnungsgemäße und möglichst neutrale Kontrolle der Verwendung der Steuergelder zu gewährleisten, dann wären mit Sicherheit die Wahlen ganz anders verlaufen – in allen 3 Bundesländern,
“Zu den sachgemäßen Steuerverwendung:
Über Steuerverschwendungen wird regelmäßig berichtet. Was mitunter als Verschwendung deklariert wird, erweist sich am Ende doch als rechtmäßiger Verwaltungsakt.”
Verzeihung, aber mit dieser Ansicht liegen Sie vollständig daneben. Ich habe jedoch deshalb für diese Ansicht Verständnis, weil es beim Aufzeigen von Beispielen (besonders in den Medien) bleibt und Sanktionsmaßnahmen kaum bzw. nicht damit verbunden sind.
Nun Beispiele, die mit Steuergeldverschwendung verbunden sind bzw, sein können – in erheblichen Größenordnungen, und kein rechtmäßiger Verwaltungsakt sind. Alle Beispiel sind keine Seltenheit – auch nicht in Sachsen.
Vergabe von Lieferungen und Leistungen bzw. Bauleistungen ohne Beachtung vergaberechtlicher Bestimmungen an gute Freunde, Familienmitglieder, Geschäftspartner und Bekannte (erfolgt täglich in Deutschland), vorsätzlich nicht erbrachte aber abgerechnete Bauleistungen (werden durch fehlende Prüfungen nicht bemerkt), ungenügender Einzug von Einnahmen wegen fehlenden Personals, Verjährung von Forderungen wegen schlechter Bearbeitung, Besetzung von Leitungsposten nach Parteibuch mit unfähigen Personal (keine Seltenheit – eingeschlossen Leipzig) welche teilweise verheerende Auswirkungen auf die Arbeit ganzer Abteilungen bzw, Dezernate haben, Manipulationen mit Grundstücken. Gebäuden und Mietverträgen, ungesetzlicher Verzicht auf Einnahmen des Haushaltes (Leipzig!?) durch eigenmächtige Entscheidungen, Schaffung unnötiger und unwirtschaftlicher Geflechte bei Städtischen Beteiligungen, Nicht zu vergesse die Entsendung von fachlich vollkommen ungeeigneten Vertretern in die Aufsichtsräte kommunaler Beteiligung mit oftmals verheerenden Auswirkungen (auch in Leipzig),
Und natürlich die Reformunwilligkeit der Politik. Da werden zum Beispiel jährlich in Sachsen rund 25,0 Mio € Personalkosten für eine Prüfungsbehörde (Sächsischer Rechnungshof) ausgegeben, die kein Mensch braucht. Schlimmer geht es kaum.
Ich belasse es bei diesen Beispielen, denen ich noch viele folgen lassen könnte. Sehr viele. Mit riesigen finanziellen Auswirkungen, wo sich jedoch keiner wagt hinter die Kulissen zu schauen (Stichworte: Elbphilharmonie Hamburg, Flughafen Berlin/Brandenburg, Stuttgart 21 u,s.w.). Gegenwärtig arbeite ich daran, dass zumindest bei der Elbphilharmonie Hamburg und dem Flughafen Berlin/Brandenburg das schamlose (bzw. so gewollte) Versagen der Kontrollbehörden (also der zuständigen Rechnungshöfe) aufgezeigt wird, Medien mit Rang und Namen weigern sich (bisher erfolgreich) diese hochbrisanten Themen aufzugreifen. Ich lasse jedoch nicht locker. Meine Mühlen mahlen. Gegenwärtig habe ich nur die Müller gewechselt.
“Wer noch mehr Selbstverwaltung haben möchte, kann sich vielleicht für ehrenamtliche Sachbearbeiter einsetzen.”
Es geht überhaupt nicht um mehr kommunale Selbstverwaltung, sondern darum, dass die Kontrolle der Steuergelder endlich neutral, fortschrittlich, wirtschaftlich und wirksam erfolgen muss.
@Klaus:
Zum Punkt der Ausländerfeindlichkeit:
Ja, so etwas gibt es auch wo anders, aber wir reden hier gerade über die deutschen Verhältnisse im Rahmen von Pegida. Dass es üble Rassisten in Russland, Frankreich, Norwegen, USA, Ungarn, Ukraine, etc. gibt, ist so weit bekannt.
Zum Punkt mit den freien Wählern:
Sie haben eben nur drei Sitze, d.h. sie repräsentieren damit eben auch nun eine Minderheit. Das sogenannte Gemeinwohl erstreckt sich nun eben auch auf alle und wenn im Durchschnitt alle der Meinung sind, dass alles so ist wie es sein soll, dann ist die Politik eben nur die Widerspiegelung des Gesamtinteresses. So wie ja auch alle die Bild-Zeitung hassen, aber sehr viele sie kaufen.
Punkt reiches Deutschland:
Solide Finanzierung heisst im Fall von Sachsen eben keine Schulden zu machen. Das dies auf Kosten vieler anderer Dinge geht, wird hinreichend oft thematisiert (Medien, Demonstration, Institutionen).
Deutschlands Wirtschaftspolitik in Richtung Export erweist sich im Zuge der Krise ja als absolutes Erfolgsmodel. Dass dies nur über eine Verschuldung der anderen Länder geht, wird meiner Meinung nach auch zu wenig thematisiert. Die Frage stellt sich doch eher, warum die Menschen in Deutschland lieber ihre Wut auf die Verhältnisse auf “Die Ausländer”, “Die Griechen” und “Die da oben schieben”, als eben mal über die von ihren angesprochenen Themen zu sprechen. Sie gehen eben nicht regelmäßig zu Tausenden für mehr Lohn und bessere Sozialleistungen auf die Straße.
Weiter finde ich es höchst befremdlich, wenn man möchte, dass mit einem eisernen Besen mal durchgekehrt werden müsste. Das erinnerte mich zu sehr an die Anrufung von Merkel in der Krise, dass sie mal wieder durchregieren müsste. Wie würde ihrer Meinung nach ein solcher Reinigungsvorgang aussehen?
Zu den sachgemäßen Steuerverwendung:
Über Steuerverschwendungen wird regelmäßig berichtet. Was mitunter als Verschwendung deklariert wird, erweist sich am Ende doch als rechtmäßiger Verwaltungsakt.
Zu es muss gehandelt werden (Bsp. Verwaltungsreform):
Eine Verwaltung umzukrempeln geschieht nicht von Heute auf Morgen. Dass hierbei zahlreiche Fehler gemacht werden, liegt womöglich in der Natur des Großprojekts. Dazu kommen noch die zahlreichen widersprüchlichen Anforderungen: Weniger Bürokratie hier, mehr Hilfe dort, weniger Verwaltungsangestelte überall. Alles sollte natürlich nicht missbraucht werden können, deshalb sehr ausführlich sein, aber dann natürlich am besten auf einen Bierdeckel Platz haben.
Zu Selbstverwaltung:
Ich verweise hier nur ganz knapp auf die Möglichkeiten des Stadtrates, eines Quartiersmanagement, Stadtteilinitiativen, etc. Wer noch mehr Selbstverwaltung haben möchte, kann sich vielleicht für ehrenamtliche Sachbearbeiter einsetzen.
@Stefan:
Auch wenn Rassismus nur ein Symptom bzw. eine Folge ist, entlastet es die Teilnehmer nicht, die Woche und Woche zu den Demonstrationen geeilt sind.
Es ist doch gerade zu paradox, wenn gleichzeitig Teilnehmer sagen, dass die Veranstaltungen nichts mir Rassismus zu tun hätten und eine hetzerische Rede nach der anderen beklatscht wird. Warum, weshalb und wie die Leute das tun, kann man wissenschaftlich erklären, aber es ist für mich nicht nachvollziehbar.
Die Leute, die sich da versammeln, tun es ja auch freiwillig, weil sie für/gegen etwas demonstrieren wollen. In dem Moment haben die verschieden Leute sehr wohl etwas miteinander zu tun, nämlich eine gemeinsame Meinungskundgabe.
Ich behaupte ja nicht, dass es keine Ausländerfeindlichkeit gibt. Die gibt es doch aber nicht nur in Deutschland. Und auch nicht erst seit wenigen Monaten.
“Die niedrige Wahlbeteiligung deutet darauf hin, dass viele Menschen kein Interesse mehr an der parlamentarischen Demokratie haben. Andererseits frage ich mich, wo die 50% immer sind, die doch angeblich so unzufrieden sind.”
Haben wir tatsächlich eine parlamentarische Demokratie? Jeder angebliche Experte wird das eindeutig mit ja beantworten. Sollte, muss bzw. kann man von einer parlamentarischen Demokratie nicht erst dann sprechen, wenn diese auch im Interesse des Gemeinwohls ist? Wie sieht die Realität aus?
Eine hochbrisante Frage, deren Beantwortung in den Mittelpunkt einer öffentlichen Diskussion gestellt werden müsste. Da ich gegenwärtig auch in Brandenburg “aktiv” bin, ein nach meiner Ansicht sehr schönes Beispiel zum besseren Verständnis meiner äußerst kritischen Fragen. In Brandenburg sind die “Freien Wähler” in den Landtag eingezogen (3 Sitze). Diese machen eine hervorragende Arbeit im Interesse der Bürgerinnen und Bürger Brandenburgs, was sehr schön auf deren Internetseite verfolgt werden kann. Wie reagieren darauf jedoch die etablierten Parteien (besonders SPD, “Die Linke” und die CDU)? Sie behindern die fachlich hervorragende Arbeit der “Freien Wähler” wo es nur geht. Hat das etwas mit parlamentarischer Demokratie zu tun? Wahrscheinlich ja, aber nicht im Interesse des Gemeinwohls. Ich würde mir wünschen, dass in Brandenburg die Bürger auf die Straße gehen, und ihren massiven Unmut gegen diese schamlose Verhaltensweise genannter drei Parteien deutlich zum Ausdruck bringen. Schnell wäre Ruhe im Karton.
Deutschland ist eines der reichsten Länder der Welt. Viele Personengruppen leben in Saus und Braus, Beim überwiegenden Teil der Kommunen Deutschlands, scheint das Geld an allen Ecken und Enden zu fehlen (auch in Sachsen). Deren Verschuldungen werden immer größer, weil die Kreditverpflichtungen die Haushalte enorm belasten. Trotzdem wird überall von einer soliden Finanzpolitik gesprochen. Wie passt das zusammen? Was sind die Ursachen? Dort muss eingestiegen werden, weil in unserer Gesellschaft letztlich alles eine Frage des Geldes ist. Egal ob es sich um die Aufnahme von Flüchtlingen, die Anmietung bzw. den Neubau von Gebäuden für deren Unterbringung, mehr Personal bei Lehrern und Polizei, die Ausgaben für eine hochmoderne Armee, bessere Schulen, ausreichende Kindergartenplätze, einen bezahlbaren Nahverkehr, die Finanzierung von Kultureinrichtungen, die Verbesserung der Infrastruktur, bezahlbaren Wohnraum, die riesigen Ausgaben für Sozialleistungen u.s.w. u.s.w. handelt, alles ist ein Frage der Finanzierung. Hier liegt ein riesiges Betätigungsfeld, was jedoch nicht bearbeitet wurde und wird. Deutschland gibt lieber anderen Ländern, wie Griechenland, die “feinsten” Hinweise, obwohl erst einmal bei uns gekehrt werden müsste. Schonungslos, mit eisernen Besen!
Der wesentliche Vorteil Deutschlands besteht darin, dass die Haupteinnahmequelle des Bundes, der Länder und Kommunen immer reichlich sprudelt. Die Steuern der Unternehmen. Deshalb hat man es scheinbar gar nicht nötig, sich mit der ordnungsgemäßen Kontrolle der Verwendung der Steuergelder, mit einer Reform der Steuerfahndung, mit gravierenden Reformen der kommunalen Finanzkontrolle und der Wirtschaftsprüfungen zu befassen. Auch deshalb nicht, weil die Medien nicht gewillt sind, diese Themen in die Öffentlichkeit zu bringen. Nicht einmal die so gelobten investigativen Journalisten, die es angeblich in großer Anzahl gibt. An diese Themen wagen sich aber auch diese nicht heran, wovon ich mich ausreichend überzeugen konnte. Von den Politikern bzw. den Parteien ganz zu schweigen. Auch die Unternehmen in Deutschland haben kein Interesse an einer ordnungsgemäßen Kontrolle der Steuergelder. Wäre das der Fall, dann hätten sie bzw. deren Unternehmerverbände längst ihren enormen Einfluss auf die Politik bezüglich Reformen geltend gemacht. Nicht einmal ansatzweise ist das geschehen, wie ich mich in vielen Gesprächen überzeugen konnte. Traurig, aber wahr.
Es geht also nicht darum, dass “Früher alles besser war”, sondern es muss in den Vordergrund gerückt werden, was “Heute” bzw. in Zukunft besser gemacht werden muss. Dabei darf aber nicht nur geredet, sondern es muss auch gehandelt werden. Kleines Beispiel für Sachsen: Mit einer Verwaltungsreform befassen sich in Sachsen seit Jahren Heerscharen von gut bis sehr gut bezahlten Angestellten bzw. Beamten. Das Ergebnis ist bisher nichts weiter als ein Kasperletheater, nur nicht so lustig.
Es ist auch an der Zeit, sich intensiv mit der kommunalen Selbstverwaltung zu befassen. Dabei hat die damalige Bundesrepublik einen der größten Fehler gemacht. Sie hat die Grenzen dieser Selbstverwaltung zu weit gefasst. Da ich hier keine Doktorarbeit schreiben kann und nicht von einigen als Besserwisser betitel werden möchte, nur weil diese die Thematik nicht erfassen können, wenige Sätze dazu. Mit Gründung der BRD war die wesentlichste Eigentumsform das Privateigentum – vorwiegend die Unternehmen. Diese bilden die stabile Basis für die Finanzierung der staatlichen bzw. kommunalen Aufgaben. Um deren steuerliche Verpflichtungen in den Griff zu bekommen, wurde besonderer Wert auf den schnellen Aufbau von funktionsfähigen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften gelegt.
Auf die Kontrolle der ordnungsgemäßen – möglichst neutralen – Kontrolle der Verwendung der Steuergelder wurde kein bzw. kaum Wert gelegt. Das wird schon gut gehen, weil das die kommunale Selbstverwaltung von allein regeln wird. Ein fataler Fehler, der hätte längst korrigiert werden müssen. Nichts ist geschehen. Bis heute. Weshalb nicht? Hier höre ich auf.
Ich persönlich bin der Ansicht, dass diese Fremdenfeindlichkeit (übrigens das nette Wort für Rassismus) “nur” eine Folge und/oder ein Vorwand einer tiefen Frustration bei einem größeren Anteil der Bevölkerung ist.
Gerade weil bei Pegida so “unterschiedliche” Leute wie Spießbürger, Glatzköpfe und Hooligans mitlaufen, die eigentlich gar nichts miteinander zu tun haben, behaupte ich, dass es eine tiefe Unzufriedenheit gibt. Meiner Meinung nach fühlen sich viele (dieser) Leute schlicht übergangen – nicht unterdrückt oder ausgebeutet, sondern einfach übersehen und vergessen von der “hohen” Politik.
Das sind viele Kleinigkeiten, sei es der schon ziemlich niedrige Sparzins oder die drohende Altersarmut. Oder die Prekarisierung bei Jobverlust.
Diesen Leuten ist das Durchwurschteln leid, und keine der sog. etablierten Parteien bietet ihnen eine sichere Perspektive.
Schon seit Jahren beobachte ich in allgemeinpolitischen Online-Foren eine solche massive Unzufriedenheit. In diesem Bezug überrascht Pegida (und auch die Gründung der AfD) mich nicht. Der offene Rassismus überdeckt in meinen Augen die wirkliche Probleme, die diese Leute haben und die sie – wie an den schweigsamen “Interviews” zu erkennen ist – selbst nicht in Worten ausdrücken können.
Die angebliche Ausländerfeindlichkeit existiert wirklich und es ist wichtig dieses Thema zu behandeln. Wenn in Freital und anderswo Personen versuchen ein Flüchtlingsheim zu stürmen, muss das als absolut nicht akzeptabel thematisiert werden. Es sei hier auch auf die Mitte-Studien der Friedrich Ebert-Stiftung hingewiesen.
Die niedrige Wahlbeteiligung deutet darauf hin, dass viele Menschen kein Interesse mehr an der parlamentarischen Demokratie haben. Andererseits frage ich mich, wo die 50% immer sind, die doch angeblich so unzufrieden sind.
Ich würde den Punkt mal von einer anderen Seite aufziehen: Vielleicht interessieren sich viele Leute einfach nicht für Wahlen, weil sie auch so durchs Leben kommen. Das Desinteresse wäre im Sinne einer Beteiligung zwar schlecht, ist aber nicht mit einer Unzufriedenheit gleichzusetzen.
Außerdem ist das mit einem Diskussionsangebot immer leicht gesagt. Zahlreiche Interviews, Befragungen, etc. von Pegida-Teilnehmern zeigen, dass man mit einer Diskussion nicht weiterkommt, weil einfach Fakten ignoriert werden.
Ich ziehe dazu wieder die Migrationsthematik heran: Wenn Personen der Meinung sind, dass der Ausländeranteil ja viel zu hoch sei (über 50% kommt da schon öfters mal vor), man dann Zahlen und Fakten präsentiert, Rückfrage über die gemachten Erfahrungen stellt und dann nichts weiter als Mutmassungen, Halbwissen und “Ich habe mal gehört von XY” kommt, dann sehe ich da auch keine Grundlage für so etwas, was man überhaupt als Diskussion bezeichnen könnte.
Wie man der Weltflucht der Menschen begegnen kann, dazu gibt es offensichtlich keine einfache Lösung. Dann aber den Schritt zu gehen auf jeden Blödsinn, den die Leute ablassen, einzugehen, halte ich für gefährlich. Dann ist man eben schnell wieder bei der Floskel “Früher war alles besser”.
“Die derzeitigen Zahlen der Demonstrationen von vielen Pegida-Ablegern sind zurzeit rückläufig. Aufgrund der gesellschaftlichen Veränderungen und den daraus resultierenden Problemen und Herausforderungen kann es aber nur eine Frage der Zeit sein, bis sich die nächste Protestbewegung aufmacht, am gesellschaftlichen Stillstand festzuhalten.”
Dieser Satz ist das Salz in der Suppe. Es geht doch gar nicht um Legida/Pegida oder ähnliche Bezeichnungen und auch nicht um die damit verbundenen Aktivitäten/Erscheinungen.
Der Ausgangspunkt war die katastrophale Wahlbeteiligung bei den Landtagswahlen. 50,0 % der Bürgerinnen und Bürger haben in Thüringen, Sachsen und Brandenburg den etablierten Parteien die rote Karte gezeigt. Dort ist der Ansatz für Diskussionen zu suchen und zu finden. Diese Diskussionen haben aber noch gar nicht begonnen. Vorwiegend deshalb, weil beispielsweise solchen hervorragenden Medien in Sachsen wie die LVZ, die Freie Presse, die Dresdener Neusten Nachrichten, Bild, der MDR u.s.w. gar nicht gewillt sind, diese in der Öffentlichkeit zu führen. Das soll angeblich die vierte Staatsgewalt sein? Tatsächlich ist das der blanke Hohn.
Auch die Politiker wollen an die Ursachen ran. Von absurden Diskussionsrunden, die meist nicht viel bringen, weil oftmals die Fachkompetenz fehlt bzw. der Wille zum Verständnis bestimmter Probleme gar nicht vorhanden ist, abgesehen. Zwei solcher Runden von Parteien habe ich miterlebt. Vorläufig nicht wieder.
Auch wenn mich gleich wieder meine “Freundinnen und Freunden” kritisiert werden, eine Frau Nagel ist bzw. wäre nie in der Lage, eine sachliche Diskussion über die Ursachen des Unmutes der Bürgerinnen und Bürger Sachsens zu führen. Sie hat ja noch nicht einmal begriffen, dass sie in der Zwischenzeit wesentlich für das gegenwärtige sehr schlechte Erscheinungsbild von “Die Linke” Sachsens mit verantwortlich ist.
Es müssen endlich andere Themen auf den Tisch, als nur die angebliche Ausländerfeindlichkeit. Doch wer hat dazu (in Sachsen) einen Arsch in der Hose?
Feuer frei!