Was glauben Muslime? Die Frage ist zu pauschal. Es gibt im Islam viele Strömungen. Im Bahnhofcafé traf ich Imam Said Ahmed Arif von der Ahmadiyya-Gemeinde. Sie wollen in Gohlis eine kleine Moschee bauen. Im Gespräch ging es um das Bild des Islam in der Öffentlichkeit, die Deutung des Koran und die Struktur der Ahmadiyya. Mit dabei seine Frau. Auch sie sprach von ihrem Glauben, ihrem Selbstverständnis als Muslimin und warum sie das Kopftuch trägt.
Frau Arif hatte bis jetzt aufmerksam zugehört. Nun will ich auch sie in das Interview einbeziehen. Das ist ungewohnt für sie. Eigentlich will sie nicht in der Öffentlichkeit stehen. Daher möchte sie auch nicht fotografiert werden. Seit ihrem Fachabitur befasst sie sich mit Web- und Grafikdesign.
Thema in der Diskussion ist auch immer wieder die Rolle der Frau im Islam. Ich freue mich, dass Sie da sind, Frau Arif. Welche Bedeutung hat für Sie der Glaube?
Frau Arif: Für mich ist der Glaube sehr wichtig. Er zeigt mir den Weg, den ich gehen kann.
Wie prägt der Glaube ihren Alltag? Ist es Ihnen in jedem Augenblick wichtig, dass sie Muslimin sind?
Frau Arif: Ja, auf jeden Fall. Zum Beispiel die fünf Gebete am Tag. Die ziehen sich ja über den ganzen Tag hin. Oder die Art, wie ich mich kleide. Die Umgangsweise mit den Menschen. Das Bemühen, die Rechte der Mitmenschen zu erfüllen usw. Das bestimmt meinen Alltag.
Die richtige Umgangsweise hatte mich vorhin auch beschäftigt. Ich hatte Ihnen vorhin nicht die Hand gegeben. Eigentlich ist das aus meinem Gefühl heraus unhöflich. Mir schien aber, dass sie es als Grenzüberschreitung empfinden, wenn ich Ihnen die Hand gebe. Oder hätte ich Ihnen die Hand geben dürfen?
Frau Arif: Also eigentlich ist es mir lieber, wenn mir nicht die Hand gegeben wird.
Imam: Es geht nicht darum, in irgendeiner Art und Weise respektlos zu sein. Ich versuche einfach, in einer anderen Weise, Respekt zu zeigen. Ich zeige das durch eine Verbeugung und zeige damit, dass ich in keiner Weise respektlos sein will. Wir verzichten aus Respekt und der Intimsphäre auf den Handschlag mit dem anderen Geschlecht. Buddhistische Mönche machen das auch nicht. Und auch in der japanischen Kultur verbeugt man sich. Eins ist kulturell abgelegt und eins religiös. Bei uns ist es auch religiös begründet.
Religiös begründet wird auch das Kopftuch. Was bedeutet es für Sie, ein Kopftuch zu tragen?
Frau Arif: Mittlerweile merke ich das gar nicht mehr, dass ich eines trage. Am Anfang habe ich es einfach so getragen, weil ich dachte, ich probiere es einfach aus. Und hinterher hatte es schon eine tiefere Bedeutung. Zum Teil auch eine Schutzfunktion. Es ist eine Blockade, die ich aufstelle. Zum Beispiel in der Schule, es war im Sommer. Ich war nach Hause gegangen. Meine Freundinnen waren knapp bekleidet und sie wurden von Mitschülern angemacht. Das war für mich schon ein Grund, dass ich gemerkt habe: ok, das ist wirklich eine Schutzfunktion für mich, weil ich eben nicht lauthals angeschrien wurde auf der Straße.
Religiös strahle ich damit aus, dass ich eine Muslimin bin.
Haben Sie auch negative Erfahrungen gemacht?
Frau Arif: Nein, das kann ich nicht sagen.
Sie sind in den Glauben hineingewachsen oder erst später konvertiert?
Frau Arif: Ich bin als Muslimin aufgewachsen. Mit dem Kopftuch habe ich angefangen, als ich 12 war. Das war in Frankfurt.
Neben den Gebetszeiten gibt es noch andere Gelegenheiten, zu denen sich die Frauen in der Gemeinde treffen?
Frau Arif: Es gibt einmal im Monat Versammlungen zur Wissenserweiterung im spirituellen und religiösen Bereich. Aber auch einfach so dazwischen, wenn man sich treffen möchte.
Zum Kaffee trinken, zum Beispiel. [Frau Arif lacht] Sind da die Frauen unter sich?
Frau Arif: Ja
Und eine der Frauen bereitet ein Wort vor, eine Lehre?
Frau Arif: Das ist ein Lehrplan. Der wird bei uns von der Zentrale erstellt. Da sind dann alle Bereiche drin. Sport, Wissen, Spiritualität, Ernährung. Da gibt es dann verschiedene Frauen, die dafür zuständig sind. Jeder Schritt wird dann bearbeitet.
Zentraler Lehrplan bedeutet: das kommt von London [Sitz des Kalifen im Exil]?
Frau Arif: Nein, das ist national geregelt.
Imam: Das wird durch die Unterorganisation der Frauen gemacht. Es gibt lokale, regionale und nationale Gremien. Manchmal sind die lokalen Organisationen nicht selbstständig genug und werden durch die regionalen unterstützt. Für die nationale Organisation der Frauen gibt es verschiedene Ämter. Zur Bildung, zum gesunden Leben und natürlich, Religion und Spiritualität. Und da werden verschiedene Inhalte vorbereitet. So dass die lokalen Gemeinschaften schon etwas haben, was sie nützen können. Entsprechende Strukturen gibt es auch bei den Männern.
Im dritten Teil des Gespräches geht es um Strukturen, um Formen und Grenzen der Mitbestimmung sowie um die Rolle des Kalifen – morgen an dieser Stelle.
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