Es gibt die große Welt und die sogenannte kleine. In der großen Welt sind geostrategische Entscheidungen an der durchaus blutigen Tagesordnung, in der kleinen ist es manchmal ein Kiesel, ein Tod, eine winzige Entscheidung, die Menschen ins Schwanken bringt. Ins Schwanken dabei, ob sie selbst Verantwortung übernehmen wollen - egal welcher Spielart - oder dabei weiter zuzuschauen, wie die Dinge um sie herum geschehen. So wie bei "Legida" Menschen nach außen treten, die nun Verantwortung tragen werden, tritt auch bei der Gegenbewegung "NoLegida" mit Marcel Nowicki jemand nach vorn, der ein anderes Menschenbild in Leipzig haben möchte, als das der anti-islamischen Legida-Demonstranten. Weshalb er wohl auch weniger "Gewissheiten" mitbringt, als die "Kämpfer für das Abendland". Das L-IZ -Interview zweiter Teil mit "No Legida".
Ein “Demokratiedefizit” gibt es da ja offensichtlich nicht?
Ja, eigentlich gar nicht. Das ist dann schon ziemlicher Quatsch. Ich bin kein Politologe. Ich bin wirklich das, was man einen einfachen Bürger nennt.
Ich bin nicht parteipolitisch gebunden. Ich bin auch nicht in irgendwelchen politischen Initiativen. Aber meine Einschätzung dessen, was gerade in der Sachsen CDU gesagt wird, empfinde ich sehr scheinheilig. Die CDU regiert hier seit Anbeginn der Zeit, also seit der Wende und viele Stimmungen im Land Sachsen sind auch zu verantworten durch die Politik der CDU. Man kann das schon fast rückgratlos nennen, dass sie noch nicht einmal zu Entscheidungen über bestimmte Asylbewerberheimen stehen können. Noch nicht einmal das schaffen sie.
Sie machen selbst dort einen Rückzieher und sagen, da müssen wir noch strenger sein mit der Durchsetzung unserer Asylgesetzgebung und wir müssen noch strenger beurteilen, ob jemand bleiben darf oder nicht. Das entspricht dem C im Namen überhaupt nicht. Das gilt vor allem jetzt für Sachsen. Bayern ist Bayern und CSU ist CSU. Die hat eine spezielle Funktion. Da gibt es den berühmten Spruch von Strauß “Rechts neben der CSU …”. Das ist immer so gewesen und ein eigenes Thema.
Welche Wirkung werden die Demonstrationen am Montag in Leipzig haben?
Ich kann schlecht einschätzen, was Legida selbst für eine Wirkung haben wird. Sie haben auch ein gewisses Potenzial in Leipzig. Es gibt eine starke konservative Wählerschaft. Wenn man davon ausgeht, wer sich zumindest letztes Jahr bei den Protesten gegen die Moschee dort aufgestellt hat bei den Protestierern – das waren auch Teile der Leipziger CDU-Wähler. Da kann ich mir ein Potenzial vorstellen. Ich hoffe, dass es relativ klein wird.
Spielt der Leipziger Mythos als “Hort der Demokratie” eine Rolle?
Ja. Leipzig ist ein sehr symbolträchtiger Ort. Es ist auch Grund dafür, warum es in den neunziger und nuller Jahren Versuche gab, hier Naziaufmärsche zu etablieren. Dieser Satz “Wir sind das Volk” spielt natürlich darauf an. Ich denke schon, dass das ein wichtiger Aspekt ist. Mehr kann ich derzeit nicht beurteilen. Es wird die Stärke der Mobilisierung zeigen.
Was den Gegenprotest der verschiedenen Bündnissteilnehmer angeht, hoffe ich natürlich, dass er so groß wird, dass es keinen zweiten Montag geben wird. Dieser Gegenprotest ermöglicht vielen Leipzigerinnen und Leipziger auf die Straße zu kommen, die im Normalfall nicht zu einer Demo gehen würden. Wir wünschen uns eine breite Teilnahme. So sind auch die Demos aufgestellt. Da ist “für jeden was dabei”.
Wenn meinst du mit Wir?
Es geht erst einmal um uns, die diese Facebook-Seite initiiert haben. Es gibt aber einen Konsens bei den jeweiligen Demonstrationsanmeldern. Wir haben uns da schon ausgetauscht und besprochen, dass wir viele Leute mobilisieren wollen und der Protest friedlich sein soll. Das gilt auch für alle Gruppen, die irgendwas in irgendeiner Art angemeldet haben.
Wir stellst du dir einen wirksamen Gegenprotest vor? Das sie gar nicht laufen können oder nur eingeschränkt?
Ich muss da unterscheiden zwischen der persönlichen Meinung und dem, was opportun ist. Meine persönliche Meinung ist, dass sie nicht allzu weit laufen – das ist ganz klar. Für mich wäre ein erfolgreicher Protest, wenn die Zahl der Gegendemonstranten sehr hoch ist. Damit wird automatisch der Bereich dort geflutet. Es soll ein großes Signal an die Legida-Leute und nach außen hin sein. Es ist nicht nur gegen Legida, sondern Leipzig soll ein Ort ein, wo Grenzen gelten. Wo diese auch zur Not verteidigt werden, auch von jedem und nicht nur von bestimmten Gruppen.
Wie stellst du dir langfristigere Gegenmaßnahmen gegen Pegida oder Legida vor?
Das ist ein längerer Prozess und lässt sich nicht durch eine Demo lösen. Was wir dort sehen, schafft man nicht so einfach aus der Welt. Prinzipiell habe ich zumindest die Erfahrung gemacht, dass man da nicht richtig diskutieren kann. Es ist ja nicht so, als ob es irgendeine Art und Weise von Basis gäbe auf der man diskutieren könnte. Da werden Menschenbilder aufgefahren, die sind indiskutabel. Da werden Menschen zu Menschen zweiter Klasse erklärt. Auf so einer Basis lässt sich nicht diskutieren.
Wenn man bisher versucht hat, sogenannte Argumente zu entkräften und Fakten entgegensetzt, wird das nicht wahrgenommen. Man kann mit ihnen nur diskutieren, wenn man ihre Weltsicht zu einem kleinen Teil auch teilt. Wie es unter anderem vielleicht die AfD getan hat, die sich angeblich mit denen an einen Tisch gesetzt hat. Das möchte ich nicht unterstellen, aber davon muss man ausgehen, weil es da einen gewissen Grundkonsens gibt.
Interview mit Marcel Nowicki von der Facebook-Gruppe “No Legida” (Teil 1): Indiskutable Menschenbilder
Zahlreiche Initiativen rufen …
Legida & Pegida: Leipziger Religionswissenschaftler zum Positionspapier
Das Religionswissenschaftliche Institut …
Legida trifft auf NoLegida: Zutritt und Blockieren verboten?
Die Demonstration auf dem …
Schlägerei nach PEGIDA-Demo: Die Polizei Dresden zum Stand der Ermittlungen
Am 23. Dezember gab die Polizei …
HoGeSa, PEGIDA: LEGIDA – Welcome in Leipzig
Das war die vielleicht bislang …
Wie man das lösen kann, weiß ich ehrlich gesagt nicht … da fehlen mir die Lösungsansätze. Ich wünschte, ich könnte sagen, wir machen jetzt dies und das, dann klärt das die Leute auf, aber so funktioniert das leider nicht.
Das sind zum Teil Menschen, die die “Mainstream-Medien” seit Jahren einfach ablehnen. Die Presse liefert uns unabhängige Informationen, die wir versuchen können einzuordnen. Das passiert dort gar nicht mehr. Sie nehmen Informationen nur aus Kanälen wahr, die allem einen Spin geben. Je nachdem wem es gerade nutzt. Noch nicht mal auf der Schiene kann man da großartig etwas machen. Jedes Mal wenn ein Artikel in irgendeiner Tageszeitung erscheint, der Pegida oder deren Anhängern widerspricht, heißt es wieder Lügenpresse. Was soll man da noch machen?
Was vielleicht helfen könnte wäre, etwas polemisch gemeint: mehr Migranten. Die tägliche Konfrontation mit dem “Fremden” baut Vorurteile wahrscheinlich am schnellsten ab.
Was würdest du potenziellen Gegendemonstranten am Montag empfehlen?
Gute Laune mitbringen. Wir haben das gleiche Ziel: Gegen Rassisten und Rassismus aufzustehen und einen Support geben für Migranten, Flüchtlinge und Asylbewerber hier in der Stadt. Das eint alle Initiativen. Manche gehen weiter: Sie wollen natürlich Verbesserung für Asylbewerber, bei dem ich mich persönlich anschließen würde. Die Zustände, zum Beispiel in der Torgauer Straße, sind eigentlich untragbar.
Wir haben auf unserer Facebook-Seite Empfehlungen zu den Demos herausgeben, was dort vielleicht zielführend wäre. Wer zum Beispiel gut zu Fuß ist und Lust hat auf einen Spaziergang in ruhiger Atmosphäre, der kommt am besten zur Nikolai-Kirche oder zum Bündnis 8. Mai am Lindenauer Markt. Wer nicht so gut zu Fuß ist oder später dazu kommt, geht direkt zum Waldplatz, wo letztendlich die große stationäre Kundgebung von “Courage zeigen” sein wird, zu der alle anderen hinlaufen werden. Wer sich etwas aktiver der Legida entgegensetzen will, der nimmt die “Refugees Welcome” oder Demonstration der Studierenden wahr.
Was ansonsten wichtig ist: Etwas zu Trinken. Warm anziehen. Bitte keine Glasflaschen und derartiges mitbringen. Es kann kalt werden, aber bitte trotzdem nicht das Gesicht einschalen. Das ist etwas worauf die Polizei sehr allergisch reagiert – bringt nur unnötige Diskussion und es nervt die eine wie die andere Seite. Vielleicht einfach ertragen, dass die Nase etwas kälter wird. Die Polizei ist nicht unser Gegner. Schlussendlichen schützen sie auch uns, wie alle anderen, und machen dort nur ihren Dienst.
Ich wünsche mir einen schönen Abend und dass sich danach ein paar weitergehende Gedanken entwickeln.
Keine Kommentare bisher