Bei öffentlichen Finanzen geht es nicht nur um Verschwendung. Ein Thema, das fast nie wirklich öffentlich wird, ist das Thema Korruption. Denn wenn Finanzströme und Auftragsvergaben nicht transparent sind, öffnen sich all jene Hintertüren, über die diverse Zeitgenossen Einfluss nehmen - auf Sachbearbeiter, Entscheider, Gremien. Würde eine transparente Berichterstattung diese Möglichkeiten einschränken? Auch das ein kleiner Fragekomplex für Klaus Richard Grün alias Finanzrevisor Pfiffig.

Sollte es so eine unabhängige Prüfabteilung gar direkt im Bereich des OBM geben – mit klarer Weisungsbefugnis für Kostenrahmen und Abrechnung? Statt der augenscheinlich etwas überforderten bbvl also eine personell ordentlich ausgestattete Abteilung Finanzkontrolle, die schon bei Verdacht die Rechnungsführung ganzer Ämter oder Eigenbetriebe prüfen kann?

Der kühnen Schlussfolgerung, dass die bbvl wegen des Sachverhaltes im Gewandhaus überfordert sein soll, schließe ich mich nicht an.

Die bbvl wurde 1993 als 100-prozentiges Tochterunternehmen der Stadt Leipzig gegründet und fungiert als eine Art “ausgelagerte Konzernverwaltungsstelle”, deren Hauptaufgabe darin besteht, ein effektives Beteiligungsmanagement zu gewährleisten. Das war eine politische Entscheidung, die beibehalten worden ist. Die Zusammenarbeit ist vertraglich geregelt. Diese Form der Steuerung, also durch ein eigenes Tochterunternehmen ist nach meiner Kenntnis in der BRD ein Einzelfall.

Im Geschäftsbereich des OBM – Kommunalwirtschaft – der Stadt Leipzig bestehen noch die Referate Beteiligungen und Stadtkonzern mit jeweils vier Mitarbeitern.

Ich war und bin kein großer Freund dieser Variante, also der “ausgelagerten Konzernverwaltungsstelle”.

Was den Blick auf die Anti-Korruptions-Politik des Rathauses wirft. Ist ein Anti-Korruptions-Beauftragter allein nicht völlig überfordert, in so einem Haus die Korruption unterbinden? Wäre ein strenges Finanzkontrollwesen nicht wesentlich besser geeignet, frühzeitig mitzubekommen, wenn Gelder versickern oder an Empfänger gehen, die sich auf Kosten der Allgemeinheit damit bereichern?

Korruption und Finanzkontrolle sind zwei verschiedene Paar Schuhe.
Was ist unter Korruption zu verstehen? Gut finde ich die Auslegung von Transparency International: “Der Begriff Korruption ist so undurchsichtig wie die Strukturen, in denen Korruption gedeiht. Korruption ist der Missbrauch anvertrauter Macht zum privaten Nutzen oder Vorteil. Ob Bestechung oder Bestechlichkeit im internationalen Geschäftsverkehr oder im eigenen Land, ob Käuflichkeit in der Politik oder der Versuch, durch Schmiergelder Vorteile zu erlangen – Korruption verursacht nicht nur materielle Schäden, sondern untergräbt auch das Fundament einer Gesellschaft. In Deutschland wurde das Problem der Korruption lange Zeit ignoriert. Zahlreiche Skandale, auch in jüngster Zeit, machen deutlich, dass weltweite Korruptionsbekämpfung im eigenen Land anfängt. Alle gesellschaftlichen Bereiche können strukturelle Einfallstore bieten, die Korruption befördern. Man spricht bei der Korruption oft von einem unsichtbaren Phänomen, denn es gibt nur Täter, meist zwei, den Bestecher und den Bestochenen. An einer Aufdeckung haben beide begreiflicherweise kein Interesse und setzen alles daran, ihr Tun zu verschleiern. Deshalb ist der Schlüsselbegriff der Korruptionsbekämpfung Transparenz. Da das oft schwer identifizierbare, jedenfalls aber ahnungslose Opfer nicht Alarm schlagen kann, muss überall dort Öffentlichkeit oder Überprüfbarkeit hergestellt werden, wo die gegebenen Strukturen (Organisationen, Prozesse, Verhalten) korruptives Verhalten erleichtern.”

Gemäß einer Verwaltungsvorschrift der Sächsischen Staatsregierung zur Korruptionsvorbeugung, die für alle Behörden und Einrichtungen des Freistaates Sachsen gilt, ist Ansprechpartner in der Regel der Dienststellenleiter. Sofern es aufgrund der Größe und der Aufgaben der Behörde sachgerecht erscheint, kann ein Ansprechpartner für Anti-Korruption benannt werden.

Und wie läuft das nun in einer sächsischen Kommunalverwaltung?

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Die Stadt Leipzig hat einen Anti-Korruptions-Koordinator eingesetzt, der Verdachtshinweise auf korruptive Handlungen entgegen nimmt, auch anonym. Er ist nicht in die Verwaltungshierarchie eingegliedert, agiert unabhängig und ist nicht an Weisungen gebunden. So steht es zumindest geschrieben. Wie sieht die Realität aus? Wie kann er unabhängig agieren und an Weisungen nicht gebunden sein, wenn er doch Angestellter bzw. Beamter der Stadtverwaltung ist? Ein ganz faules Ei.

Es würde mich sehr wundern, wenn auch nur einer der Anti-Korruptions-Beauftragten in Sachsen einen “unkomplizierten” Kontakt zur jeweiligen Staatsanwaltschaft bzw. zu den Ermittlungsorganen pflegen darf, wie es erforderlich wäre.

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Hinweise auf “Verfehlungen” bzw. Korruptionsverdacht in den Verwaltungen seit Beginn der Wiedervereinigung ständig zurückgegangen sind. Nicht weil es derartige Sachverhalte nicht mehr gibt, sondern weil die Mitarbeiter erkannt haben, dass in erster Linie der “Nestbeschmutzer” gesucht wird, der seinen Vorgesetzten (weil er diesen nicht vertraut) nicht zuerst informiert hat. Wer soll und will sich das antun?

Und wie lautet Ihr Fazit für Sachsen?

Ich halte die Verfahrensweise bei der Bekämpfung von Korruption in den Verwaltungen des Freistaates Sachsen für fragwürdig. Sie ist kein Aushängeschild für Transparenz, sondern eine Mogelpackung, Opium für das Volk. Es gibt genügend Beispiele aus anderen Bundesländern, wo das wesentlich besser praktiziert wird.

Wie wäre es damit? In Gebietskörperschaften ab 20.000 Einwohnern sowie allen Landkreisen ist aus den Reihen der Volksvertretung ein “Anti-Korruptions-Ausschuss” mit mindestens 3 Vertretern verschiedener Parteien bzw. Wählergemeinschaften zu bilden, welcher Ansprechpartner sowie für den Umgang mit den Hinweisen verantwortlich ist.

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