Haben die Piraten einfach Pech, weil sie die falschen Themen haben und deshalb kaum noch Prozente bei Wahlen erringen? Dabei sind es hochbrisante Themen, die allesamt mit Bürgerrechten, Freiheit und Selbstbestimmung zu tun haben. Und nicht nur im Internet beschäftigen sie sich mit dem Thema staatlicher Überwachung. Auch in öffentlichen Räumen wird ja emsig überwacht. Sven Windisch, Mitglied der Piratenpartei, hat deshalb mal bei Leipzigs Stadtverwaltung nachgefragt.

Die Stadt muss zumindest antworten, während das Ermitteln all der anderen – wohl in die Tausende gehenden – Kameras in öffentlichen Räumen eine Sisyphos-Arbeit wird. Da ist die Polizei, die aus Sicherheitsgründen etliche Stadträume überwacht. Aber noch viel üppiger ist die Überwachung durch private Unternehmen, die – etwa in Kaufhäusern und Einkaufspromenaden, in Bankfilialen und Parkhäusern, aber auch in Bürohäusern Kameras installiert haben. Selbst in Supermärkten ist die Technik installiert. Und als Nutzer der Straßenbahnen der LVB darf man sich ruhig wie ein Verdächtiger fühlen, wenn eine Frauenstimme aus dem Lautsprecher verkündet, dass in den Bahnen der LVB “zur Gewährung der Sicherheit Videoaufzeichnungen” gemacht werden. Die Bahnen sind allesamt mit solcher Kameratechnik ausgestattet. Oft genug erweisen sich die Aufzeichnungen als hilfreich, wenn es in den Bahnen zu Kriminalitätsdelikten kommt.

Aber erst einmal aufmerksam geworden auf das Thema, hat Sven Windisch seine Fragen als Bürger gestellt und am 15. Oktober in der Ratsversammlung von Ordnungsbürgermeister Heiko Rosenthal auch einige Antworten bekommen.

“Wie viele Überwachungskameras werden durch die Stadt Leipzig bzw. ihre Gesellschaften in öffentlichen bzw. nicht öffentlich zugänglichen Bereichen betrieben?”, war seiner erste Frage. Und schon da summierte sich die Kamerazahl ganz schön: “Die Stadtverwaltung Leipzig betreibt zur Überwachung von PKW-Stellplätzen und des Schrankenbereiches am Westeingang des Neuen Rathauses zwei Videokameras zur Nutzung durch das beauftragte Sicherheitsunternehmen. Die Bilder werden auf einem Monitor in der Hauswache wiedergegeben, eine Bildaufzeichnung erfolgt nicht. Auf das Vorhandensein der Kamera wird öffentlich hingewiesen”, war die Antwort des Ordnungsbürgermeisters. “In der Kürze der Zeit war eine vollständige Analyse der Videoüberwachung der städtischen Beteiligungsunternehmen nicht möglich. Hingewiesen sei darauf, dass in den Unternehmen der Daseinsvorsorge (gemäß Ratsbeschluss RB-IV 1068/07) Videokameras zur Überwachung der Standorte und Produktionsstätten eingesetzt werden. Eine detaillierte bzw. standortbezogene Auskunft würde insbesondere den Schutzintentionen dieser Anlagen und der Versorgungssicherheit entgegenstehen.”

Weswegen dann die Zahlen auch etwas summarisch ausfielen: So sind – wie Heiko Rosenthal bestätigt – bei den Leipziger Verkehrsbetrieben (LVB) in allen Straßenbahnen und Bussen zur Gewährleistung des subjektiven Sicherheitsempfindens der Fahrgäste und zur Aufklärung von Straftaten Kameras installiert. Bei 262 Triebwagen, 61 Beiwagen und 126 Bussen sind das, wenn man nur zwei Kameras pro Fahrzeug rechnet (in etlichen Straßenbahnen sind es mehr), immerhin schon mal 898 Kameras.
Dazu kommen bei den LVB noch sieben Kameras zur Überwachung des Verkehrsflusses, acht Kameras zum Objekt- und Personenschutzschutz in stationären öffentlich zugänglichen Anlagen, vorrangig Serviceeinrichtungen zur Wahrung des Hausrechts und 68 Kameras zum Objekt- und Personenschutzschutz und zur Wahrung des Hausrechts in stationären, nicht öffentlich zugänglichen Bereichen, z. B. Betriebshöfe und Abstellflächen.

Die Leipziger Wohnungs- und Baugesellschaft (LWB) meldet sieben Kameras zum Objektschutz, davon zwei in nicht öffentlichen Bereichen. Das besondere hierbei: Die LWB hat in den vergangenen Jahren einen Großteil ihrer Kameratechnik demontiert. Dazu hatte Windisch auch noch extra gefragt.

Im Städtischen Krankenhaus St. Georg gibt es zehn Videokamera-Standorte in den für Patienten und Personal zugänglichen Bereichen. Bei den Leipziger Wasserwerken (KWL) gibt es 33 Videokameras, davon fünf zur Überwachung öffentlich zugänglicher Bereiche. Die Zahlen, die Heiko Rosenthal nicht liefern konnte, betreffen also vor allem die Stadtwerke Leipzig, die Stadtreinigung, aber auch Gewandhaus, Oper, Schauspiel und den Zoo. Es wäre eine echte Überraschung, wenn es überall dort keine Kameras gäbe.

“In welchen zeitlichen Abständen wird überprüft, ob einmal aufgestellte Kameras noch notwendig sind?”, wollte Windisch außerdem wissen.

Rosenthals Antwort: “Sämtliche Videokameras werden mindestens einmal jährlich sowohl technisch, als auch bezüglich ihrer Notwendigkeit überprüft.”

Und eine mehr als berechtigte Frage: “Wie viele Kameras sind in den letzten zehn Jahren als nicht mehr notwendig identifiziert und abgebaut worden?”

Der Ordnungsbürgermeister dazu: “Eine Videokamera an der Südwestseite Neues Rathaus wurde im Jahr 1999 zur Abbildung des neu errichteten Goerdeler-Denkmals in der Hauswache des Neuen Rathauses eingerichtet, wurde jedoch bereits vor Jahren wieder abgebaut.”

Zu den LWB konnte er vermelden, dass hier bisher 44 Videokameras deinstalliert wurden. Die Wasserwerke haben bisher sieben Videokameras wieder entfernt.

Letzte Frage von Sven Windisch: “Wie viele Mitarbeiter der Stadt Leipzig bzw. ihrer Gesellschaften werden (in) öffentlich bzw. nicht öffentlich zugänglichen Bereichen während der Arbeit videoüberwacht?”

Heiko Rosenthal: “Mitarbeiter der Stadtverwaltung und der Beteiligungsunternehmen werden in öffentlich oder nicht öffentlich zugänglichen Bereichen während der Arbeit grundsätzlich nicht videoüberwacht. Das würde auch gegen § 32 Bundesdatenschutzgesetz verstoßen. Die Auswertung von Videoaufzeichnungen erfolgt ausschließlich anlass- und ereignisbezogen. Bei Straftatverdacht gegen Mitarbeiter oder Mitarbeiterinnen erfolgt die Auswertung unter Einbeziehung der Arbeitnehmervertretungen. – Zu zufälligen Aufzeichnungen können keine Angaben gemacht werden, da hier keine Auswertung erfolgt.”

In Summe geht man wohl nicht allzu fehl in der Annahme, dass allein die Stadt und ihre Eigen- und Tochterbetriebe mehr als 1.000 Kameras zur Videoüberwachung betreiben.

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