Im Juli 2012 legte er einen Paukenschlag hin: Klaus Richard Grün alias Finanzrevisor Pfiffig mit seinem Insider-Buch "Finanzrevisor Pfiffig aus der DDR". Darin erzählte er zwar von der intensiven Jagd nach Mark und Pfennig in der DDR, als Finanzprüfungen mit unabhängigen Prüfern die Norm waren. Aber er kennt nun auch das aus westdeutsche System aus eigener 25-jähriger Arbeit sehr genau. Und sieht es mit sehr kritischen Prüferblick. Die L-IZ stellte ihm mal ein paar notwendige Fragen zum Thema.

Als Finanzrevisor Pfiffig argumentieren Sie vehement für das penible Finanzkontrollwesen, wie es in der DDR üblich war, und gegen die augenscheinlich überflüssige Existenz der heutigen Rechnungshöfe. Glauben sie, dass penible Rechnungskontrollen bei Landesbehörden und Kommunen die Verschwendung von Steuergeldern in Sachsen tatsächlich eindämmen könnte?

Wenn ich für Argumente das Prüfungswesen der DDR heranziehe, dann ist damit die Staatliche Finanzrevision (SFR) gemeint, die das Kernstück der Finanzkontrolle der DDR war. Ich gehe davon aus, dass Sie mit “penibel” kleinlich, beamtenhaft bzw. übertrieben meinen. Da haben Sie falsche Vorstellungen. Das war schon deshalb nicht möglich, weil bei der SFR insgesamt nur etwa 2.000 Finanzrevisorinnen und Finanzrevisoren angestellt waren, die in festgelegten Abständen alle volkseigenen Betriebe, staatliche Einrichtungen, zentralen und örtlichen Staatsorgane sowie volkseigenen Geld- und Kreditinstitute zu prüfen hatten. Dabei wurde nicht nur Staub gewischt. Das war nur möglich weil dieses Prüfungswesen hochqualifiziert, perfekt organisiert und wirtschaftlich strukturiert war.

Ich habe weder in meinem Buch das Prüfungswesen der DDR mit dem der Bundesrepublik Deutschland (BRD) verglichen und werde das auch nicht in diesem Interview tun. Ein solcher Vergleich bringt nichts. Mein Vorteil besteht jedoch darin, dass ich einer der wenigen Finanzrevisoren (ich empfinde die Berufsbezeichnung “Rechnungsprüfer” in der BRD als beleidigend), der zwei Prüfungssysteme intensiv (jeweils 20 Jahre) kennengelernt hat, wie sie unterschiedlicher nicht sein können. Ich gehörte nie einer Partei an. Mit der Wiedervereinigung hatte ich beruflich große Hoffnungen verbunden, dass politische Einflüsse vom Prüfungswesen ferngehalten werden.

Ich wurde maßlos enttäuscht. Erst da wurde mir bewusst, was für ein fachlich hervorragendes Prüfungswesen die DDR aufgebaut hatte. Das ist eine fachliche Bewertung und keine politische Aussage. Belassen wir es damit beim Prüfungswesen der DDR.

Und was ist am gegenwärtigen System der Rechnungshöfe so schlecht?

Landesrechnungshöfe (LRH) sind Relikte aus der alten BRD, welche den neuen Bundesländern, trotz Warnungen, aufgezwungen wurden. Sie sind unwirksame und kostspielige Alleinunterhalter, in deren Chefsesseln politische Marionetten sitzen! Alle Präsidenten, Vizepräsidenten sowie ein großer Teil des Leitungspersonals gehören Parteien an. Wie vereinbart sich das mit Unabhängigkeit? Tatsächlich gibt es kein unabhängiges Prüfungswesen. Jedes Prüfungswesen ist der Diener irgend eines Herrn! Bei den Abteilungsleitern der LRH handelt es sich überwiegend um Juristen bzw. ehemalige Richter, also nicht, wie erforderlich, um hochqualifizierte Finanzrevisoren. Armes Deutschland!

Mit einer ausgezeichneten Finanzpolitik, die laut Eigeneinschätzung der Landesministerien überall erfolgt, ist unstrittig eine ordnungsgemäße Kontrolle der Steuergelder verbunden. Die bestehenden Strukturen (LRH, Rechnungsprüfungsämter) sind dazu untauglich. Grundlage dieser Strukturen war die Deutsche Gemeindeordnung von 1935, die dazu diente, das Führerprinzip umzusetzen. An diesen bürgerfeindlichen und skandalösen Strukturen haben alle Bundesländer festgehalten!
Und wer kontrolliert dann wirklich, wie unsere Steuergelder ausgegeben werden?

Die größte Last bei der Kontrolle der Steuergelder liegt auf den Schultern der Rechnungsprüfungsämter (RPA). In Sachsen bestehen in den Landkreisen sowie den Städten über 20.000 Einwohnern insgesamt 31 Rechnungsprüfungsämter, die – harmlos ausgedrückt – ein jämmerliches Dasein führen, weil das politisch so gewollt ist. Wie in der Mehrzahl der Bundesländer sind die RPA in Sachsen den Bürgermeistern bzw. Landräten unterstellt. Sie sind Bestandteil der Verwaltung. Diese Unterstellung ist die Wurzel allen Übels! Sie ist der Teufel!

Das führt nicht selten (in der gesamten BRD) dazu, dass “pflegeleichte” Amtsleiter eingestellt und “unliebsame” Prüfer in andere Ämter versetzt werden, dass die Amtsleiter massiv von der Behördenleitung beeinflusst und Informationen den RPA vorenthalten werden und der Personalbestand kaum die Realisierung der Pflichtaufgaben gewährleistet. Auch die Untersagung von Prüfungen ist keine Seltenheit. Ein Beweis ist unmöglich, weil das unter vier Augen erfolgt und der Dienstherr bzw. dessen Bevollmächtigter sich hüten wird, diesen Vorgang schriftlich zu dokumentieren.

Und in welcher Dimension kann da überhaupt Verschwendung eingedämmt werden?

Zahlen möchte ich nicht in den Ring werfen, aber zur Bedeutung folgende Darlegungen: Das kommunale Prüfungswesen in den neuen Bundesländern ist eine Mischung aus über zwei Jahrzehnte gepflegter Reformunwilligkeit, Machtmissbrauch, Kleinstaaterei, Unwissenheit, Unbelehrbarkeit und Geldverschwendung. Die Struktur ist nicht im Interesse des Gemeinwohls und zudem unwirtschaftlich. In den alten Bundesländern ist die Situation nicht anders. Die bestens gepflegte Reformunwilligkeit dauert dort jedoch bereits über sechs Jahrzehnte an.

Eine längst überfällige Reform würde erheblich dazu beitragen, den wirtschaftlichen und sparsamen Umgang mit Steuergeld zu verbessern. Dazu muss die kommunale Finanzkontrolle endlich das Stadium des (politisch gewollten!) hilflosen Betrachters verlassen und mit Sanktionsrechten ausgestattet werden. Das widerspricht weder dem Föderalismus noch der kommunalen Selbstverwaltung.

Damit könnte auch die von Politikern, die wieder einmal im Rampenlicht erscheinen wollen, aber besonders die vom Bund der Steuerzahler (BdST) strapazierte Änderung des Strafgesetzbuches zur Aufnahme des Straftatbestandes “Steuergeldverschwendung” endlich beendet werden. Ähnliche “Wortmeldungen” der kommunalen Spitzenverbände (Städte- und Landkreistage auf Landes- und Bundesebene) sowie der Gewerkschaft der Steuerzahler sind nur Schaumschlägerei. Alle scheinen nicht zu erkennen (eher nicht erkennen zu wollen), dass die einfachste und wirksamste Maßnahme zur Eindämmung von Steuergeldverschwendung eine Reform der kommunalen Finanzkontrolle ist.

Und warum steht das nicht auf der politischen Agenda?

Im Rahmen meiner Recherchen führte ich auch Gespräche mit Vertretern des BdST, der kommunalen Spitzenverbände sowie der Gewerkschaft der Steuerzahler. Schon bald kam ich zur Erkenntnis, dass eine öffentliche Diskussion über das kommunale Prüfungswesen zu heikel bzw. nicht gewollt ist. Was die Einstellung der Städte- und Gemeindetage zur ordnungsgemäßen Kontrolle der Steuergelder betrifft, sind diese keine Vertreter der Bürgerinnen und Bürger, sondern der Bürgermeister und Landräte! Diese Sätze möchte jedoch keiner der Damen und Herren aussprechen, geschweige denn lesen oder hören.

Den nächsten Schwung Fragen gibt es morgen an dieser Stelle.

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