Sie kennen lediglich den Papagei, der nur immer "güns" macht, aber wissen nicht, wer Dr. Güntz war? Sie haben von Bimssteinen Ahnung, aber noch nie etwas von Summsteinen gehört? Dann sind sie hier richtig ... Seit wann ist es wohl so, dass man von Lützschena nach Stötteritz laufen kann, ohne eine Strecke auf einer Landstraße zwischen zwei Dörfern in Kauf nehmen zu müssen? 100 Jahre? 50 Jahre?
Stötteritz, das ich erreiche, nachdem ich unter der Bahnbrücke an der Hofer Straße hindurch gegangen bin, wurde erst 1910 eingemeindet. Das ist vergleichsweise spät. Thonberg, Gohlis, Volkmarsdorf und fünf andere Gemeinden sind beispielsweise schon 1890 Teile Leipzigs geworden, als in Stötteritz, oder “Strietz” wie manche sagen, gerade der jahrzehntelang betriebene Tabakanbau, daher die Straße “An der Tabaksmühle”, zurückging.Mit Sicherheit hat der Bahnhof, an dem ich nun vorbeikomme und der in einem ähnlich miserablen Zustand ist wie das Bahnhofsgebäude in Möckern, schon bessere Zeiten erlebt. Die Anbindung an das Eisenbahnnetz hatte seinen Teil zum Entwicklungsschub des einstigen Vororts beigetragen, damals war das Bahnhofsgebäude Anlaufpunkt für Fahrgäste. Heute rollen hier zwar immer noch Züge, das Gebäude ist allerdings geschlossen, die Fenster mit Spanplatten verbarrikadiert. Leipzig braucht offenbar eine gute Idee, was mit diesen Relikten aus der guten alten Eisenbahnzeit gemacht werden könnte. Da es in einigen Stadtteilen so ein Gebäude gibt, wäre es doch eine Möglichkeit, darin ein Stadtteilzentrum zu eröffnen.
Wie ich selbst feststelle, hat jeder Stadtteil sein ganz besonderes Flair, seine Kneipen, seine Sehenswürdigkeiten, seine Veranstaltungen, seine Bürgerinitiativen und Vereine. Ein alter Bahnhof böte ausreichend Räumlichkeiten, um diese in den Mittelpunkt zu rücken, quasi als eine kleine Touristeninformation, in der auch der Stadtbezirksbeirat ein kleines Büro für eine Bürgersprechstunde haben könnte. Natürlich kostet so eine Sanierung auch Geld – aber jeder Stadtteil hat auch seine Firmen und möglicherweise auch Gönner …An der Bahnstrecke in Stötteritz – Thonberg werden zur Zeit “Netzergänzende Maßnahmen” für das Großprojekt Citytunnel durchgeführt. 13:30 Uhr lehnen allerdings einige Bauarbeiter mit ihren Bemmen in der Hand an ihrem Transporter und diskutieren. Worüber, kann ich nicht hören. Wenig später verlasse ich die Papiermühlstraße, wie die Stötteritzer Straße seit der Brücke heißt, und biege nach rechts auf die Güntzstraße ein.
Der nun unmittelbar östlich von mir liegende Teil von Stötteritz war der erste, der 1888 erschlossen wurde. Danach folgten die Wohngebiete rund um Naunhofer Straße und Co. Im Prinzip könnte ich auch direkt auf der Güntzstraße laufen, denn sie ist enterbt, wie man so schön sagt. Das heißt, sie ist von der Schönbachstraße durch einen Fußweg abgetrennt. Der Autoverkehr hält sich folglich in Grenzen. Nach wenigen Metern will ich in den Dr.Güntz-Park einbiegen, den ich auf einer Leipziger Straßenkarte gesehen habe. Den Herrn Doktor kannte ich bisher noch nicht, lerne aber im Internet, dass benannter Park früher zu einer Irren-Heil- und Pflegeanstalt gehörte, die Güntz höchstselbst 1839 in Thonberg gründete. Das verwundert mich wiederum, denn eigentlich dachte ich, dass die Güntzstraße bereits zu Stötteritz gehört. Von der Anstalt ist mittlerweile nichts mehr zu sehen, aber ein Turm, der zu Ehren des Doktors und seiner Frau, die in der Klinik mithalf, gebaut wurde, steht noch. Ein Relief zeigt das Ehepaar. Der runde, steinerne Turm kommt auch wie die Schule am Opferweg nicht ohne Anmerkungen aus Kreide aus. Passenderweise hat jemand Rapunzel dran geschrieben. Aber dieser Turm ist dann doch etwas zu niedrig.Ich durchlaufe den kleinen Park mit dem steinernen Turm und komme an der Schönbachstraße raus. Hier beginnt so langsam das noblere Stötteritz, was mich ein wenig an meinen Weg durch Gohlis-Süd erinnert. Nur der Autoverkehr und die kaputten Straßen halten dem Vergleich nicht stand. Ansonsten gibt es an den Altbauten, die sich hinter den Bäumen in den alleeartig angelegten Straßen befinden, wenig auszusetzen.
So langsam werden die Beine schwer. Ich habe fast zwei Drittel meiner Strecke, also rund 20 Kilometer in fast sechs Stunden zurückgelegt. Nirgendwo habe ich mich einmal niedergelassen, gegessen habe ich seit Möckern nichts mehr, mein Wasser geht auch bald zur Neige. Doch auf diesem Abschnitt der Naunhofer Straße dominieren eben nur Altbauten. In einem Park an der Ecke zur Gletschersteinstraße stehen zumindest ausreichend Bänke. Aber was will ich rasten ohne Proviant? Also schnell weiter … oder doch nicht?
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Was ist das eigentlich? Ein okkulter Ort? Die Bänke sind rund um einen Stein angeordnet, dessen Form ich nicht zuordnen kann. Ein aufrechter Quader mit einem steinernen Quadrat oben drauf. Dieses ist mittig ausgehöhlt. Ist das Kunst oder kann das weg? Soll das der moderne Mensch sein: Kompakte Figur dank Nahrungsüberfluss, aber hohle Birne? Oder haben die Illuminaten etwas damit zu tun? Der Wahn erlebt seine Blütezeit in meinem Kopf – zumal unterernährt und halb am Verdursten.
Über eine Anfrage bei der Stadt erfahre ich die schonungslose Wahrheit. Es ist schlicht ein Summstein und die kleine Höhle ist das Summloch. Der Stein dient der Wahrnehmung der Sinne über spielerische Erfahrung. Wer seinen Kopf in dieses Summloch steckt und tief summend ausatmet, kann Töne hören, die in Resonanz geraten und dadurch Vibrationen erzeugen, die den ganzen Körper erfassen. Das Summen in verschiedenen Tonlagen löst ein stärkeres oder schwächeres Kribbeln im Körper aus. Vielen Dank an der Stelle an die Pressestelle der Stadt für die unkomplizierte Erklärung. Also alles quasi positiver Hokuspokus.
Negativen Hokuspokus erlebe ich, als ich endlich etwas zu essen finde …
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