Das gute alte Sterni ist etwas für den schmaleren Geldbeutel. Die alte Sternburg Brauerei braucht dagegen jemanden mit dicker Brieftasche. Sie gammelt unaufhaltsam vor sich hin. Doch Lützschena hat auch beneidenswerte Kleinode zu bieten ...
Was ist das bloß für ein zugewachsener Komplex, wo in keinem der wuchtigen Häuser noch eine Glasscheibe unbeschädigt im Rahmen hängt und Schrott umhersteht? Zwei Flachbauten, die wie zwei Kassenhäuschen aussehen, bilden eine Gasse. Das verrostete Tor ist verschlossen und auch der Seiteneingang im Radefelder Weg ist nicht nur verschlossen, sondern auch unpassierbar. Der Weg ist zugewuchert, ein mannshohes Gebüsch zeigt deutlich, dass sich hier lange keiner mehr betätigt hat. Ein Briefkasten ist am Seitentor befestigt. Dort steht: Wohnpark der Generationen, Alte Sternburg Brauerei KG.
Von einem Wohnpark ist dieses Areal noch weit entfernt. Höchstens für Generationen von Ungeziefer, Ratten und Bäumen taugt es in diesem Zustand. Ortschaftsrätin Margitta Ziegler, die ich später per E-Mail anfrage, ist selbst frustriert. “Ich hatte vor ca. drei Wochen ein Telefonat mit dem persönlich haftenden Kommanditisten der GmbH und Co KG und er erzählte, dass er die richtigen Investoren habe und es demnächst mit der Verwirklichung der Pläne losginge. Der Geschäftsführer hat auch gegenüber dem Stadtplanungsamt immer bekundet, dass er den vorliegenden Bebauungsplan umsetzen wird. Glauben tut daran niemand, da es schon seit 10 Jahren “gleich losgehen soll.” Die Stadt Leipzig bestätigt diesen Stand. “Der private Eigentümer erklärte gegenüber dem Stadtplanungsamt die vorhandenen denkmalgeschützten Gebäude zu erhalten und weitere Investitionen […] realisieren zu wollen. Allerdings nicht mehr für besagtes Gemeindezentrum, sondern unter anderem für sogenanntes “Mehr-Generationen-Wohnen”.
Das Projekt wurde von der Verwaltung befürwortet, kam aber nicht zur Realisierung. Ein offizieller Antrag über die Errichtung eines “Wohnpark der Generationen” liegt der Verwaltung nicht vor, auch ist über das geplante weitere Vorgehen des Eigentümers nichts bekannt.” Sieht schwer nach Hängepartie und Zukunftslosigkeit aus.
Seit 1991 wird hier kein Bier mehr gebraut oder abgefüllt. 1995 wurden Teile des Geländes “plani gemacht”, 2008 brannte das Verwaltungsgebäude. 2004 traute sich besagte Gesellschaft an das Gelände. Aber von Investitionen ist hier nichts mehr zu sehen. Selbst die Internetseite rottenplaces.de war schon hier und hat das Objekt in seine Liste von 238 verfallenen Gebäuden aufgenommen. Fotos inklusive.
Das schlimme Antlitz der einst so stolzen Brauerei beeinflusst wenigstens nicht die in unmittelbarer Nähe stehende Einfamilienhaus-Siedlung am Paulinengrund. Gepflegte, schmale Häuser, wie man sie in Leipzig wohl kein zweites Mal sieht, der hübsche Vorgarten wird von bei den Bewohnern jeweils verschiedentlich genutzt. So steht der Grill teilweise quasi direkt am Straßenrand. Zwischen Brauerei und Siedlung steht ein Denkmal für die Opfer von Gewaltherrschaft. Aber selbst ich, der stets weit davon entfernt war, in Biologie in die wichtigen Zensurregionen vorzustoßen, erkenne, dass der Hain durchaus ein wenig mehr Pflege bedürfte.
So langsam kommt jetzt auch Leben nach Lützschena. Ich treffe Menschen, nachdem mir bisher nur eine handvoll begegnet war. “Grill und Snack”, ein Imbiss in der Seitenstraße, die mich zur Auwald-Station führt, hat schon geöffnet. Aber eine Kelle Kesselgulasch so früh am Morgen? Die Müllabfuhr ist auch schon “on tour”. Ich versuche vergeblich zu erkennen, ob nun Harry, Maik oder Uwe am Lenkrad sitzen. Ein Schild ist nicht auszumachen.
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Unterhalb der Halleschen Straße finde ich endlich die dörfliche Seite Lützschenas. Eine Straße mit großen Pflastersteinen führt mich Richtung Auwald-Station und Schloss. Ich freue mich auf die anstehenden Romanzen und entdecke die erste schon kurz hinter dem Gemeindehaus der evangelischen Kirchgemeinde Lützschena-Stahmeln. “I love U – Ich kann nicht ohne dich”, hat jemand an die Mauer zum Kirchgarten gesprayt. Wen er oder sie wohl meint? Ist der Ort mit Bedacht gewählt? Aber heißt es nicht eigentlich Jesus liebt DICH?
Fast direkt daneben können Interessenten das Kirchenblatt aus einem kleinen Plexiglas-Kasten nehmen. Ein schöner Service, der aber sicherlich durch die Abgeschiedenheit des Gemeindehauses möglich ist. Doch der Eindruck täuscht nicht: Die Gemeinde bietet etwas. In einem Fenster der Schlosskirche ist ein QR-Code zu finden, mithilfe dessen man mehr über die Kirche erfahren kann, die ein echtes Kleinod ist. Noch nie hat mir jemand von ihr erzählt.
Doch die Kirche ist nur der Vorposten eines romantischen Weges durch Lützschena, was ich bisher immer nur mit Bismarckturm und Hallescher Straße verbunden habe. Ich Idiot!
Mehr im Internet:
www.rottenplaces.de
www.luetzschena-stahmeln.de
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