Gibt es weltweite Gerechtigkeit? Nein! Kann es weltweite Gerechtigkeit, etwa im Welthandel geben? Ja, sagt Christine Müller. Sie arbeitet im Rahmen des kirchlichen Entwicklungsdiensts der evangelischen Landeskirche zur weltweiten Gerechtigkeit und zur christlichen Weltverantwortung. Sie steckt drin in der Materie, reist unter anderem seit 18 Jahren regelmäßig nach Kuba und sieht die Ungerechtigkeit, die schon bei uns ihren Anfang - oder ihr Ende - nehmen...
In mein Büro kommen täglich Nachrichten, Informationen und Berichte über die Lebenssituation von Menschen in den Ländern des Südens. Für einen einzelnen Menschen ist das kaum zu ertragen: Kinder schuften in den Minen in Kolumbien, Blumen werden per Flugzeug um die halbe Welt transportiert und bei deren Zucht werden die GärtnerInnen durch Gift krank, Frauen werden in den Textilfabriken in Asien oder Mittelamerika wie Sklavinnen behandelt, Kaffeebauern können vom Erlös des Anbaus aufgrund der niedrigen Weltmarktpreise nicht mehr leben. Kleinbauern im Süden verlieren ihre Existenzsicherung, weil der Markt plötzlich von subventionierten Billigprodukten aus dem Norden überschwemmt wird. Umwelt und Sozialstandards finden in der Produktion keine Beachtung.
Gerechtigkeit im Welthandel ist in weiter Ferne. Noch immer bestimmen die Interessen der mächtigen und reichen Staaten die Welthandelspolitik und lassen vor allem den wirtschaftlich Schwachen wenig Spielraum. Politische und militärische Macht werden als Instrumente benutzt, um ungefährdeten Zugang zu Ressourcen und zum Schutz von Investitionen und Handel sicherzustellen. Die neoliberale Wirtschaftslehre hat die Kräfte der ökonomischen Globalisierung entbunden. Diese Form der Liberalisierung hat schnell zu tiefgreifenden politischen, sozialen, kulturellen und sogar religiösen Rückwirkungen geführt. Sie bedrohen das Leben von Menschen in aller Welt durch wachsende Ungleichheit, Verarmung, Ungerechtigkeit und Umweltzerstörung, mittlerweile nicht nur in den Ländern des Südens sondern auch hier bei uns.
Ich träume davon, dass wir es schaffen, mehr Menschen für diese Fragen zu sensibilisieren und sie zu motivieren, selbst dagegen aktiv zu werden. In der Öffentlichkeit sollte mehr über Initiativen berichtet werden, die Alternativen zur bestehenden Konsumgesellschaft entwickeln und diese bereits schon leben, wie wir es beim Thementag anders wachsen am 21.November in der Thomaskirche getan haben.
Ich wünsche mir, dass gerade zu Weihnachten die Menschen danach fragen, woher ein Produkt kommt und unter welchen miserablen Arbeitsbedingungen es hergestellt wurde. Gedankenlosigkeit kann dem teuren Gegenstand bittere Wirkungen verleihen. Und wir müssen uns fragen, ob wir bei einem Freudenfest so sündhaft schlechte Qualität verschenken und dann noch “Heilige Nacht” singen können?
Bei einigen Produkten kann ich Alternativen wählen, z. B. in Eine-Welt-und Bioläden. Dagegen schmücken sich die meisten Handelsketten mit “biofair”, um Ihren Ruf zu schönen, richten ihr Kerngeschäft aber weiter auf schnellen Profit aus. Vor der Wahl des Händlers und des Produktes sollten wir uns natürlich fragen, was wir wirklich brauchen. Wir glauben gar nicht, was wir alles nicht brauchen!
Für mich als Aktivistin ist klar, dass jeder einzelne bei sich selbst anfangen muss, dies aber anscheinend nicht genügt, um die Verhältnisse radikal zu verändern. Die Kirchen des Südens und Basisbewegungen weltweit fragen deshalb, ob es nicht an der Zeit wäre, “dem Rad in die Speichen zu fallen” so wie es der Theologe Dietrich Bonhoeffer im 2.Weltkrieg schon einmal gefordert hat.
Ein System, das heute jährlich über 40 Millionen Menschen an Hunger und vermeidbaren Krankheiten sterben lässt, fordert zu einer klaren Stellungnahme gegen dasselbe heraus. Ich träume davon, dass die Menschen keine Angst haben vor Veränderungen und mutig Widerstand leisten, damit das Licht über die Dunkelheit siegt.
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