Wenn Sie dieser Tage einen fülligeren Herren mit einer lila Mütze durch die Stadt laufen sehen, kann es sein, es ist Leo Leu, der in der Eile nichts Anderes gefunden hat, um seinen Kopf vor sibirischer Kälte zu schützen. Es kann auch sein, dass es ein Mitarbeiter einer berühmten Schokoladenfabrik ist, die ich hier tatsächlich nenne. Gleich. Wenn ich ausgepackt habe.

Denn von den anderen hat sich keiner getraut, das Paket aufzumachen, dass uns unser forscher Postbote jüngst ins Büro brachte. Da war ich nicht da. Sonst hätte ich gleich in aller Neugier den Inhalt erkundet. Ich hoffe ja immer, dass Päckchen und Pakete mal was Interessantes enthalten. Den Stein der Weisen zum Beispiel. Oder das heimliche Tagebuch Augusts des Starken. Oder das der Cosel. Ich kenn auch gern die andere Seite der Geheimnisse.

Die anderen an ihren Computern sind schon angesteckt von der grassierenden Furcht vor Paketen. Sie schlürfen zu oft Nachrichten von Briefbombern und weißem Pulver, das arme Postverteiler ums Leben bringt, weil sie zu neugierig waren. Ein lila Paket wird mit besonderer Skepsis betrachtet. Und man bestellte meine Wenigkeit zum Vollzug. “Mach nur, ist bestimmt für dich.”

Spott ist billig im Land. Und seit ich versuche, mein Wandergewicht aus frohlockenden Sommertagen zu halten, bekommen sich die jungen Herren nicht ein im Witzchenmachen. Aber an die lila Kiste trauten sie sich nicht. Hätte ja sein können.

Obwohl, auch für den Nachwuchs gut lesbar, drauf stand: Milka. Bekannte Schokoladenfirma. Ist das wichtig?

“Jungs, das ist eine Bestechung für euch.”

“Mach nur auf.”

Sie gingen hinter ihren Schreibtischen in Deckung. Und illerten. Ich machte die Kiste auf. Und sagte: “Peng!” Da zogen sie die Köpfe ein.

Was mich angrinste, war die Mütze, lila, mit zwei Hörnern dran. Manchmal gibt es sowas auf dem Leipziger Weihnachtsmarkt. In Rot. Und mit Warnleuchten. Diese hier hatte keine Warnleuchten. Aber Milka stand drauf. Wer die Mütze aufsetzt, wird erkannt: Hallo, Milka!

“Kannste behalten”, sagten die jungen Burschen, die sich hinter ihren Tischen hervortrauten. Es hatte nicht geknallt. Es knisterte nur. Unter der Mütze kam hervor, was man so erwartet, wenn eine große Schokoladenfabrik in der Vorweihnachtszeit ein Päckchen an die L-IZ schickt: Schokolade. Hübsch verpackt. Zwei Mal in Folie gewickelt – als Alpenmilchweihnachtsmann und als Schneemann.”Äh”, sagten die jungen Burschen hinter meinem Rücken.

“Nee”, sagte ich. “Wer aufmacht, darf behalten.” Schokokugeln, Schokobonbons – alles hübsch verpackt.

“Äh, Leo”, versuchten es die jungen Burschen noch einmal.

“Nix da.” Manchmal muss man streng sein. Und lesen. Denn erklären muss ja auch Milka, warum sie uns nun bestechen mit Schokolade. Geld kann man immer ablehnen. Aber Schokolade ist schwer. Also: Warum? – Ein netter Brief lag dabei. Lavinia hatte unterschrieben. “Lassen Sie sich verführen”, schrieb Lavinia.

“Wer ist Lavinia?”

“Verrat ich nicht. Ihr hattet eure Chance.” Und siehe da: Die “zarten Neuheiten” hatten ihren Zweck. Ich soll sie vernaschen, schrieb Lavinia. Die zarten Neuheiten, wohlgemerkt. Und? – So nebenbei erwähnte sie, dass Milka nach Leipzig kommt. Pünktlich zum 1. Advent, der in diesem Jahr auf den 27. November fällt. Das ist also gleich. Vom 25. bis zum 27. macht die große Schokofabrik auf dem Augustusplatz Station. Also in der Nähe der Finnen, die da ihren leckeren Glögi ausschenken. Hätte ich fast vergessen. Klar, ist ja wieder Weihnachtsmarkt. “Die Besucher dürfen sich auf gemütliche Hütten, spannende Spielstationen, den Milka Weihnachtsmann und vieles mehr freuen”, schreibt mir Juliane per E-Mail.

Man hat bei Milka also mehrere junge Damen angeheuert, um die sächsischen Reporter auf die Ankunft der lila Hütten einzustimmen.

Ist nun die Frage: Hingehen oder alleine naschen? Oder alleine naschen und danach hingehen?Ich kann auch was backen. Denn dem backerfahrenen Paketempfänger hat Milka auch ein Heft mit Rezepten beigelegt – Marzipan-Apfel zum Beispiel, Knusprige Körbchen, Überraschungsplätzchen. Alles mit Schokolade von Milka drin. Wenn noch welche da ist. Und einer Erinnerung für alle, die das noch nicht wissen: Wer Tante Gustel in Arizona mit einem Weihnachtspäckchen erfreuen will, muss es jetzt packen und abschicken. Sonst kommt’s nicht pünktlich an. Und selbstgehäkelte Socken für Onkel McDuff in Schottland müssen übernächste Woche losgeschickt werden.

“Äh”, sagen die jungen Spunde, die sich nun, wo nichts explodiert ist, auch nicht mehr verstecken. Aber wer sich nicht traut, bekommt auch nichts zu Naschen. Ich gebe ihnen die freundliche Einladung von Juliane: “Über Ihren Besuch oder eine Vorankündigung der Veranstaltung in Ihrem Magazin würden wir uns sehr freuen.”

Die ist nun hiermit geschehen. Jetzt müssen sich die Jungs nur selber trauen und Juliane mal besuchen. Nächstes Wochenende. Ich hab zu tun. Ich muss backen. Und ich hab 17 Einladungen zu einem Glühwein auf dem Weihnachtsmarkt. Am Dienstag, 22. November, wenn’s losgeht, gleich fünf. Zum Anprosten. Wenn’s knackekalt werden sollte oder sogar leise rieselt, setz ich mir eine Mütze auf. Die muss ich nur erst suchen. Die liegt irgendwo in der Truhe unter den Hawaii- und Safari-Hemden und den Borsdorfer Äpfeln. Die mussten ja auch irgendwo hin. Und mehr als drei schaff ich nicht hintereinander.

Kann also sein, falls es rieselt, hab ich eine lila Mütze auf und geh mit meiner Bäckerin am 1. Advent einen Glögi trinken. Und dann schwanken wir kurz bei Juliane vorbei und gucken, ob noch Schokolade da ist. Und dann ist noch nicht ganz Weihnachten. Aber fast.

Hohoho.

Der Spickzettel für die “Milka Weihnachtswelt”: Augustusplatz Leipzig, Freitag, 25.11. bis Sonntag, 27.11.2011, von 10 bis 21 Uhr.

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar