Eine Welt, in der alle Generationen konfliktfrei miteinander leben, schufen sich 30 Menschen aus dem Leipziger Westen in den letzten Wochen durch gemeinsamen Tanz. L-IZ.de sprach mit der Tanzpädagogin Katja Barufke über "Früher war es anders, heute ist es so". Das Projekt von !mehrTanz wird am 15. Oktober 2011 im Neuen Schauspiel Leipzig aufgeführt.
Frau Barufke, wie entstand die Idee zum Projekt?
Die Idee, ein Mehrgenerationenprojekt zu initiieren, entstand im direkten Gespräch mit einer Leipziger Seniorin. Sie sagte mir, wie schade sie es findet, dass es, abgesehen von Seniorentanz, kaum Möglichkeiten gibt, sich als älterer Mensch zu bewegen und sich auszuprobieren. Es gäbe wohl einige Senioren, die Lust haben neue Dinge zu versuchen – und das vor allem gemeinsam mit jungen Menschen.
Ich selbst war und bin von der Idee, Kinder und Jugendliche mit Älteren zusammenzubringen, absolut überzeugt. Mir ist bewusst, dass momentan in Deutschland auch zu einem Trend geworden ist, generationenübergreifende Projekte ins Leben zu rufen. Allerdings liegt unsere Motivation hier tatsächlich darin, die Menschen zusammenzuführen und sie voneinander lernen zu lassen. Und sieht man bei den gemeinsamen Proben zu, sind bereits nach kurzer Zeit Veränderungen im Umgang miteinander erkennbar.
Worum dreht sich die Geschichte?
Die Geschichte beschreibt eine Welt, in der alle Generationen konfliktfrei miteinander leben. Jede Altersstufe hat ihre Rolle, Pflichten und Privilegien, und das Erwachsenwerden und Altern bringt wiederum neue Aufgaben und Rechte mit sich. Nichts wird in Frage gestellt, alles funktioniert. Doch diese Welt wird bedroht, was alles durcheinander bringt … Mehr möchte ich zur Geschichte noch nicht verraten.
Was waren die besonderen Erfahrungen bei der Arbeit mit den Tänzerinnen und Tänzern?
Die Erfahrungen sind ganz vielfältig, da jede Altersgruppe so verschieden in der Arbeit ist. Grundsätzlich ist es natürlich immer wieder etwas Besonderes, mit Menschen zusammenzuarbeiten, die vorher noch nicht mit Tanz in Berührung gekommen sind, beziehungsweise nicht in dieser Art und Weise.
Die Unterschiede zwischen den einzelnen Tänzern sind sehr groß, was abhängig ist von den verschiedenen Erfahrungen, die sie bereits in allen möglichen Bereichen des Lebens gemacht haben. Das macht das Ganze sehr spannend, da sie ihre Persönlichkeiten und Geschichten noch mehr in den Tanzsaal mit hineinbringen als ausgebildete Tänzer, die, natürlich aufgrund ihrer Erfahrung, mit einer bestimmten Grundhaltung den Saal betreten.
Aber noch mehr sind es die Entwicklungen der Tänzer, die einfach beeindruckend sind. Bereits nach wenigen Wochen sind gerade bei den Kindern und Jugendlichen Veränderungen unter anderem in Koordination, Ausdauer und Konzentration erkennbar. Das bestärkt mich persönlich wieder darin, dafür einzutreten, den Tanz allen Menschen zugänglich zu machen und für junge Menschen in Kindertagesstätten und Schulen fest zu verankern. Denn diese Entwicklungen haben nicht nur Einfluss auf den Tanz an sich, sondern tragen sich weiter in unterschiedliche Lebensbereiche.
Außerdem ist das Projekt für alle freiwillig. Die Proben in den letzten sieben Wochen waren sehr anstrengend und intensiv. Dass so viele dabei geblieben sind, bei Sonne und Regen zu den Proben kamen, ihre Freizeit unter der Woche und am Wochenende dafür gegeben haben und schon nach dem nächsten Projekt fragen, freut die Choreografen, die Musiker und mich sehr. Wir sehen nun der Vorstellung und damit auch dem Ende des Projektes mit einem lachenden und einem weinenden Auge entgegen.Wie erleben Sie das Miteinander der Generationen bei der Arbeit am Projekt, während der Proben?
Anfänglich waren die verschiedenen Generationen im Umgang miteinander noch etwas zögerlich, aber mit den gemeinsamen Proben gab es mehr und mehr Vermischungen. Was toll zu sehen ist, ist die gegenseitige Unterstützung. Es wird für einander applaudiert und die Tänzer helfen sich in den Proben. Die Kinder und Jugendlichen werden in ihren Bewegungen mutiger, wenn sie sehen, wie motiviert die Erwachsenen und Senioren im Probenprozess sind.
In den ersten Wochen wurde zunächst noch getrennt gearbeitet, das heißt die Kinder und Jugendlichen haben gemeinsam geprobt, und die Erwachsenen und Senioren haben gemeinsam geprobt.
Die Kinder und Jugendlichen mussten sich schon zunächst aneinander gewöhnen, denn in diesem Alter machen bereits ein bis zwei Jahre Unterschied noch viel aus. Und gerade mit 14 Jahren, wo man sich an der Schwelle zwischen Kindsein und Erwachsenwerden befindet, stellt man alle Aufgaben, die gestellt werden, in Frage.
Ist die Gewöhnungsphase inzwischen vorbei?
Es haben sich schnell Veränderungen gezeigt. Im Probenprozess begann das zunächst mit dem gegenseitigen Helfen. So fanden die ersten Kontaktaufnahmen statt, aus denen sich bald Freundschaften entwickelt haben.
Mit den Gesamtproben wächst langsam die gesamte Gruppe zusammen, und ich denke vor allem zur Vorstellung wird noch einmal eine große Entwicklung stattfinden. Solche Erfahrungen bringen Menschen einfach zusammen. Man ist gemeinsam aufgeregt, steht gemeinsam auf der Bühne und beendet das Projekt nach mehreren Wochen Arbeit gemeinsam.
Ist das Projekt auf Mädchen und Jungen, auf Frauen und Männer angelegt?
Das Projekt ist auf jeden angelegt, der Lust hat mitzumachen. Wie in den meisten künstlerischen Bereichen, besteht auch beim Tanz leider ein Jungen- beziehungsweise Männermangel. Als wir die Tänzer suchten, haben wir versucht, dem entgegenzusteuern und haben nun am Aufführungstag drei männliche Tänzer mit dabei.Generell ist es nicht einfach, Jungen und Männer zum Tanzen zu bringen, außer in der Hip-Hop-Szene. Der zeitgenössische Tanz kann verschiedenste Bewegungsqualitäten verbinden. Der Ansatz der Choreografen ist es, mit den verschiedenen (Körper-)Biografien der Tänzer zu arbeiten. Das heißt, jeder kann sich selbst und seine eigene Bewegungssprache in den Prozess einbringen. Über Tanz, Musik und Sprache werden Themen und Ansichten umgesetzt und zum Ausdruck gebracht, um anschließend mit dem Publikum in Austausch zu treten.
Viele haben bei dem Wort Tanz entweder Ballett oder Hip Hop im Kopf, und wenn es nicht Hip Hop ist, kann es nur das andere sein. Unsere Initiative !mehrTanz hat es sich zur Aufgabe gemacht, den zeitgenössischen Tanz in Leipzig und auch außerhalb fest zu verankern und vor allem auch über soziokulturelle Projekte, den Menschen eine andere Form von Tanz nahe zu bringen.
Auf was dürfen sich die Zuschauer am 15.10. freuen?
Sie können sich auf Tänzer freuen, die sieben Wochen lang mit zwei Choreografen und zwei Musikern an der Thematik Generationenkonflikt gearbeitet haben. Sie sehen das Ergebnis eines Prozesses, der spannend und lustig, aber auch sehr anstrengend war. Der viel von ihnen gefordert hat und sie immer wieder an Grenzen gebracht hat. Nun werden sie das erste Mal auf der Bühne stehen und das Ergebnis mit dem Publikum teilen. Alle Tänzer sind schon sehr gespannt und freuen sich auf den Tag.
Terminhinweis: Sonnabend, 15. Oktober, 11.00 Uhr. Früher war es anders. Heute ist es so … Ein Mehrgenerationenprojekt von !mehrTanz Neues Schauspiel Leipzig (Lützner Straße 29). Eintritt frei.
Das Projekt wird mit EFRE-Mitteln der Europäischen Union gefördert.
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