Das Wetter war zwar gräulich und abscheulich - kühl und feucht. Aber die Bilder, die vom Lichtfest 2011 bleiben werden, werden eindrucksvolle Bilder sein. 25.000 Leipziger und Gäste der Stadt kamen Sonntag, 9. Oktober, auf den Augustusplatz, um ab 20 Uhr zu sehen, wie diesmal auf künstlerische Weise mit den Themen Freiheit, Solidarität und bürgerschaftliches Engagement umgegangen wurde.
Die Großprojektion auf die Fassade der Oper Leipzig verband aktuelles und historisches Foto- und Filmmaterial aus Danzig und Leipzig mit aktuellen Sichten auf die Welt. Ist ja nicht so, dass 1989 auf einmal alle Geschichte vorbei war, wie so mancher Denker der Neuzeit gern behauptete. Im Gegenteil: Wie viel da an demokratischer Entwicklung weltweit noch immer in Wartestellung war, das zeigte ja in diesem Jahr eindrucksvoll der arabische Frühling.
Das Recht der Völker auf die Selbstgestaltung ihrer Gesellschaften hat sich eindrucksvoll wieder einmal Bahn gebrochen. Blutig und unfriedlich wurde es nur überall dort, wo die alten Regimes ihre Macht blutig gegen die eigenen Völker einsetzten. Gründlicher konnten sie sich nicht entlarven. Und die Deutschen, die dem allen aus der Ferne zuschauten, konnten sich erinnert fühlen an den kurzen Moment ihrer eigenen Courage. Und an Momente der Gegenwart, in denen sie durchaus wieder hätten Courage zeigen können. Zeiten, sich etwas zu trauen, gibt es immer wieder. Nicht immer sind sture Panzer der Gegner.
Aber deutlich wurde auch an diesem Abend, welche Faszination der Herbst 1989 noch immer ausübt. Und welche Maßstäbe er gesetzt hat, an denen sich das einige Deutschland auch im Jahr 2011 messen lassen muss. Denn nicht alle Erwartungen haben sich erfüllt, nicht alle Versprechungen wurden erfüllt.
Und fast vergisst man im Galopp der Zeit, dass sich auch das Verhältnis zu den Nachbarländern seitdem deutlich gewandelt hat. Dass 2011 mit der Live-Übertragung des Konzerts aus der Danziger Philharmonie erstmals eine große visuelle Brücke zwischen zwei europäischen Revolutionsstädten geschlagen wurde, ist Teil dieser Veränderung.
Eingebettet waren die Sequenzen aus den Revolutionsereignissen Osteuropas in Live-Schaltungen vom Sonderkonzert aus Danzig. Burkhard Jung, Oberbürgermeister der Stadt Leipzig, und Dr. Marek Prawda, Botschafter der Republik Polen, mahnten in ihren Grußworten, dass das errungene Gut Freiheit stets gepflegt werden müsse. Parallel gestalteten die Lichtfest-Teilnehmer mit Tausenden Kerzen wieder eine überdimensionale leuchtende “89”.
Die Brücke nach Licht-Danzig: Zeitgleich zum Lichtfest in Leipzig fanden in der polnischen Metropole anlässlich des Jahrestages der Friedlichen Revolution ein Empfang und ein Sonderkonzert in der Polnischen Ostsee Philharmonie Danzig statt. Das Orchester spielte unter der Leitung von Jürgen Wolf, Kantor der Nikolaikirche Leipzig und musikalischer Leiter des Lichtfests, Werke von Penderecki, Górecki, Bach und Brahms. Die Konzertbesucher in Danzig wiederum erhielten via Live-Übertragung Eindrücke von der Veranstaltung in Leipzig.
Das Lichtfest wird nunmehr schon in schöner Kontinuität von der Leipzig Tourismus und Marketing (LTM) GmbH in Zusammenarbeit mit der Stadt Leipzig und der Initiative “Tag der Friedlichen Revolution – Leipzig 9. Oktober 1989” organisiert.
Für die Ansprache der polnischen Partner sowie die Koordination der Aktivitäten in Danzig leistete das Polnische Institut in Leipzig umfangreiche Unterstützung. Mieczys?aw Struk, Marschall der Woiwodschaft Pommern, und Stadtpräsident Pawe? Adamowicz, Oberbürgermeister der Stadt Danzig, übernahmen die Schirmherrschaft für die Veranstaltung in Danzig.
Das gemeinsame Lichtfest wurde als offizielles Projekt im Rahmen der EU-Ratspräsidentschaft Polens (1. Juli bis 31. Dezember 2011) ausgezeichnet.
Auch zukünftig soll in Leipzig eine lebendige Erinnerungskultur an den Herbst ’89 gepflegt werden. Dabei werden bis 2014 weitere osteuropäische Partner zum Brückenschlag eingeladen: Ungarn 2012, die Tschechische Republik 2013. 2014 zum 25. Jubiläum der Friedlichen Revolution wird das Ganze wieder größer angelegt – dann wird der Ring wieder einbezogen und das Freiheitsdenkmal wird – wenn alles läuft, wie geplant – in Leipzig eingeweiht.
Aus den Statements:
Oberbürgermeister Burkhard Jung: “Wir werden nie vergessen, was wir Deutsche den Polen zu verdanken haben. … herzlicher Dank. Mit Ungarn und Tschechien wird Leipzig auch die Lichtfeste 2012 und 2013 jeweils einem Land besonders widmen, ohne dessen friedliche Freiheitsbewegung der Herbst ’89 in Deutschland nicht denkbar ist. Heute Abend haben wir den erfolgreichen Auftakt dieses thematischen Bogens erlebt, der 2014 in ein großes europäisches Gedenken zum 25. Jahrestag der Friedlichen Revolution einmünden wird.”
Dr. Marek Prawda (Botschafter der Republik Polen): “Wir erinnern heute an die wichtigste Botschaft von 1989: dass die Menschen Geschichte schreiben können. Nein, die Mauer ist nicht von alleine gefallen. Vielmehr hatten die Leipziger einen Traum und ihr Traum war Teil des unsrigen. Wir sollten daran denken, dass Polen und Deutschland viel für das Zusammenwachsen Europas getan haben. Daraus können wir Inspiration schöpfen. So erinnern wir heute auch daran, dass Europa ein Friedensprojekt ist. Möge der Abend dazu beitragen.”
Pawe? Adamowicz (Oberbürgermeister der Stadt Danzig): “Wir erinnern uns, wie Ihr Euch für die Freiheit eingesetzt habt, wie Ihr Euch für die Würde des Menschen eingesetzt habt, wie Ihr Euch für die Wahrheit im öffentlichen Leben Eures Landes eingesetzt habt. (…) Diese Ereignisse wurden zur Inspiration für ganz Mittel- und Osteuropa. (…) Auf diese Art und Weise war die Friedliche Revolution in Leipzig auch unsere Revolution. (…) Seid stolz darauf, dass Ihr es für Euch selber, für die Einwohner von Leipzig, für die Bürger der DDR getan habt. Möge das Gedächtnis an die stolzen und harten Monate für Euch zur Inspiration werden, sowohl heute, als auch für die Zukunft.”
Wies?aw Bielawski (Stellvertreter des Stadtpräsidenten von Danzig): “Ich bin vor allem beeindruckt, wie viele junge Menschen im Rahmen des Lichtfests an ein Ereignis erinnern, das sie nur aus Erzählungen kennen. Es ist sehr wichtig, dass die nächsten Generationen diese Geschichte mit unseren Augen sehen können und die Freiheit zu schätzen lernen.”
Jürgen Meier (künstlerischer Leiter des Lichtfests): “Ich bin sehr froh, dass alles so gut geklappt hat, denn das war sowohl eine schwierige europäische, als auch eine ambitionierte technische Brücke, die wir hier geschlagen haben. Dabei haben uns unsere polnischen Partner hervorragend unterstützt. Alleine wenn ich an das umfangreiche Film- und Bildmaterial denke, das wir erhalten haben. Nur so konnten wir zeigen, dass es nicht nur 1980 und 1989 Parallelen zwischen Danzig und Leipzig gab, sondern dass sich die Städte bis heute ähnlich entwickeln. Perspektivisch werden wir uns mit dem Lichtfest bis zum Jubiläum 2014 durch Europa bewegen und mit Ungarn und Tschechien mit wichtigen Partnern zusammenarbeiten.”
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