"Soziokultur, das heißt, Menschen aus verschiedenen Schichten und Kulturen treffen sich. Es entsteht ein Mix und ein Miteinander", so beschreibt es Marion Müller. Die Sozialpädagogin betreut, zusammen mit ihrem Kollegen Norman Pörschmann, den offenen Kinder- und Jugendtreff im soziokulturellen Zentrum DIE VILLA. Für Kinder sei es wichtig, zu jedem Menschen einen sozialen Kontakt aufzubauen. "Dafür muss ich mich ausdrücken können", sagt Müller.
Und dazu schafft der Treff Gelegenheiten: In der Experimentierküche wird zusammen gekocht. In der Ernährungsrallye gesundes Essen erlernt. Jede Woche gibt es einen Filmnachmittag. Hinzu kommen Kreativangebote sowie Ferienbetreuung. “Wir laden die Kinder ein, auch ihre eigenen Ideen zu verwirklichen. Manchmal sind das kleine Dinge, wie zum Fußballspielen in den Park zu gehen. Manches, wie zum Beispiel ein Töpfernachmittag, muss organisiert werden”, erzählt Müller. “Dabei wachsen von Jahr zu Jahr unsere Wünsche und schrumpft unser Budget”, sagt sie über die finanzielle Situation des Treffs.
Natürlich ist die Finanzierung immer ein Streitpunkt, wenn es um die Soziokultur geht. Dabei leistet sie ihren Beitrag zur Hochkultur, die als besonders wertvoll angesehen wird. “Jede Generation entwickelt ihre eigene Ausdrucksweise und schöpft eine originelle Kultur”, kommentiert die diplomierte Sozialpädagogin. In Klischees wie der Generation Golf oder der Generation Praktikum finden diese oft medialen Widerhall. Und ein Teil davon wird Kunst und verbindet sich so mit der Hochkultur. Das zu erklären und für die Bezahlung jener, die sich in der Soziokultur engagieren, zu sorgen, ist meist sehr schwierig. Auch Müller und Pörschmann werden untertariflich bezahlt. Immerhin: Das Geld stammt aus Fördermitteln über das Jugendamt.Im Treff geht es für Kinder und Jugendliche darum reales Leben zu erfahren, im Gegensatz zur digitalen Welt im Internet. “Viele haben ein geknicktes Selbstwertgefühl. Das versuchen wir aufzubauen, indem sie Teil haben und auch mal aus der eigenen Clique heraustreten können”, so Müller. Alle Aktivitäten zielen auf soziales Miteinander ab, wie zum Beispiel das Kochen. “Doch wir merken auch, dass Kinder mitmachen, weil sie hungrig sind.” Dann leisten Müller und ihr Kollege Hilfe zur Selbsthilfe. “Es gibt Kinder, die ohne Frühstück aus dem Haus gehen und auch den Tag über nicht richtig essen. Wenn wir das sehen, sprechen wir sie darauf an, stellen eventuell etwas Obst bereit.”
Aber etwa jeden Tag Mahlzeiten anbieten und die Probleme lösen, können sie nicht. “Es ist besser, wenn die Kinder das selbst tun. Wir spiegeln ihnen, dass so etwas nicht normal ist, setzen sie aber nicht unter Druck.” So fördern Müller und Pörschmann die jungen Menschen darin, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen und bleiben gleichzeitig der Tradition der freien Kinder- und Jugendhilfe in der VILLA treu.
Das Zentrum entstand, als im Frühjahr 1990 eine Gruppe junger Leute das Gebäude der Stadtleitung der Freien Deutschen Jugend (FDJ) in der Karl-Tauchnitz-Straße besetzte. Der sozialistische Jugendverband zog kurze Zeit später aus. Der Runde Tisch der Jugend übergab das Haus dem neu gegründeten VILLA-Verein. Dieser wurde auch als erster als freier Träger der Jugendhilfe in Leipzig anerkannt. In Haus etablierten sich viele Angebote und Vereine, wie ein Kinderladen, Theatergruppen und der VILLAkeller, welcher in der Gothic-Szene beliebt war. Als das Haus in der Karl-Tauchnitz-Straße an den Alteigentümer übergeben wurde, fand die VILLA 1999 in der Lessingstraße 7, dem ehemaligen Sitz der Handwerkskammer, ein neues Zuhause. Eine Hausumfrage ergab im Jahr 2010, dass die rund hundert Angebote und Veranstaltungen jede Woche etwa 1350 Besucher anlocken. Seit 2005 betreibt die gemeinnützige Leisa GmbH, für die sich die drei größten Vereine des Hauses zusammengeschlossen haben, die VILLA. In deren Erdgeschoss befindet sich der offene Kinder- und Jugendtreff.
Hier verteilen sich, auf gut einer halben Etage, die Experimentierküche, der Wintergarten, wo eine große Zahl an Brettspielen bereit steht, das Rabennest, wo gefaulenzt werden kann, der Kreativraum, der Computerraum, die Kletterwand sowie Tischkicker und Tischtennis. “Gerade über solche zwanglosen Aktivitäten lässt sich leicht Kontakt aufbauen”, beschreibt Müller.
Internet-Computer können hier kostenlos genutzt werden, wenn es um Hausaufgaben oder Wohnungssuche geht. Sonst werden 50 Cent Gebühren fällig. “Aber das ist für die meisten schon zu viel. Also warten sie bis zur letzten Öffnungsstunde, denn von 18 bis 19 Uhr ist die Nutzung generell kostenlos”, sagt Müller.
Für das Essen bei den Kochstunden zahlen die Kinder ebenfalls nichts, außer für besonders große Mahlzeiten oder Fleischgerichte. “Wir wollen sie damit nicht zu Vegetariern erziehen”, erklärt Müller. Doch sollen die Kinder ein Bewusstsein für die Natur und für gesunde Ernährung entwickeln. “Fleisch muss eben nicht immer sein”, so die Sozialpädagogin. So wie generell nicht alles verfügbar sein muss im Treff. “Soziales Lernen heißt für uns, Freiräume zu schaffen. Nicht alles muss reglementiert sein, fertig sein oder fertiggestellt werden. Man kann auch mal scheitern. Das gehört zum Leben dazu. Bei uns können sich die Kinder in einem geschützten Raum entfalten und ausprobieren”, fasst sie zusammen.
VILLA Leipzig Online
www.villa-leipzig.de
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