Als "Videomapping an der Außenfassade mit Vertikal-Saxophonist Finn Martin" stand er im Programm des 2. Leipziger Passagenfestes am Freitag, 2. September: der schwedisch-irische Saxophonist Finn Martin mit seiner eindrucksvollen Show, die an diesem Abend 22:50 Uhr ihr jähes Ende fand. Vielleicht, weil eine Sicherung versagte, vielleicht, weil Material ermüdete.
Die Polizei ermittelt noch. Am Montag, vielleicht Dienstag, wird es erste Ergebnisse geben, warum eine solch akribisch vorbereitete Show mit einem Sturz in 20 Meter Tiefe endete. Thomas Paarmann, Organisator des Passagenfestes, brach das Fest nicht ab. Um keine Panik aufkommen zu lassen, sagte er. Vielleicht die richtige Entscheidung an diesem Sommerabend in der Leipziger Innenstadt.
Mit Finn Martin ist an diesem Abend eine der faszinierendsten Gestalten im europäischen Show-Kalender gestorben. Der Nervenkitzel stand für den 49-Jährigen nie im Mittelpunkt seiner Auftritte. Auch wenn er sich stets eindrucksvolle Fassaden für seine Auftritte auswählte. Seit 1993 bereiste er mit seinem Saxophon die Welt, trat auf großen und kleinen Festivals auf und zog das Publikum in seinen Bann, wenn er spielend die Fassaden hinunter lief. Den 95 Meter hohen Hochofen der Zeche Duisburg zum Beispiel, das 130 Meter hohe Gasometer in Oberhausen.
Er arbeitete mit einer Kopfkamera und einem Kameramann am Boden, so dass sein Auftritt gleichzeitig als Video-Einspielung für die Zuschauer am Boden sichtbar wurde. Doch nie standen die “spektakulären Aspekte” im Mittelpunkt, betonte der Musiker mehrfach auf seiner Website, sondern der emotionale Inhalt.
Und er tat nicht nur so – er spielte wirklich, wenn er die Fassaden hinunter spazierte. Deswegen warb er auch mit zwei Websites im Netz – einer, in der er einlud, seine eindrucksvollen Fassadenläufe zu buchen, und einer, in der er sich daneben auch als vielseitiger Musiker präsentierte. Neben dem Saxophon spielte er Klarinette, Percussions, Keyboard und Flöten aus aller Welt.
Seine Biographie überschrieb er mit “Die Geschichte eines Suchenden”. Denn mit seiner doppelten Heimat Schweden/Irland fühlte er sich in der vielstimmigen Welt zu Hause. “Ich glaube, ich bin ein Künstler, der nicht einfach zu definieren ist”, schrieb er, “denn so vielschichtig mein kultureller Hintergrund ist, so schwierig ist es auch, meine Arbeit einzuordnen.”
Vier Mal wollte er am Freitagabend die Fassade von Speck’s Hof hinunter spazieren. Zwei Mal ging es gut. Fast wäre er nur einer von vielen eindrucksvollen Künstlern geblieben, die an diesem Abend die Leipziger Innenstadt mit Kunst und Leben erfüllten. Ein Mann, der Dutzende Passanten zum Staunen brachte.
Dabei hatte er auch eine Mission, wie er schrieb: “Wenn ich etwas von mir behaupten kann, dann würde ich sagen, dass das einzige, was mich wirklich motiviert, ist das ‘Brücken bauen’. In jeder Hinsicht. Zwischen den Menschen, zwischen den Kulturen und zwischen den Genres.”
Das ist ihm mit all seinen Auftritten immer gelungen. Sein Vorbild als Saxophonist war der unvergleichliche John Coltrane. Er musizierte mit den großen Künstlerinnen und Künstlern der Weltmusik. Diese Begegnungen, so sagte er, prägten auch seine Musik.
“Ich lebe auf dem Planeten Erde”, schrieb er. “Meine Nationalität ist ‘Erdenbürger’.” Und: “Nur wenn wir es schaffen, uns selbst zu versöhnen und uns unsere Einzigartigkeit einzugestehen und die ‘zwei Seelen in unserer Brust’ Frieden schließen zu lassen und lernen den männlichen und den weiblichen Aspekt frei fließen zu lassen, erst dann herrscht Friede in uns und das ist der essentielle Baustein einer besseren Gesellschaft und der Anfang von Allem.”
In Leipzig ist einer der faszinierendsten Erdenbürger gestorben. Vielleicht nur, weil ein winziges Metallteil versagte. Was es war, wird die Polizei herausfinden. Aber es wird nichts daran ändern, dass dieser Mann auf Erden fehlen wird. Seine Botschaft aber bleibt. Er hat es selbst zitiert. Salif Keita hat es 1999 über ihn gesagt: “Das Zeugnis seines Lebens ist sein Klang.”
Tod in der Reichsstraße: Passagenfest endet tragisch
www.finnmartinvertigo.com
www.finn-martin-music.com
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