Der 25. Juli ist der Tag des Wunschkindes, dieser geht auf die Geburt von Louise Brown, dem ersten „in vitro“ gezeugten Menschen, im Jahre 1978 zurück. Die Älteren erinnern sich gewiss an das „Mädchen aus der Petrischale“, oder an die oft damals oft benutzte Bezeichnung „Retortenbaby“. Auch heute ist etwa jedes zehnte Paar zwischen 25 und 59 Jahren ungewollt kinderlos und es gibt eine große Auswahl an Kinderwunschbehandlungen, die oft, aber nicht immer zum Erfolg führen.

Die Universität Leipzig, das Universitätsklinikum Leipzig und das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) haben dazu das interdisziplinäre Projekt „Leipzig Reproductive Health Research Center (LE-REP)“ gestartet und dieses bei der diesjährigen Veranstaltung zum Tag des Wunschkindes vorgestellt.

Die aktuelle Studie untersucht die Auswirkungen einer Kinderwunschbehandlung auf die Schwangerschaft und deren Langzeitfolgen für Eltern und Kinder. Einer der Schwerpunkte liegt dabei auf Behandlungen während oder nach onkologischen Therapien.

Ein langfristiges Ziel ist, wie uns Dr. med. Marie Münch sagte, Oberärztin der gynäkologischen Endokrinologie und Reproduktionsmedizin des Universitätsklinikums: „Das Projekt und die Förderung sollen auch der Anstoß sein, wieder ein universitäres Kinderwunschzentrum zu etablieren. Wir möchten die Geschichte der Reproduktionsmedizin am Universitätsklinikum Leipzig durch LE-REP erneut aufleben zu lassen.“

Frau Prof. Dr. med. Sonja Grunewald, Oberärztin der Andrologie im Universitätsklinikum. Foto: Thomas Köhler
Prof. Dr. med. Sonja Grunewald, Oberärztin der Andrologie im Universitätsklinikum. Foto: Thomas Köhler

Nach einigen einführenden Worten der Projektkoordinatorin Ines Christoph begann die Veranstaltung mit einem Vortrag zum Thema „Fertilisiationsprotektion“, dem Erhalt der Fortpflanzungsfähigkeit. Der besondere Schwerpunkt lag auf der Verhinderung des Verlustes der Fortpflanzungsfähigkeit bei Krebsbehandlungen, wie Chemotherapie, und es wurde ausführlich das Thema „Krebs und Kinderwunsch“ behandelt.

Den Frauen betreffenden Teil führte Dr. med. Marie Münch aus, zum oft vergessenen Thema Männergesundheit sprach Prof. Dr. med. Sonja Grunewald, Oberärztin der Andrologie im Universitätsklinikum.

***
Es folgte der Vortrag „Der [unerfüllte] Kinderwunsch in den verschiedenen Lebenskonstellationen“ von Dr. Vera Vieten LL.M. Dr. Vieten ist Rechtsanwältin mit dem Spezialgebiet Rechtsberatung von Solo-Müttern und bietet auf kinderwunsch-recht.de Rechtsberatung bei Kinderwunsch an.

Da im Programm der Veranstaltung stand, dass Frau Dr. Vieten noch einen Vortrag „Kinderwunsch und Möglichkeiten der finanziellen Unterstützung“ zum Abschluss der Veranstaltung halten wird, haben wir sie gefragt:

Frau Dr. Vieten, man denkt, als Nicht-Betroffener: Da hat jemand einen Kinderwunsch, wenn es nicht klappt, geht man zum Arzt, geht in eine Kinderwunschklinik und so weiter. Warum braucht man eine juristische Beratung, welche Fallstricke gibt es?

„Interessante Frage! Im Rahmen von Kinderwunschbehandlungen kommt oft die Frage auf, ob es finanzielle Unterstützung gibt und wenn ja, von wem? Hier verweise ich auf die gesetzlichen und privaten Krankenkassen; es gibt aber auch noch die Fördertröpfe – wie ich sie nenne – des Bundes und der Länder. Beides schauen wir uns heute noch genauer an.

Dann gilt es die Rechtsfolgen zu beachten, die ein (erfüllter) Kinderwunsch mit sich bringt, und zwar vor allem dann, wenn man nicht in der vermeintlich klassischen Situation ist, in der sich Mann und Frau, verheiratet, ein Kind mit dem Samen des Mannes wünschen.

Bei unverheirateten Paaren, egal welcher Sexualität, bei Solo-Mamis, Regenbogen-Familien, Mehr-Eltern-Familien etc. stellt sich etwa die Frage: Wer sind die Eltern des Kindes? Wie ist das bei einem Kind durch Samenspende? Welche Arten der Samenspende gibt es, was bedeuten diese rechtlich und gibt es da Unterschiede? Was gilt bei Unfruchtbarkeit des Mannes? Der Frau?

All diese Punkte sollte man sich vorab anschauen, denn kennt man die rechtlichen Konsequenzen und Details nicht, so fallen einem diese ggf. auf die Füße. Dann kommt es zu Streit und genau das will man doch vermeiden, wenn man ein Kind erwartet. Schließlich sorgen sich viele darum, ob und wie sie für ihr Kind vorsorgen können, sollte ihnen etwas zustoßen und erbitten dazu meinen Rechtsrat.“

Frau Diplompsychologin Sally Schulze. Foto: Thomas Köhler
Diplompsychologin Sally Schulze. Foto: Thomas Köhler

Im Anschluss sprach Diplompsychologin Sally Schulze, Psychologische Psychotherapeutin und zertifizierte Kinderwunschberaterin, vom Angebot „MentalStark“ über die mentale und emotionale Begleitung in der Kinderwunschzeit, die die MentalStark GmbH mit ihrer Online-Plattform bereitstellt.

Von der Bereitstellung von Informationen zum Thema Kinderwunsch und Schwangerschaft, über offene online-Gruppensprechstunden mit verschiedenen Schwerpunkten bis zu persönlichen Beratungen per Videokonferenz reicht das kostenpflichtige Angebot. Wer es ausprobieren will, kann einen kostenlosen Probemonat in Anspruch nehmen.

Im Vortrag ging Sally Schulze auch auf das Thema Stress und seine Auswirkungen auf den Kinderwunsch ein und sprach über den falschen Mythos, dass Stress eine Schwangerschaft verhindert.

Sally Schulze betonte im Gespräch: „Alle Inhalte des Angebots basieren auf medizinischen Leitlinien und sind frei von Meinungen oder religiösen Ansichten.“

***
Nach einer Pause, die zum regen Gedankenaustausch der Teilnehmenden genutzt wurde, sprach Dr. Tobias Kretschmer, Umweltbiologe am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ), über das Forschungsprojekt „Erforschen der Effekte von Chemikalien auf Schwangerschaften nach einer Kinderwunschbehandlung“.

Herr Dr. Tobias Kretschmer. Foto: Thomas Köhler
Dr. Tobias Kretschmer. Foto: Thomas Köhler

Wir haben Dr. Kretschmer zum Projekt befragt.

Herr Dr. Kretschmer, der Titel Ihres Vortrages beim Tag des Wunschkindes ist „Einflüsse von Umweltgiften – die böse Pille“. Das klingt spannend, besonders das mit der Pille. Was steckt dahinter?

Der Hintergrund ist der, dass die Umwelt natürlich unsere Gesundheit und auch die Reproduktionsfähigkeit stark beeinflussen kann. Wenn man an Umwelt und die Umweltbelastung denkt, dann denkt man häufig an Chemikalien, an schlechte Luft, schlechtes Wasser.

Wir haben uns jetzt spezifisch mit der „bösen Pille“ beschäftigt, weil immer wieder in den Print- oder in den Online-Medien zu lesen ist, dass in unseren Gewässern ganz viele Hormone, vor allem weibliche Hormone wie Östrogen und Östradiol, herumschwimmen, die unsere Fruchtbarkeit beeinflussen.

Ich gehe in meinem Vortrag darauf ein, welche Mythen es in Bezug auf diese Hormone im Trinkwasser gibt. Es sind nämlich gar nicht so viele und diese sind auch nicht so hoch konzentriert, dass man schädliche Effekte erwarten könnte.

Wir erforschen auch, welchen Einfluss nicht nur diese Hormone, sondern auch hormonähnliche Stoffe, also Chemikalien, die von der chemischen Struktur den Hormonen des Menschen sehr ähnlich sind, haben. Diese sind vielleicht doch eher relevant und wir untersuchen, ob sie vielleicht eher gesundheitliche Effekte haben, als die Hormone aus der Antibabypille oder aus anderen Quellen.

Wenn man von Hormonen und Medikamentenresten spricht, dann denkt man ja auch an das, was man über die Nahrung aufnimmt, beziehungsweise was über die Tierzucht eingetragen wird.

Genau, das landet zum gewissen Teil im Abwasser, Oberflächenabwasser, in Flüssen, kann sich auch in Seen anreichern. Vieles wird auch durch Kläranlagen schon entfernt, aber die Kläranlagen sind eben unterschiedlich. Nicht alles wird herausgefiltert, manches bleibt im Wasser. Ein großes Problem ist, dass Nutztiere von Haus aus natürlich Hormone produzieren. Zum Beispiel müssen Kühe, die Milch geben sollen, natürlich schwanger gewesen sein.

Die müssen entsprechend auch Schwangerschaftshormone produziert haben und scheiden dann natürlich Urin und Kot aus, darüber landen viele Hormone im Oberflächenwasser. Dazu kommen die Medikamentenreste, das geht in die Flüsse und dort kann man es messen. Diese Stoffe sind in messbaren Konzentrationen vorhanden, aber die kumulativen Effekte, wie das alles letztendlich wirkt, sind noch sehr schwach erforscht.

Da setzen wir mit unserem Forschungsprojekt an. Wir wollen verstehen: Welche Belastungen haben die Menschen in der reproduktiven Phase ihres Lebens? Woher kommen diese Chemikalien, kommen die wirklich aus dem Wasser, aus der Luft oder aus den Lebensmitteln? Und welchen Einfluss haben sie dann letztendlich auch auf die Fruchtbarkeit?

Die Forschungsphase hat begonnen, wie lange läuft das Projekt noch?

Das Projekt soll insgesamt sechs Jahre laufen, wir haben letztes Jahr begonnen, also bis 2029. Das Ziel ist, dass wir hier auch wieder ein Reproduktionszentrum aufbauen, dass wir in Leipzig an der Uniklinik wieder Paaren helfen können, die auf natürlichen Wegen nicht schwanger werden können. Und zu der Uniklinik gehört natürlich die Forschung dazu, das ist ja der Kern einer Uniklinik, dass sie auch forscht.

Und da wollen wir in den nächsten sechs Jahren den Grundstein legen, dass wir hier wieder Reproduktionsforschung machen und Paaren helfen können. Wir wollen verstehen, was heute die Ursachen für Kinderlosigkeit sind und welche Umwelteinflüsse es dafür gibt.

***
Die Veranstaltung beschloss der zweite Vortrag von Dr. Vera Vieten.

Fazit: Ein sehr informativer Nachmittag, an dem zu vielen verschiedenen Aspekten der Kinderwunschbehandlung ausgeführt wurde. Neben Interessierten, Betroffenen und den Vortragenden waren auch andere Akteure, wie das Kinderwunschzentrum Leipzig, die Kinderwunschzentrum Praxisklinik City Leipzig, Antje Kern von VivoSensMedical, die den OvulaRing vertreten, Ulla Gerber von der Selbsthilfegruppe unerfüllter Kinderwunsch Leipzig und Vertreterinnen der AWO Leipzig anwesend.

Übrigens, der Andrang war so groß, dass die Veranstalter für das nächste Mal einen Hörsaal bereitstellen wollen.

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar