Erstaunliches vermeldete am Mittwoch, 27. Januar, der Leipziger Landtagsabgeordnet Wolf-Dietrich Rost. Er sitzt zwar nicht mehr gleichzeitig für die CDU im Leipziger Stadtrat, bekommt aber trotzdem so einiges mit und ist verblüfft über den Planansatz für Hilfen zur Erziehung im Jahr 2016, mit dem Leipzigs Sozialbürgermeister arbeitet.

Derzeit tauchen im Ratsinfo-System vermehrt wieder Vorlagen auf, in denen Mehrbedarfe formuliert werden. Die Summe, mit der Anfang 2015 der Doppelhaushalt 2015/2016 im Bereich Wirtschaftliche Jugendhilfe beschlossen wurde, reichen also nicht. Fast könnte man sagen: Wie zu erwarten war.

“Seit Jahren zeigt sich das gleiche Bild“, kommentiert nun Wolf-Dietrich Rost den Vorgang. “Die Fallzahlen steigen und die Kosten auch“.

Und dabei fehlt ihm irgendwie der sichtbare Effekt für den Einsatz all des Geldes: Es sei keine Wirkung zu erkennen. “Man hat den Eindruck, je mehr Geld wir in das System reingeben, umso mehr steigt die Zahl der Fälle. Wir müssen aber doch irgendwann mal die Wirkung unserer Maßnahmen spüren?“, fragt sich Rost.

Kann er ja machen. Wenn Sorgenfamilien sich durch die finanzielle Unterstützung der Stadt einfach in sorgenlose Familien verwandeln würden, wäre wohl so ein Effekt zu erwarten. Doch Hilfen zur Erziehung werden nun einmal überall dort fällig, wo es in Familien zu massiven sozialen und eben auch finanziellen Problem kommt. Die Stadt springt hier mit ihren Beratungs- und Unterstützungsangeboten ein, um Schlimmeres zu verhindern, überlastete Familien zu entlasten und vor allem den betroffenen Kindern zu helfen.

Nach wie vor ist jeder vierte Haushalt in Leipzig nach sämtlichen Armutsdefinitionen arm bzw. “armutsgefährdet”. Ein Drittel aller Kinder lebt in solchen armutsgefährdeten Haushalten. Und wenn in Leipzig die Zahl der Kinder steigt (worüber sich ja alle freuen) steigt logischerweise auch die Zahl der Kinder in Familien, die mit sozialen und finanziellen Problemen zu kämpfen haben.

Recht hat Rost natürlich, wenn er die zu niedrigen Planansätze des Sozialbürgermeisters kritisiert.

Im Jahr 2015 plante das zuständige Sozialdezernat Kosten für die Hilfen zur Erziehung von 65,8 Millionen Euro. Tatsächlich benötigte man aber knapp 8 Millionen mehr, also fast 74 Millionen für 2.657 Fälle, merkt der Landtagsabgeordnete an und zieht den Vergleich zum Jahr 2014: Da waren es noch 2.315 Fälle und etwa 60 Millionen Euro.

Die Fallzahl ist also schon im Jahresvergleich deutlich gestiegen. Da braucht man logischerweise mehr Geld, um den betroffenen Familien zu helfen.

Umso mehr ist der Abgeordnete Rost nun überrascht, als er den Planansatz des Sozialdezernats sieht – man plant für 2016 mit „lediglich“ 67,3 Millionen Euro.

“Warum nutzt Bürgermeister Fabian hier bewusst falsche Plan-Ansätze? Wenn das Geld bereits schon im vergangenen Jahr nicht ausreichte, warum sollte es 2016 weniger werden“, fragt sich Wolf-Dietrich Rost, auch vor dem Hintergrund der finanziellen Herausforderungen für sogenannte unbegleitete, minderjährige Ausländer. Es nütze niemandem etwas, wenn das Sozialdezernat hier bewusst niedrige Zahlen ansetze, und dann im Laufe des Jahres 2016 einen Mehrbedarf in Millionenhöhe fordere.

Aber da hat man wieder das Problem des Doppelhaushalts.

Konnte das Sozialdezernat 2014 wissen, wohin sich Fallzahlen und Kosten 2015 und 2016 entwickeln würden?

Schwer zu beantworten. Aber auch vorher stiegen die Kosten schon spürbar: von 53,9 Millionen Euro im Jahr 2012 auf 62,7 Millionen Euro im Jahr 2013. 2014 hatte das Sozialdezernat mit 64,7 Millionen Euro geplant. Man sieht also ein wenig, wie die Verwaltung versucht, die Kosten zu drosseln, aber doch immer wieder feststellen muss, dass sich die Realität nicht so verhält wie die Träume in Rathäusern und Politikervorstellungen. Die wirtschaftliche Entwicklung in Leipzig kommt in einigen Bevölkerungsgruppen schlicht nicht an, die Armutsquote sinkt nicht wirklich. Was ja nicht nur ein Leipziger Problem ist. Mittlerweile wird ja auch bundesweit über das verblüffende Phänomen diskutiert, dass das BIP permanent wächst, die Reichen immer reicher werden – aber ganze Teile der Gesellschaft von der Entwicklung völlig abgekoppelt sind.

Selbst Wolf-Dietrich Rost hat das gemerkt: Die steigenden Ausgaben für den Bereich „Hilfen zur Erziehung“ seien mittlerweile ein gesamtdeutsches Phänomen, das Rost jedoch nicht einfach hinnehmen könne und möchte.

Und dann fordert er etwas, bei dem man dem CDU-Mann eigentlich nur zustimmen kann: “Wir können das jährliche ‚Mehr‘ an Fällen und Kosten doch nicht einfach akzeptieren, sondern müssen endlich evaluieren und wirksam gegensteuern.“

Warum stecken Familien in der Armutsfalle fest? Warum sind gerade viele Familien mit Kindern und Alleinerziehende auf Sozialtransfers angewiesen? Da läuft augenscheinlich in der gesamten Gesellschaft etwas schief. Oder soll man es so formulieren: Die gepflegte Wirtschaftspolitik ist familienfeindlich. Jedes zusätzliche Kind erhöht das Armutsrisiko für die betroffenen Eltern.

Da verblüfft schon, dass Wolf-Dietrich Rost eine Evaluation und Veränderung der Situation schon seit Jahren gefordert haben möchte, nur: “getan hat sich seither nichts.”

Und ebenso verblüffen dürfte ihn, dass auch das viel gepriesene Elterngeld daran nichts geändert hat. Und dazu kommt die seit Jahren gepflegte Niedriglohn-Politik in Ostdeutschland, die vor allem dazu geführt hat, dass viele junge Erwerbstätige jahrelang in prekären Beschäftigungsverhältnissen aushalten mussten. Die Armutsgefährdungsquoten für Familien in Ostdeutschland liegen nach Zahlen der Bundeszentrale für politische Bildung bei 33 Prozent – aber nur, wenn man ihr Einkommen mit den niedrigen ostdeutschen Durchschnittseinkommen vergleicht. Nimmt man die Bundeswerte zum Vergleich, liegt die Quote bei 48 Prozent.

Da gibt es also eine Menge Stoff zum Evaluieren. Und es wäre sicher eine kleine Revolution nicht nur für Leipzig, wenn sich “da was tut”.

Und die Kommentare der Leipziger SPD-Fraktion zum Vorstoß von Wolf-Dietrich Rost:

„Herr Rost hat sich mangelhaft informiert. Noch schlimmer ist allerdings, wenn ein Landtagsabgeordneter und ehemaliger Stadtrat Haushaltszusammenhänge, also die Königsdisziplin der Politik, nicht versteht. Den Unterschied zwischen Plan-Zahlen und Ist-Zahlen sollte jeder langjähriger Politiker kennen. – Wir haben im Frühling 2015 einen Doppelhaushalt für die Jahre 2015 und 2016 beschlossen. Dieser beruht auf Zahlen von 2014. Prognostiziert wurden hier bereits steigende Kosten bei den Hilfen zur Erziehung. Im Laufe des Jahres 2015 stellte sich eine höhere Kostensteigerung als geplant heraus. Deswegen gab es eine Mehrbedarfsvorlage im November 2015 für das laufende Jahr. Für das Jahr 2016 muss die Verwaltung dem Stadtrat beruhend auf aktuellen Zahlen eine weitere Mehrbedarfsvorlage vorlegen. Dies hat der Stadtrat auch bereits im November 2015 so beschlossen. Unseriös wäre es, wenn die Stadtverwaltung ohne Beschluss des Stadtrates einfach einen durch den Stadtrat beschlossenen Haushalt verändern würde, wie es Herr Rost indirekt fordert“, so Christopher Zenker, sozialpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion.

Katharina Schenk, jugendpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion weiter: „Der Freistaat Sachsen liegt bei den reinen Zahlen der gewährten Hilfen zur Erziehung weiterhin unter dem bundesdeutschen Durchschnitt. Ja, die Fallzahlen der Hilfen zur Erziehung steigen in Leipzig wie auch in Deutschland seit Jahren an. Dafür gibt es viele Ursachen. Eine davon ist, dass unsere Gesellschaft mehr auf das Wohlergehen von Kindern und Jugendlichen achtet, hierdurch mögliche Kindeswohlgefährdungen früher meldet und so Hilfe für die Kinder, aber auch deren Familien, ermöglicht. Wir sollten daher um die passenden Angebote streiten und darüber, wie wir den Kindern und Familien helfen können“.

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Es gibt 6 Kommentare

Ich denke, Sie wissen was es meint, nur wollen und können Sie nicht anders.
Armer, alter Starrkopf. Mögen Sie Heilung erfahren.

“Als Kaufmann steht man einem Revisor, im Umgang mit Zahlen, in nichts nach.”

Wieder so eine Behauptung, die absoluter Murks ist. Ein Kaufmann ist ein Kaufmann und ein Finanzrevisor ist ein Finanzrevisor. Dazwischen liegen Welten! Ein Bäcker ist zum Beispiel auch kein Konditor. Aber was soll es.

Und sollten Sie zu viel unausgefüllte Zeit haben und sich darüber hinaus mit einem “NICHTlaien” eine hochwertigen Austausch stellen wollen, so empfehle ich Ihnen (auch wenn es nicht Ihre Art ist), den Dialog mit Sandro zu einem würdigen Abschluss zu bringen.
Einfach verschwinden, kneifen, abhauen, sollte selbst Ihrer nicht würdig sein, oder?
http://www.l-iz.de/bildung/leipzig-bildet/2016/01/staatsregierung-will-tu-dresden-schonen-und-dafuer-an-der-uni-leipzig-neun-weitere-stellen-streichen-121591#comments

„Hier liegen einige Missverständnisse vor“.
Klärt der folgenden Text ansatzweise diese Missverständisse auf?
Nein!

„Die Kosten sind enorm. Es gibt viele Gründe für die immer mehr steigenden Kosten für Hilfen zur Erziehung. Ein wesentlicher Grund in Leipzig ist, dass diese Hilfen vor Jahren bewusst so spät wie möglich begonnen wurden, um Kosten zu sparen. Ein fatale Verfahrensweise“

Sollte, von Ihnen Klaus, erkannt worden sein, dass „sparen auf Teufel komm raus“ kein Allheilmittel ist?
Sollte erkannt worden sein, dass 160.000 eingesparte Polizeikräfte in den letzten Sparwahnjahren auch Kölner Erlebnisse und Leipziger Verhältnisse erst möglich machten?

Ist bei Ihnen Klaus, etwa angekommen, dass wenn Sie in zehn Jahren inkontinent und mit viel Glück, in einer Kurzzeitpflegeeinrichtung gelandet sind, Ihnen pro Tag nur 3 (drei) Einlagen oder Windeln zustehen?
[Es waren mal mehr, aber die wurden eingespart].

Und JA, Klaus, ich sehe mich nach der Definition des Begriffes als Laie.
(Laie (von griechisch λαός (laós) „Volk“ über λαϊκός (laikós) „zum Volk gehörig“) und ich stehe dazu, es geht mir sehr gut damit.
Nicht jeder kann wie Sie, ein Psychologie-, Politik-, Wirtschaft-, Marketing- und was weiß ich noch alles, Studium abgelegt haben.

Ihnen einen Knochen zum kauen.
Als Kaufmann steht man einem Revisor, im Umgang mit Zahlen, in nichts nach.
Einzig, dass mir von Anbeginn Demut und Bescheidenheit gelehrt wurde, Ihnen hingegen Überheblichkeit, Selbstüberschätzung, Arroganz und … all das Andere, was ich an mir nicht wissen möchte.

Hier liegen einige Missverständnisse vor:
Unter “Hilfen zur Erziehung durch die Jugendhilfe” sind verschiedene individuelle und/oder therapeutische Maßnahmen zu verstehen, die ambulant, teilstationär oder stationär erbracht werden. Anspruch darauf haben Eltern mit Sorgerechtsanspruch bei der Erziehung ihres Kindes oder Jugendlichen, wenn keine Erziehung gewährleistet ist, die dem Wohl ihres Kindes oder ihres Jugendlichen entspricht und
die Hilfe für die Entwicklung geeignet und notwendig ist. Bitte einmal im Internet nachlesen.

Darunter fällt beispielsweise die Unterbringung von Kindern und Jugendlichen in Einrichtungen des Verbund Kinder- und Jugendhilfe sowie eine Vielzahl von Einrichtungen der “Freien träger”. Ich möchte an dieser Stelle die hervorragende Arbeit aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Verbundes der Kinder- und Jugendhilfe und besonders seiner Leiterin, Frau Müller-Ziermann, würdigen, was bisher viel zu wenig erfolgte. Das trifft auch auf die Einrichtungen der “Freien Träger” zu.

Es sind übrigens nicht nur Kinder- und Jugendliche von armen Familien , die in solche Einrichtungen aufgenommen werden bzw. dort betreut werden. Die Kosten sind enorm. Es gibt viele Gründe für die immer mehr steigenden Kosten für Hilfen zur Erziehung. Ein wesentlicher Grund in Leipzig ist, dass diese Hilfen vor Jahren bewusst so spät wie möglich begonnen wurden, um Kosten zu sparen. Ein fatale Verfahrensweise, Die dafür verantwortlichen Personen (u.a. Beigeordneter, Amtsleiter des Jugendamtes) wurden oftmals von kompetenten Mitarbeitern der Stadtverwaltung gewarnt bzw. darauf hingewiesen. Man hat nicht reagiert. Auch der Stadtrat trägt dafür eine gewisse “Schuld”.

Ich bin immer wieder darüber amüsiert, wie der angebliche Finanzexperte der SPD im Stadtrat, Herr Zenker, stattliche Böcke schießt. Auch er sollte sich doch mit mit Haushaltszusammenhängen, wie er meint der Königsdisziplin der Politik, intensiver befassen. Eine Plan-Ist-Rechnung gab es in der DDR. In den Behörden der BRD gibt es eine Soll-Ist-Rechnung. So viel Sachlichkeit muss sein, wenn man sich so weit aus dem Fenster wagt.

Die Problematik der zu niedrigen Plan sehe ich nicht als das größte Problem, denn um die Finanzierung dieser Leistungen kommt die Stadt Leipzig nicht herum.

“Es ist aberwitzig, dass Herr Fabian für die Planung Zahlen ansetzen will, bei denen jeder Laie erkennt, dass es nicht funktionieren wird, nicht funktionieren kann.”

Erfreulich, dass sich JG als Laie bei dieser Thematik bezeichnet. Traurig, dass er auch wieder einen unseriöse Beitrag geliefert hat. Ein Kommentar fern jeglicher Realität.

Man kann, ja sollte immer vorsichtig, gar gespaltener Meinung darüber sein, wenn ein Politiker etwas öffentlich fordert, zumal das Politgebiet dann meist der jeweils anderen Partei zugewiesen ist.

Wenn jedoch, wie im aktuellen Beispiel, die Forderung Sinn macht, wäre es einzig hilfreich, würde man sich ohne politische Eitelkeit zusammen setzend und im Sinne der Familien und Kinder die Kräfte gemeinsam bündeln und Lösungen nicht suchen sondern finden.

Es ist aberwitzig, dass Herr Fabian für die Planung Zahlen ansetzen will, bei denen jeder Laie erkennt, dass es nicht funktionieren wird, nicht funktionieren kann.

Natürlich ist es Standardprozedere dass nun Christopher Zenker und Katharina Schenk ihrem Chef zur Seite springen und erklären, dass (Achtung Bildsprache) der Marathon Stau allmorgendlich auf den Straßen an übervorsichtigen Autofahrern und nich an defekten Straßen läge.

Am Problem, ob bestehend oder sich abzeichnend, ändert beides nichts.
Mir scheint, das Wesen des politischen Spiels kreist uns gefühlsecht ein. Will uns einlullen, versucht es zumindest mal wieder.

Fragen wir nach, rechnen wir nach, bleiben wir also wach.

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