Kann man eigentlich beides machen? Die Kosten drücken und den Betreuungsschlüssel in den sächsischen Kindertagesstätten verbessern? CDU und SPD versuchen diesen Spagat im neuen Doppelhaushalt. Aber die Wahrheit scheint eben doch zu sein, dass jemand dann mehr bezahlen muss. Und das scheinen in diesem Fall die Eltern zu sein. Das kritisiert jetzt auch die Leipziger Kita-Initiative.
Die Linken im sächsischen Landtag hatten das schon in der vergangenen Woche kritisiert. Am Wochenende äußerten sich auch die Grünen deutlich und nannten das Vorhaben eine “Mogelpackung”. Eine doppelte Mogelpackung. Denn gleichzeitig soll das Betreuungspersonal in den Kitas durch Assistenzkräfte “flexibilisiert” werden
“Die Verbesserung des Betreuungsschlüssel in den Kindertageseinrichtungen wird nicht wie angekündigt durch Fachkräfte realisiert, sondern durch Assistenzkräfte”, kommentiert das die Grünen-Vorstandssprecherin Christin Melcher, die auch der Leipziger Kita-Initiative noch verbunden ist. “Doch damit nicht genug: Nicht das Land zahlt nach dem Entwurf der Koalition wie angekündigt die Mehrkosten, sondern Eltern und Kommunen. Dies trifft insbesondere die Großstädte wie Leipzig besonders hart.“
Der Vorschlag der Aufstockung durch Assistenzkräfte sei ein Griff in die Mottenkiste der vorherigen Staatsregierung und sei damals von der FDP gekommen. Aber die Idee, “teures” Fachpersonal nun auch in den Kindertagesstätten durch allerlei Aushilfskräfte zu ersetzen, scheint auch bei den anderen Parteien so langsam als normal empfunden zu werden.
„Mit einer Qualitätsoffensive hat das nichts zu tun, auch nichts mit Wahlversprechen von CDU und SPD. Sachsen stellt damit mal wieder unter Beweis, wie unwichtig ihm die frühkindliche Bildung ist und das mit einer SPD in Regierungsverantwortung. Sachsen ist und bleibt Schlusslicht bei der Betreuungsrelation“, so Christin Melcher.
Und um die Sache zu bezahlen, schlage die Staatsregierung zwar eine Erhöhung des Landeszuschuss vor. “Aber die Hauptlast liegt damit immer noch bei den Eltern. Das Land ist einfach nicht gewillt, für die frühkindliche Bildung genug zu leisten. Wenn jetzt noch die Obergrenze der Elternbeiträge um 3 Prozent erhöht wird – Leipzigs Elternbeitrag reizt die maximale Höhe aus – werden die Kosten noch ungleicher verteilt”, kommentiert Melcher. “Die Hauptlast der Mogelpackung ‘Verbesserter Betreuungsschlüssel’ tragen Eltern und Kommunen. Die CDU-geführte Landesregierung macht so weiter wie in der alten Legislatur, nur unter Mitwirkung der SPD. Man fragt sich, wo die Handschrift der SPD in der Staatsregierung hingekommen ist?”
Die Gesetzesnovelle macht einmal mehr deutlich, dass die politischen Absichtserklärungen zur Verbesserung der Bildung in Deutschland auch mit namhaften Geldbeträgen untersetzt werden müssen. Aus der Portokasse lässt sich das nicht bezahlen. Die Zeit, über ein gerechteres Steuersystem nachzudenken, ist überreif. Und ebenso reif ist die Zeit dafür, über die wirklichen Kosten eines modernen Bildungssystems nachzudenken. Mit ein paar kosmetischen Korrekturen in der Geldverteilung ist es da nicht getan.
Eine grundlegende Lösung weiter außer Sicht
Der jetzige Vorschlag von CDU und SPD sieht eher wie ein Versuch aus, das Thema irgendwie in die alten Haushaltsstrukturen hineinzuquetschen, ohne wesentliche Weichen im Landeshaushalt wirklich neu zu stellen. Und wirklich nachhaltig ist auch diese kleine Änderung nicht.
Victoria Jankowicz, Mitinitiatorin der Leipziger Kita-Initiative, meldete sich jetzt auch zu Wort: “Die geplante Veränderung des Betreuungsschlüssels in Sachsen ist schon rein zahlenmäßig nur Minimalkonsens und bleibt weit hinter unseren Hoffnungen und wissenschaftlichen Empfehlungen zurück. Sachsen wird auch 2016 noch einen der schlechtesten Betreuungsschlüssel bundesweit haben. CDU und SPD mussten hier etwas tun, das hatten sie im Rahmen der Wahl versprochen. Wird das Haushaltgesetz nun aber so abgesegnet, dann bedeutet das tatsächlich eine Verschlechterung der Kita-Situation. Gegen Assistenzkräfte in der Kita ist prinzipiell nichts einzuwenden, wenn sie zusätzlich eingesetzt würden, um Erzieherinnen zu entlasten, und nicht anstelle von ausgebildeten Erzieherinnen, um überhaupt den Mindestvorgaben zu entsprechen!”
Das sei aus verschiedenen Gründen problematisch meint Victoria Jankowicz und zählt auf:
“1. Wir reden über eine Verbesserung der Betreuungsqualität; darüber, dass die Ausbildung der Erzieherinnen verbessert werden muss und dass mehr Hochschulabsolventinnen in den Kitas eingesetzt werden sollen. Die sächsische Staatsregierung torpediert mit dem Haushaltsgesetz all diese Bemühungen. Die Ausbildung zur Sozialassistentin unterscheidet sich inhaltlich und zeitlich deutlich von der zur Erzieherin. Zur Verbesserung der Betreuungsqualität gehört auch, dass die Erzieherinnen mehr Zeit für Beobachtung und Dokumentation und für die Vor- und Nachbereitung der pädagogischen Arbeit haben müssen. Nun könnte man meinen, das wäre mit Assistenzkräften gegeben. Allerdings dürfen Assistenzkräfte Kinder eigentlich nicht allein, sondern nur zusammen mit einer ausgebildeten pädagogischen Fachkraft betreuen. Es ist zu erwarten, dass das in der Regel im Kita-Alltag nicht eingehalten wird, so wie es derzeit auch mit Praktikantinnen und FSJlerinnen geschieht, und die Kinder zukünftig häufig von nicht pädagogisch ausgebildetem Personal betreut werden. Dieses kann eine pädagogische Betreuung nicht gewährleisten.
2. Wir fordern seit langem, gemeinsam mit Gewerkschaften und Wohlfahrtsverbänden, eine angemessene Entlohnung für frühpädagogische Fachkräfte. Nun werden Menschen in den Kindertagesstätten für noch weniger Geld arbeiten. Das ist aus unserer Sicht ein Skandal! Kita-Personal bekommt häufig nur Teilzeitverträge. Das führt schon bei Erzieherinnen dazu, dass sie mit ihrem niedrigen Gehalt kaum über die Runden kommen. Bei Assistenzkräften wird sich die prekäre Beschäftigungssituation noch zuspitzen.”
Der Freistaat setze also auch an diesem Punkt wieder auf Billiglöhner, die da einspringen, wo das Land nicht wirklich Geld geben will.
Victoria Jankowicz: “Es geht dabei ganz eindeutig um billiges Personal, um die Kosten für die angebliche Verbesserung des Schlüssels zu senken und auch darum, dem offenbar doch drohenden Fachkräftemangel zu begegnen. Aber damit nicht genug! Die Kosten für diese Verschlimmbesserung, die gerade nicht im Sinne der Familien ist, werden auch noch auf die Eltern umgeleitet!”
Und Christin Melcher: “Den Löwenanteil für die Kinderbetreuung zahlt die Kommune. Anstatt dass das Land sich endlich ausreichend beteiligt wie im Koalitionsvertrag angekündigt, werden die Elternbeiträge erhöht. Der Landeszuschuss wird durch einen Festbetrag im Gesetz definiert, die Elternbeiträge werden hingegen prozentual angegeben. Sachsen könnte sich ein Beispiel an anderen Bundesländern nehmen und sich endlich ausreichend an den tatsächlichen Kosten für die Kinderbetreuung beteiligen und die steigenden Kosten nicht auf Eltern und Kommunen abwälzen – so würde es seiner Verantwortung nachkommen und insbesondere Städte wie Leipzig und Dresden bei der Finanzierung von Kinderbetreuungsplätzen entlasten. Mit diesem Vorhaben unterläuft die Staatsregierung ihr angebliches Vorhaben, die Betreuung in den Kindertagesstätten zu verbessern!”
Das Thema, das dahinter so langsam vor sich hin schwelt und das sich dann spätestens beim Schuleintritt der Kinder als Hinkefuß fürs Leben herausstellt – ist die eben nicht ausreichend abgesicherte frühkindliche Bildung. Um deren Absicherung sich das Land Sachsen mittlerweile wie kein anderes herummogelt und einfach auf Zeit spielt.
Die Wege führen zum Sächsischen Finanzministerium
Victoria Jankowicz: “Indem sie Investitionen in frühkindliche Bildung kurz hält, spart die Staatsregierung an der falschen Stelle auf Kosten künftiger Generationen! Dabei begründet Sachsen seine Sparpolitik gerade damit, zukünftige Generationen nicht stärker belasten zu wollen. Sie bürdet damit nicht nur künftigen Landesregierungen – denn bundesweite Qualitätsstandards werden früher oder später kommen – und schon heute den Kommunen höhere Lasten auf, sie versündigt sich damit auch an den Bildungschancen unserer Kinder!”
Womit auch bei der frühkindlichen Bildungspolitik wieder die Handschrift eines Mannes sichtbar wird, der in Sachsen über en wirksamsten aller Hebel – das Geld – regiert: Finanzminister Georg Unland. Er lässt sich um Audienzen bitten, wenn die zustängigen Ministerinnen mit dem gekürzten Budget nicht mehr weiterkommen. Mal gewährt ein ein wenig mehr, mal bleibt er hart, auch wenn der sächsische Haushalt die Spielräume für wichtige Entscheidungen gerade im Personalbereich hat.
Jankowicz zu dieser Politik der gefüllten Fonds: “Die Präsentation eines politischen Tagessiegs mit einer gut gefüllten Kasse scheint der Staatsregierung aber wichtiger zu sein: Allein für firmeneigene Forschungen im Bereich Mikroelektronik stellt Sachsen bis 2024 bis zu 200 Millionen Euro bereit – etwa im Programm ECSEL (Electronic Components and Systems for European Leadership), über das sich auch Unternehmen ihre Projekte zur Hälfte vom Staat fördern lassen können. Das ist nur ein Beispiel dafür, wie das Land seine gute finanzielle Lage dazu nutzt, privatwirtschaftliche Unternehmen bei der Erzielung von Gewinnen zu unterstützen. Dabei wären Investitionen in unsere Kinder die eigentlich wichtigen Zukunftsinvestitionen! Wir fordern, dass die sächsische Opposition dieses Gesetz nicht einfach passieren lässt!”
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