Bereits zum 13. Mal hat die Stadt Leipzig im Kinder- und Jugendreport einen Überblick über die Entwicklungen und Eckdaten der Kinder- und Jugendhilfe gegeben. Ein 270 Seiten dickes Werk, das auch zeigt, wie komplex die Leipziger Jugendhilfe aufgestellt ist - und auch sein muss. Denn soziale Probleme sind immer Familienprobleme. Und an allen Ecken und Enden muss die Stadt helfend tätig werden.
“Zum ersten Mal umfasst der Report neben Daten der Jugendhilfe auch solche aus dem Bereich der schulbezogenen Angebote”, sagt Bürgermeister Thomas Fabian. “Diese Verknüpfung macht den Report zu einem noch besseren Baustein der Sozialplanung und hilft uns dabei, Angebote noch gezielter auf die Bedürfnisse der Leipziger Kinder und Jugendlichen auszurichten.”
Der Bericht beinhaltet neben aktuellen Jahresdaten aus dem Jahr 2013 auch Zeitreihen einzelner Leistungsfelder und stellt somit die Arbeitsweise und Wirkungen der Jugendhilfe transparent dar. Die Darstellungssystematik der Vorjahre hat sich bewährt und enthält Analysen, Befunde und Perspektiven ausgewählter Arbeitsfelder, die auch in diesem Jahr inhaltlich weiterentwickelt wurden.
So findet man auf Seite 40 das Thema “Hilfen zur Erziehung”. Bis zum Jahr 2004 war da ein eher ein rückläufiges Thema. Weniger Kinder bedeuteten eben auch sinkende Hilfsbedürftigkeit. Doch seit 2005 nehmen die Fallzahlen wieder zu und erreichten 2013 einen neuen Höchstwert von 1.972 Hilfefällen für minderjährige Kinder (2012: 1.764) und 105 für volljährige Jugendliche (2012: 95).
Entsprechend steigen auch wieder die Fälle von Inobhutnahmen – von 440 im Jahr 2012 auf 465 im Jahr 2013. Wobei es unterschiedliche Intensitäten der Inobhutnahme gibt. Oft können die familiären Konflikte bereinigt werden. In etliche Fällen ändern sich die Konfliktsituationen aber nicht grundlegend. Ergebnis: “Bei den Inobhutnahmen ist es möglich, dass Kinder und Jugendliche nur einmal in Obhut genommen werden müssen. Allerdings kann es auch sein, dass ein Kind oder ein Jugendlicher innerhalb eines Jahres mehrfach in Obhut genommen werden muss, so dass es zu sogenannten Mehrfachaufnahmen kommt.”
Die meisten Kinder bleiben zwischen 1 bis 14 Tagen in Obhut. Dauerhaft in Obhut genommen wurden 2012 nur 30 Kinder, 2013 waren es 19. Denn Hauptziel ist immer eine Befähigung der betroffenen Familien, Konflikte selbst bewältigen zu lernen. Denn meistens – 2013 in 501 Fällen so registriert – sind es Überforderungen der Eltern, die Kinder in die Betreuungseinrichtungen bringt, in 180 Fällen waren es Beziehungsprobleme. Alles Fälle, in der die Eltern in der Regel Beratung und Begleitung brauchen.
Wesentlich seltener, aber deutlich mit sozialen und finanziellen Problemlagen gekoppelt, sind Fälle von Vernachlässigung (78), Anzeichen von körperlicher bzw. seelischer Behandlung (53) oder Delinquenz der Kinder (52). Aber auch bei Anzeichen für sexuellen Missbrauch der Kinder (11) greifen die städtischen Behörden ein. Eine Vergleichstabelle auf Seite 53 zeigt, dass vor allem Fälle von Überforderung der Eltern, Beziehungsprobleme und/oder Vernachlässigung verstärkt registriert werden. Ein Schwerpunkt der Arbeit des Allgemeinen Sozialdienstes ist dabei augenblicklich der Leipziger Westen.
Ab Seite 166 findet man das wichtige Thema Jugendberatung, das die Stadt gern in einem zentralen “Haus der Jugend” quasi barrierefrei zum Jobcenter ansiedeln möchte – wozu es schon heftigen Widerspruch aus den Stadtratsfraktionen gibt. Denn das System der sechs im Stadtgebiet verteilten Jugendberatungsstellen ohne die auch als bedrohlich empfundene Präsenz der Ämter hat sich bewährt. Die Angebote der freien Träger wurden über die Jahre immer stärker in Anspruch genommen.Von 2.907 im Jahr 2010 stieg die Zahl der Beratungskontakte auf 4.156 im Jahr 2013, just dem Jahr, in dem Stadt und Polizei bärisch stolz ihre Idee vom “Haus der Jugend” proklamierten.
“Der Anteil junger Menschen die selbst Hilfe in Jugendberatungsstellen suchen, nimmt im Unterschied zu Erziehungsberatungsstellen einen breiten Raum ein. Im Jahr 2013 suchten mehr als ein Drittel junger Menschen selbst diese Einrichtungen auf (33,6 %, im Vorjahr 34,7 %)”, heißt es im Bericht. Und noch deutlicher – was ebenfalls gegen die Ansiedlung am Jobcenter spricht: “Während zu den Erziehungsberatungsstellen häufig die Eltern mit ihren Kindern gemeinsam gehen, sind es in den Jugendberatungsstellen oft die jungen Menschen allein, um bei vielen Problemen ihre Eltern nicht ins Vertrauen ziehen zu müssen.”
Die jungen Leute proben hier – tatsächlich ohne die starre Ämterbarriere – den Weg zum selbstbestimmten Lösen von Problemen. Wie bunt die Problemlagen sind, mit denen die Betroffenen vorsprechen, ist auf Seite 173 nachzulesen. “Soziale/Wirtschaftliche Probleme” dominieren zwar die Statistik (261 Fälle). Aber dahinter kommen gleich Probleme des sozialen Verhaltens (120), Opfer-/Zeugenberatung (116), schulische und berufliche Probleme (95) und familiäre Konflikte (50).
Warum man eine Beratungsstelle mit dieser Problembreite und dem so wichtigen Vertrauensverhältnis unbedingt am Jobcenter anbinden will, erschließt sich einfach nicht.
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Und während die Zahl der Beratungen in den Jugendberatungsstellen stieg, sank die Zahl der Anrufe am Kinder- und Jugendtelefon. Das könnte durchaus miteinander zusammenhängen und vom wachsenden Vertrauen, das die Beratungsstellen der Freien Träger genossen, zeugen. Umso unerklärlicher, warum die Stadt dann einigen dieser Freien Träger einfach den Stuhl vor die Tür stellt. Sinnvoll erscheint das nicht.
Das Jugendtelefon wird dadurch nicht überflüssig, denn hier finden Kinder und Jugendliche auch außerhalb üblicher Beratungszeiten Ansprechpartner, die in üblichen Problemsituationen einfach mal zuhören und beraten. Das braucht auch oft einfach den geschützten Raum des Ferngesprächs – wie in Sachen Sexualität (1.468 Fälle im Jahr 2013), Partnerschaft und Liebe (1.277), Probleme in der Familie (703) oder mit der Schule (528). Die Anrufer sind zum größte Teil zwischen 12 und 18 Jahre alt, eben das Alter, in dem diese ganzen Problemfelder akut werden.
Ein weiterer Effekt der wachsenden Kinderzahlen: Das Jugendamt muss öfter Vaterschaftsfeststellungen beurkunden. Was nur auf den ersten Blick dramatisch aussieht. Denn wenn die meisten Kinder unehelich geboren werden, braucht der Knirps natürlich trotzdem einen Nachweis, wer der Vater ist. Und die Väter möchten es in der Regel auch bekundet haben. Und so stieg die Zahl der freiwilligen Vaterschaftsbeurkundungen von 2.135 im Jahr 2011 auf 3.235 im Jahr 2013. Nur in 55 Fällen musste 2013 das Gericht nachhelfen. Und in 21 Fällen war die Vaterschaft nicht feststellbar.
Die Feststellung der Vaterschaft aber ist das eine – ob die Väter dann auch ihren gesetzlichen Pflichten zur Unterhaltszahlung nachkommen, das ist wieder eine andere Frage und beschäftigt das Jugendamt zusätzlich bei Beratungen und bei Zahlungen zum Unterhalt – und bei Eintreiben der Gelder von den Vätern. Immerhin geht ja die Kommune (unterstützt von Bund und Land) in Vorleistung, wenn sie den bedürftigen Müttern die Unterhaltsvorschussleistungen zukommen lässt (2.767 Fälle bei 0- bis 6-jährigen Kindern, 2.363 Fälle bei Kindern von 6 bis 12 Jahren im Jahr 2013). Kleiner Lichtblick: Seit sich die Erwerbssituation in Leipzig spürbar verbessert, verweigern auch weniger Väter den Unterhalt. Im Bericht heißt es dazu: “Die Anzahl der Unterhaltsvorschussempfänger für die Altersgruppe der unter 6-jährigen Kinder ist bis zum Jahr 2010 stetig angestiegen. In den letzten drei Jahren ist hier ein leichter Rückgang festzustellen. Dennoch waren im Jahr 2013 mit 53,9 % mehr als die Hälfte aller Unterhaltsvorschussempfänger Kinder unter sechs Jahren.”
Die Ausgaben für Unterhaltsvorschüsse beliefen sich 2013 auf 7 Millionen Euro, die Rückholquote der Stadt 9,7 Prozent.
Der Leser findet aber neben den Daten zu den nicht ganz unwichtigen Problemlagen auch all die anderen Zahlen zu dem, was die Stadt im Kinder- und Jugendbereich alles tut: Informationen zu Kindertagesstätten und Kindertagespflege, Kinder- und Jugendförderung, Beratungsangeboten, Kindschaftsrecht und Elterngeld sowie zum Allgemeinen Sozialdienst (ASD). Neu in den Report aufgenommen wurden schulbezogene Angebote und Leistungen wie Ganztagsangebote, Schulbibliotheken, Schola Cantorum Leipzig, Schulmuseum, Schulbiologiezentrum, Medienpädagogisches Zentrum sowie die Schulträgeraufgabe der Schul- und Anmeldepflichtüberwachung.
Der Kinder- und Jugendreport 2013 steht zum Download bereit unter:
www.leipzig.de/jugend-familie-und-soziales
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