Am Dienstag und Mittwoch legten die FDP-Fraktion und die Grünen vor, als sie auf eine Nachricht aufsprangen, mit der die Familienfreund KG auf clevere Weise von sich reden machte. Das Problem ist nicht neu. Viele Eltern kennen es aus den Vorjahren: Schon Monate vor dem Schulbeginn im September sind die meisten Kinderbetreuungsplätze in Leipzig ausgebucht. Der Bedarf übersteigt das Angebot bei Weitem.
Die Kitaplatz-Datenbank der Stadt Leipzig funktioniert deshalb nicht. Und frustrierte Eltern bekommen nun auch konkrete Ansagen von der Stadt, dass ihre Anfrage auf einen Betreuungsplatz bis September nicht erfüllt werden kann.
Die öffentliche Diskussion in dieser Form ist auch nicht neu. Außer dass sie in diesem Jahr noch ein bisschen früher einsetzt und auf einmal noch mehr Leute Forderungen an die Stadt haben, sie möge Lösungen anbieten. Auch weil es seit August 2013 einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz auch für Kinder unter 3 Jahren gibt.
In die Diskussion steigen nun auch die anderen Fraktionen ein.
Michael Schmidt, familienpolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, hatte die Haltung seiner Fraktion am Montag so formuliert: “Die Ankündigung von Herrn Dr. Tsapos, die Kommunikation zwischen unversorgten Eltern und Verwaltung zugunsten eines familienfreundlichen Kitaplatz-Vergabemanagements zu verbessern, scheint sich als kompletter Rohrkrepierer herauszustellen.”
Dr. Nicolas Tsapos ist seit dem 1. Februar Leiter des Amtes für Jugend, Familie und Bildung. Ein Riesenamt, in dem in den letzten Jahren Vieles nicht zusammen lief. Gelitten hat darunter logischerweise auch die Kommunikation. Auch die mit den Eltern.
Michael Schmidt: “Als verkündet wurde, dass Familien nicht mehr als Bittsteller bei der Verwaltung aufschlagen sollten, sondern die Verwaltung auf die Eltern eigeninitiativ zugehen würde, dachte man hoffnungsvoll, dass eine neue Art der Kommunikation im Amt für Jugend, Familie und Bildung einkehren würde. Doch weit gefehlt. Die bloße Ankündigung, bis September keinerlei freie Kapazitäten mehr zu haben ohne auch nur irgendeine Alternative aufzuzeigen, macht die Ohnmacht der Verwaltung vor den steigenden Kinderzahlen deutlich und verdeutlicht das Scheitern des Sozialbürgermeisters und des OBM. Jahrelanges Verschlafen und Aussitzen hat dazu geführt, dass trotz bestehenden Rechtsanspruchs selbiger nicht ansatzweise erfüllt werden kann. Noch vor drei Jahren wurde ein Haushaltsantrag unserer Fraktion zur Erhöhung der Investmittel zur Schaffung von Kitaplätzen von den anderen Fraktionen abgelehnt. Immer wieder beteuerte die Verwaltungsspitze, dass der Rechtsanspruch rechtzeitig wird erfüllt werden können.”
Eine Aussage, die in sich widersprüchlich ist. Man kann nicht OBM und Sozialbürgermeister allein verantwortlich machen, wenn auch die Fraktionen unter sich uneins sind, wenn es um die Kita-Finanzierung geht. Und aus Wählersicht wird es schlicht lächerlich, wenn dann Fraktionen, die höhere Investitionen für Kitas nicht mittragen wollten, nun auf die Verwaltung zeigen, die müsse doch bitteschön. Aber irgendwie scheinen auch die Grünen sich diesmal nicht als Fraktion zu verstehen, sondern eher als ein externer Verein, der eine Petition an die Stadt richtet.
So klingt es zumindest, wenn Michael Schmidt formuliert: “Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen fordert sowohl den Dezernenten als auch den Amtsleiter auf, allen unversorgten Eltern sämtliche Alternativen für eine bedarfsgerechte Kinderbetreuung aufzuzeigen, zu denen sie vor dem Hintergrund des Rechtsanspruchs verpflichtet sind, statt abzuwarten und nur den Klage einreichenden Eltern Alternativangebote zu unterbreiten. Die Stadt muss alles erdenkliche tun, um kurzfristig die notwendigen Kapazitäten bereitzustellen. Planungen der freien Träger zum Ausbau der Kitakapazitäten sind mit Hochdruck zu unterstützen und umzusetzen, statt abwartend die weitere Bevölkerungsentwicklung zu beobachten und den Kitaausbau in 2015 auszubremsen. Zudem muss schleunigst unser beschlossener Antrag zum Relaunch des Kitaportals in die Tat umgesetzt werden. – Herr Tsapos steht vor einem wahren Kitadesaster und ist in der Pflicht, schnellstens zu beweisen, dass er der Richtige zur Lösung dieser Probleme ist. Die erst vor drei Wochen vermittelte Aufbruchstimmung wirkt mittlerweile eher wie ein Untergangsszenario mit Kapitulation.”
Ein Tonfall, in den nun auch SPD und CDU mit Freuden einstimmen.Mal angefangen mit der CDU-Fraktion, die sich ganz sicher ist: “Verwaltung muss endlich ihre Pflichtaufgaben erfüllen.”
Am Mittwoch, 12. März, hat sich die CDU in ihrer Fraktionssitzung mit der aktuellen Kitaplatz-Situation in Leipzig beschäftigt.
“Für jedes Kind muss ein Betreuungsplatz zur Verfügung stehen. Dazu stehen wir und das werden wir mit Nachdruck von der Verwaltung einfordern”, erklärte danach die Fraktionsvorsitzende Ursula Grimm. Seit dem 1. August 2013 bestehe ein Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für unter Dreijährige. Die CDU-Fraktion habe bereits im Februar 2013 zur Umsetzung dieses Rechtsanspruchs im Stadtrat nachgefragt.
“Wir stellen fest, dass die Stadtverwaltung bis heute nicht in der Lage ist, ihre gesetzlichen Pflichtaufgaben in diesem Bereich zu erfüllen. Eine derartiges Agieren erfüllt uns mit Fassungslosigkeit”, meint Ursula Grimm.
In fünf Punkten hat die CDU-Fraktion nun ihre Positionen formuliert. Und erstaunlich: Es klingt wie bei den Grünen. “Die Leipziger CDU-Fraktion fordert von der Stadtverwaltung schnelle und unbürokratische Hilfe für alle Eltern, denen bisher kein Betreuungsplatz zur Verfügung gestellt werden konnte. Insbesondere erwarten wir eine bessere Information und Unterstützung der Eltern sowie mehr Kreativität bei der Schaffung von Übergangslösungen. Die Leipziger CDU-Fraktion fordert eine Beschleunigung des Kita-Ausbaus. Auf Wettbewerbe zur Umsetzung stadtplanerischer Blütenträume ist künftig ebenso zu verzichten, wie auf gegenseitige Blockaden durch unkoordiniertes Agieren einzelner Ämter, damit künftig Bauzeiten verkürzt und Kosten minimiert werden können. Darüber hinaus bitten wir die Stadtverwaltung, sich erneut mit dem Vorschlag der CDU-Fraktion von 2011 auseinanderzusetzen, ein Mehrfachverwendungsprojekt ?Leipzig-Kita’ zu entwickeln, um Planungs- und Baukosten bei Neubau von Kindertagesstätten zu reduzieren.
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Die Leipziger CDU-Fraktion fordert eine zügigere Vergabe an freie Träger und schnellere Verhandlungen mit Bauträgern zu den Rahmenbedingungen von Kita-Neubauten, damit diese Potentiale zur Schaffung neuer Kita-Plätze endlich ausgeschöpft werden können. Die Leipziger CDU-Fraktion erwartet von der Stadtverwaltung mehr Sensibilität in der Kommunikation. Das Schönreden der katastrophalen Zustände schafft keinen einzigen Betreuungsplatz sondern Frust bei den Betroffenen. Die Bürger erwarten zu recht klare Perspektiven für die Zukunft und keine Rechtfertigungserklärungen aus dem Rathaus. Die Leipziger CDU-Fraktion erwartet von der Landesdirektion eine kommunalaufsichtliche Prüfung zu den Verantwortlichkeiten für die eingetretene Situation. Das Versagen kommunaler Verwaltungen bei der Erfüllung von Pflichtaufgaben darf nicht toleriert werden.”
Erstaunlich ist nur: Es fehlt jeder Hinweis darauf, dass die vom Bund ausgereichten Investitionsbeihilfen, die mit dieser “Pflichtaufgabe” gekoppelt sind, in Sachsen beim Land hängen bleiben und nur in geringen Teilen an die Kommunen weitergereicht werden. Man kann eine kommunale Verwaltung in Pflichtaufgaben ersticken, wenn man ihr das Geld zur Pflichterfüllung vorenthält. Und dann als Fraktion Forderungen aufstellen – das wirkt eher vereinsmeierisch.
Aber erstaunlicherweise verfällt auch die SPD-Fraktion nun ein bisschen in diesen Ton.
“In Deutschland besteht der Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für alle Kinder ab einem Jahr. Die Stadt Leipzig muss Eltern, die einen Betreuungsplatz für ihr Kind wünschen, einen solchen auch anbieten. Für die SPD-Stadtratsfraktion steht das außer Frage”, meint Christopher Zenker, kita-politischer Sprecher der SPD-Fraktion. Auch er reagiert damit auf die Medienberichte der letzten Tage zum Mangel an Betreuungsplätzen in Leipzig.
Aber er weiß zumindest, was da in den letzten Jahren trotz aller Engpässe passiert ist: Seit 2007 wurden insgesamt 6.642 Plätze in Kindertageseinrichtungen neu geschaffen. Nach Aussagen der Stadtverwaltung soll sich diese Zahl in diesem Jahr noch um weitere 5.500 Plätze in Kindertageseinrichtungen und bei Tagespflegepersonen erhöhen.
“Die gestiegenen Geburten, der Zuzug in unsere Stadt und der daraus resultierende steigende Bedarf an Kinderbetreuungsplätzen wurden von der Stadt lange unterschätzt und das große Maßnahmenprogramm 2014 kommt zwei Jahre zu spät. Dadurch haben wir ganz klar Nachholbedarf. Der Verwaltung muss klar werden, dass diese Mammutaufgabe eine sehr hohe Priorität hat und nur gemeinsam gelöst werden kann. Diese Erkenntnis hat sich dort scheinbar noch nicht überall durchgesetzt. Aus unserer Sicht ist die Zusammenarbeit der am Ausbau der Betreuungsplätze beteiligten Dezernate, allen voran Jugend, Soziales, Gesundheit und Schule sowie Finanzen und Stadtentwicklung und Bau, verbesserungsbedürftig. Dabei muss im Vordergrund stehen, was geht und wie es geht, und nicht, was nicht geht”, so Zenker weiter.
Die SPD-Fraktion habe in dieser Legislaturperiode zahlreiche Anträge und Anfragen zum Thema Quantitäts- und Qualitätsverbesserung der Kindertagesbetreuung in Leipzig gestellt und werde sich auch weiter für dieses Thema im Rat einsetzen. Dadurch hätten beispielsweise Baumaßnahmen vorgezogen und Grundstücke zum Bau von Kindertagesstätten gesichert werden können. Noch so ein Thema, bei dem vor allem das Liegenschaftsamt in der Pflicht ist: Es fehlt oft an geeigneten Flächen für Kita-Projekte. In einigen Stadtteilen ist das mittlerweile sogar das wichtigste Problem.
“Wir können die Verzweiflung und den Frust der Eltern, die auf der Suche nach einem Betreuungsplatz sind, nachvollziehen und nehmen dies sehr ernst. Allerdings ist die Wahlkampfpolemik der Grünen, den neuen Jugendamtsleiter vor’s Loch schieben zu wollen, arg billig und wenig hilfreich”, meint Zenker. “Auch den Grünen hatte ich eigentlich genug Realismus zugetraut, zu wissen, dass Herr Tsapos die Probleme nicht ad hoc in 40 Tagen lösen kann. Wir können nur allen Eltern, die bislang noch keinen Platz gefunden haben, raten, diesen Bedarf gegenüber der Stadt offensiv einzufordern. Von der Stadtverwaltung erwarten wir Kooperationsbereitschaft und Serviceorientierung gegenüber den Eltern.”
Und was lehrt uns das? – Im Schimpfen sind sich augenscheinlich alle einig.
Und alle tun so, als säßen sie nicht in den diversen Ausschüssen, die sich mit dem Thema beschäftigen. Das ist Talkshow, aber keine ernsthafte Politik.
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