Wenn angebliche Kinder sich in einer Notlage melden, sind der Schreck und die Hilfsbereitschaft der Eltern groß: Unter anderem mit dieser Betrugsmasche sollen bundesweit gefälschte Nachrichten versandt und insgesamt zehntausende Euro erschwindelt worden sein. Kurz nachdem der Betrug einen Leipziger erwischt hatte, flogen vier Verdächtige auf. Seit Donnerstag wird ihnen am Landgericht der Prozess gemacht.

Es war ein Erfolg, den die im Sommer 2023 gegründete Ermittlungsgruppe „Schock“ der Leipziger Kripo sowie die hiesige Staatsanwaltschaft, seit 2023 offiziell „Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Verfolgung von Straftaten von besonderer Bedeutung im Bereich der Cyberkriminalität“, Ende Februar vermelden konnten: Rund drei Wochen zuvor hatten Spezialkräfte in Bremen drei Niederländer sowie eine Deutsche gefasst, Ermittler sicherten umfassendes Beweismaterial.

Das festgenommene Quartett soll bereits im Raum Leverkusen und in den Niederlanden tätig gewesen sein: Bundesweit hätten die Verdächtigen demnach ihre Opfer mit gefälschten Nachrichten kontaktiert und teils erfolgreich zu Geldüberweisungen veranlasst.

Gefälschte Banknachrichten und vorgetäuschte Notlagen

Staatsanwältin Sibylle Zwanzger warf der mutmaßlichen Bande im Alter zwischen 20 und 31 Jahren am Donnerstag vor, ab Mitte Januar 2024 in wechselnder Beteiligung SMS verschickt zu haben, die Bankkunden das Ablaufen ihrer Legitimation für die Sicherheits-App vorgaukelten. Klickten die Betroffenen den sogenannten Phishing-Link an und tippten ihre Kontodaten ein, wurden sie dann nach Kenntnis der Ermittler von den Angeklagten telefonisch kontaktiert.

Sogleich schnappte die Falle auch schon zu: Nicht zuletzt durch geschickte Gesprächsführung und vermeintliche Hilfsbereitschaft der angeblichen Bankangestellten seien unter dem Vorwand der App-Aktivierung im Hintergrund tatsächlich Überweisungsaufträge auf Fremdkonten veranlasst worden. Der entstandene Schaden soll unter Einbezug von nicht erfolgten Überweisungen und Rückbuchungen bei rund 171.600 Euro liegen. Die Anklage umfasst 41 Fälle.

Darüber hinaus soll der Angeklagte Sjakiel B. (23) auch für Nachrichten verantwortlich sein, bei denen man sich gegenüber Geschädigten als deren Kind ausgab und darum bat, via WhatsApp Kontakt aufzunehmen. Unter der Vortäuschung, es würde in einer Notlage unterstützt, flossen hier laut Anklage vierstellige Geldsummen aus ganz Deutschland, insgesamt fast 7.500 Euro. Am Vormittag des 17. Januar erwischte der Betrug Herrn P., einen Leipziger, der im guten Glauben, seiner Tochter bei ausstehenden Rechnungen zu helfen, 1.935 Euro freigab.

Geständnisse gegen Strafrabatt: Kommt es zu einem Deal?

Im Ergebnis eingeleiteter Ermittlungen, die auch verdeckte Überwachungsmaßnahmen umfassten, zog sich das Netz um die mutmaßliche Täterbande dann enger. Am 6. Februar 2024 wurden die Niederländer Sjakiel B. (heute 23), Richneldrick C. (heute 25), Damien A. (heute 31) sowie die Deutsche Chaymae B. (heute 20) in Bremen auf frischer Tat gestellt. Gegen das Quartett erging Haftbefehl. Bis auf die jüngste der Angeklagten sitzen diese auch nach wie vor in Untersuchungshaft.

Die 3. Strafkammer des Landgerichts Leipzig hat nun einen längeren Prozess mit vielen potenziellen Opfern vor sich, bei denen Schuldfrage und Tatbeteiligung zu klären sind. Nicht zuletzt sind Verfahren dieser Art auch ein organisatorischer Kraftakt für die Justiz, da die Tatverdächtigen teils aus verschiedenen Gefängnissen zur Verhandlung nach Leipzig gebracht werden müssen.

Dieser Umstand hatte am Donnerstag dazu geführt, dass sich der Verhandlungsbeginn am Morgen um etwa 30 Minuten hinauszögerte. Ein nicht-öffentliches Rechtsgespräch zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung nach dem Vortrag der Anklage ergab zunächst noch keinen konkreten Deal, welches Strafmaß das Quartett erwarten könnte.

Wegen der Vielzahl der Fälle sind im Falle eines Schuldspruchs wegen banden- und gewerbsmäßigen Betrugs nach Gerichtsangaben immerhin bis zu 15 Jahre Haft möglich. Dem Vernehmen wird die Kammer einen Vorschlag unterbreiten, inwieweit sich glaubhafte Geständnisse und die Absicht zur Wiedergutmachung des Schadens eventuell strafmildernd auswirken. Das könnte zudem das komplizierte Verfahren abkürzen. Zumindest die Angeklagte Chaymae B. hat auch kundgetan, sich zu den Vorwürfen noch äußern zu wollen.

Der Prozess wird in einer Woche fortgesetzt, anberaumt aktuell 14 weitere Termine bis 4. April 2025.

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