Im Jahr 2020 flog die sogenannte Fahrradgate-Affäre auf, die Polizei und Ermittlungsbehörden in Bedrängnis brachte. Rund viereinhalb Jahre und massenhaft eingestellte Verfahren später verurteilte das Landgericht eine wegen unter anderem wegen Bestechlichkeit angeklagte Polizeibeamtin (47) zu einer Geldstrafe von 17.100 Euro.
Sie gilt als Schlüsselfigur in der sogenannten Fahrradgate-Affäre: Die angeklagte Polizistin Anke S. wurde am Dienstag durch das Leipziger Landgericht nach monatelanger Verhandlung wegen Bestechlichkeit, Urkundenfälschung und Verwahrungsbruchs zu einer Geldstrafe von 380 Tagessätzen à 45 Euro verurteilt, außerdem die Einziehung von 3.885 Euro verfügt.
Angeklagte wies persönliche Bereicherung zurück
Die ursprüngliche Anklageschrift der Generalstaatsanwaltschaft gegen die vom Dienst suspendierte Polizeihauptmeisterin ging noch von 155 Tatkomplexen aus, bei denen zwischen 18. August 2024 und 26. November 2018 mehr als 260 Fahrräder aus polizeilicher Sicherstellung an Dritte weitergereicht worden seien, meistens innerhalb der Polizei selbst. Letztlich wurde ein Teil dieser Vorwürfe eingestellt, es blieben knapp 70 davon übrig.
Als frühere Leiterin der Asservatenkammer galt Anke S. als zentrale Person, welche die Vergabe der Räder eingefädelt habe. Während der Hauptverhandlung im Landgericht kristallisierte sich stark heraus, dass die Zustände offenbar lange Zeit chaotisch waren, nachdem immer mehr Räder bei der Polizei eingelagert wurden. In den meisten Fällen hätten weder die früheren Besitzer noch die Versicherungen Interesse an einer Rücknahme der Räder gezeigt, gab Anke S. zu Protokoll.
Sie hatte jede persönliche Bereicherungsabsicht zurückgewiesen, vielmehr habe sie nur das Beste gewollt und sei von der Rechtmäßigkeit ihres mit Vorgesetzten abgestimmten Handelns ausgegangen, so Anke S. vor Gericht. Dagegen nahm die Anklage an, dass die heute 47-Jährige die Veräußerung der Räder fälschlich als Überlassung an gemeinnützige Vereine deklariert habe, zudem soll sie in einem Teil der Fälle Spenden von zumeist 50 Euro verlangt haben.
Im Lauf der Zeit hätten sich mindestens 4.795 Euro aufsummiert, von denen Anke S. wenigstens 3.000 Euro in die eigene Tasche gewirtschaftet habe. Eine Spur hatte zu einem Gartenverein geführt, deren Vorsitzender der Vater von Anke S. war.
Kontrollmangel, Fehlorganisation und Gedankenlosigkeit
In ihrem Urteil hielt die Strafkammer der Angeklagten dann auch strafmildernd zugute, dass sie als Einzelne mit ihrer Verantwortung zunehmend überfordert gewesen sei. Ein System aus Fehlorganisation, Gedankenlosigkeit und mangelnder Kontrolle innerhalb der später aufgelösten „Zentralen Bearbeitung Fahrradkriminalität“ hätte das Geschehen zumindest begünstigt, sagte der Vorsitzende Richter Rüdiger Harr in der Urteilsbegründung am Dienstag. Trotzdem hätte es so nie passieren dürfen, dass die Räder so ohne Weiteres herausgegeben werden.
Das Gericht ging aber von einem minderschweren Fall aus und wich damit von der Anklagebehörde ab. In deren Namen hatte Staatsanwalt Christian Kuka 16 Monate Haft auf Bewährung gefordert. Die Verteidigung hielt dagegen, dass Anke S. durch das jahrelange Verfahren und dessen Folgen ohnehin schon abgestraft sei. Rechtsanwalt Erik Bergmüller hatte eine Geldstrafe von maximal 360 Tagessätzen für seine Mandantin beantragt, die keineswegs mit krimineller Energie agiert habe.
Sie selbst sprach davon, dass es ihr körperlich und mental nicht gut ginge, sie sei in psychologischer Behandlung.
Berufliche Zukunft der angeklagten Polizistin offen
Über die berufliche Zukunft der seit 2020 suspendierten Polizeihauptmeisterin muss separat auf dem Dienstweg entschieden werden. Bei einer Freiheitsstrafe (auch mit Bewährung) ab einem Jahr bzw. sechs Monaten (im Fall der Bestechlichkeit) schreibt das Gesetz vor, das Arbeitsverhältnis automatisch zu beenden. Das würde hier, sofern das Urteil Bestand hat, nicht greifen. Gegen dieses kann noch Revision eingelegt werden.
Die weiteren Ermittlungen in Sachen „Fahrradgate“ gelten laut Generalstaatsanwaltschaft indes als so gut wie abgeschlossen. Die Verfahren gegen 189 Verdächtige auf Seiten der Abnehmer sind überwiegend eingestellt, zum Teil gegen Geldauflagen. Ein weiteres Verfahren gegen einen Polizeikollegen von Anke S. steht aktuell noch aus.
Der Prozess gegen sie lief ursprünglich im März 2024 an, platzte dann aber überraschend, weil der erste Verteidiger von Anke S. sein Mandat niederlegte. Kurz darauf fand sich mit Erik Bergmüller ein neuer Beistand für Anke S., sodass der Prozess im Mai noch einmal startete.
Keine Kommentare bisher