Der Leichnam trieb gefesselt und halbnackt im Wasser des alten Kornspeichers: Nach dem brutalen Mord am 25 Jahre alten Daniel P. im Sommer 2023 hat das Leipziger Landgericht nun seine Entscheidung gefällt. Die Strafkammer verurteilte den 20-jährigen Kevin R., einen Bekannten des Opfers, am Montag unter anderem wegen Mordes zu neuneinhalb Jahren Freiheitsentzug. Wegen seiner Reifedefizite kam das mildere Jugendstrafrecht zur Anwendung, sodass es nicht das volle Paket der lebenslangen Haft gab, anders als bei Mord im Erwachsenenstrafrecht.

Der Schuldspruch war keine Überraschung, allein das genaue Strafmaß war zuletzt noch offen: Kevin R. muss wegen heimtückisch begangenen Mordes sowie Unterschlagung, Computerbetrugs und falscher Verdächtigung für neuneinhalb Jahre in den Jugendstrafvollzug. Der unscheinbare junge Mann auf der Anklagebank nahm die Urteilsverkündung am Montag im Leipziger Landgericht ohne äußere Regung auf.

Angeklagter fühlte sich sexuell ausgenutzt und betrogen

Im seit Ende Mai laufenden Prozess hatte der heute fast 21-Jährige mit einigen Widersprüchen eingeräumt, für den gewaltsamen Tod seines Bekannten Daniel P. verantwortlich zu sein. Der 25 Jahre alte Vater eines kleinen Kindes habe ihm ein Darlehen über 6.000 Euro in Aussicht gestellt, so Kevin R., damit er sich den Traum von einem eigenen Moped erfüllen könne.

Letztlich habe er aber erkannt, dass er nur hingehalten wird, weil die versprochene Zahlung der 6.000 Euro sich mit diversen Ausflüchten mmer wieder verschob, sagte der Angeklagte. Über das Geld hatte Daniel P. wohl in Wahrheit nie verfügt: Die angebliche Erbschaft von Mutter und Oma war offenbar schlicht eines seiner vielen Lügenkonstrukte, mit denen sich der aus Sachsen-Anhalt zugezogene Wahl-Leipziger und Gelegenheitsjobber laut Zeugen durch sein Leben schlug.

Der bisexuelle Mann soll den sehnlichen Moped-Wunsch seines jüngeren Kumpels bewusst ausgenutzt haben, indem er ihn viermal zum gemeinsamen Geschlechtsverkehr brachte. Kevin R. machte dies nach eigener Aussage mit, obwohl er sich eher zu Frauen hingezogen fühle, noch nie mit einem Mann intim war und die Verliebtheit von Daniel P. so nicht erwiderte. Umso mehr habe seine Wut keine Grenzen mehr gekannt, als er realisierte, dass er getäuscht und sexuell ausgenutzt worden war, gab Kevin R. zu Protokoll.

„Er war wütend und wollte ihn bestrafen“

Daraufhin lockte er Daniel P. in eine Falle: Mit der vermeintlichen Aussicht auf ein erotisches Abenteuer fuhren die zwei Bekannten am Abend des 28. Juni 2023 per Auto zum alten Getreidespeicher am Lindenauer Hafen, wo Daniel P. sich in Vorbereitung des vermeintlichen Liebesakts zunächst bereitwillig ausgezogen und auch die Fesselung mitgemacht habe.

Der etwas unheimliche Tatort: ein verlassener und schwer zugänglicher ehemaliger Getreidespeicher. Foto: Lucas Böhme

Doch statt eines amourösen Spiels wurde der Vater eines heute knapp 4-jährigen Jungen dann in den etwa 3 Meter tiefen Wasserschacht gestoßen: Von diesem Tathergang zeigte sich auch das Gericht am Ende überzeugt. „Er war wütend und wollte ihn bestrafen“, fasste der Vorsitzende Richter Bernd Gicklhorn das Tatmotiv von Kevin R. zusammen.

Anders als die Staatsanwaltschaft sah das Gericht aber mit Heimtücke nur ein Mordmerkmal erfüllt, da Daniel P. seinem Mörder offenbar völlig arglos gefolgt war. Zwar hatte Kevin R. anschließend die EC-Karte des Getöteten an sich genommen und später 550 Euro von dessen Konto bei der Sparkasse abgehoben.

Jedoch sei nicht erwiesen, dass der Wunsch nach Bereicherung im Vordergrund des brutalen Verbrechens gestanden habe. Daher entfielen die Mordmerkmale Habgier und Verdeckung einer Straftat. Generell habe Kevin R. bei seinem Vorgehen eher eine gewisse Planlosigkeit an den Tag gelegt, sein Opfer wohl zunächst nur zur Rede stellen und irgendwie für seine Lügen bestrafen wollen – auch mit körperlicher Misshandlung.

Gericht: Angeklagter ließ keine Reue erkennen

Eine besondere Schwere der Schuld sah das Gericht auch nicht gegeben. Folglich lag der Strafrahmen für den Mord nach dem Jugendstrafrecht bei maximal zehn Jahren, für dessen volle Ausschöpfung Staatsanwältin Katharina Thieme und die Nebenklage plädiert hatten. Dass der Angeklagte aufgrund zahlreicher Brüche in seinem Lebenslauf und psychischer Auffälligkeiten keinem Erwachsenen im Reifegrad gleichgestellt werden kann, war für alle Beteiligten unstrittig. In diesem Sinne hatte auch ein psychiatrischer Gutachter ausgesagt.

Die Kammer blieb vor allem wegen des Geständnisses noch ein halbes Jahr unterhalb der zehn Jahre Strafvollzug. Gegen Kevin R. spreche gleichwohl aber eine gewisse Kaltschnäuzigkeit, die sich etwa darin zeigte, dass er nach der Tat gezielt Beweismittel vernichtete und mit einem Kumpel sogar nochmal zum Tatort zurückkehrte. Zudem bezichtigte er fälschlich zunächst einen anderen Bekannten des Mordes an Daniel P.

Verteidiger Dr. Malte Heise hatte achteinhalb Jahre Haft gefordert und auch nach Ende des Prozesses noch einmal auf die Reifedefizite seines Mandanten hingewiesen, der sich der Tragweite seiner widerlichen Tat bis heute noch nicht bewusst sei. Im letzten Wort vor dem Urteil sprach der junge Mann gefasst ins Mikrofon, dass er den Weg der Aufarbeitung und Rehabilitierung mit dem heutigen Tag antreten wolle.

Das dürfte ein langer Weg werden, wie auch das Gericht hervorhob: Im Prozess jedenfalls habe Kevin R. keine wirkliche Reue erkennen lassen. Tränen in den Augen habe er nicht etwa gehabt, als es um das qualvoll erstickte Opfer ging, dessen Kind seinen Vater nie kennenlernen wird, sondern erst während der Plädoyers, als die Anklage die Höchststrafe forderte.

Gegen das Urteil kann noch Revision eingelegt werden.

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