Die vorgeworfenen Taten liegen bis zu 21 Jahre zurück, die mutmaßlichen Opfer sind längst erwachsen: Ein Leipziger Familienvater soll zwischen 2003 und 2012 dutzendfach minderjährige Mädchen missbraucht haben, teilweise sind auch Vergewaltigungen angeklagt. Erst Jahre später hätten sich die Betroffenen schließlich offenbart. Seit Donnerstag wird dem heute 52-jährigen Leipziger am Landgericht der Prozess gemacht.

Angeklagter soll Nähe der Mädchen ausgenutzt haben

Die Anklageschrift gegen Haiko G., die Staatsanwältin Linda Ullmann am Donnerstagmorgen im Leipziger Landgericht vortrug, umfasst insgesamt 45 Tatkomplexe, die sich zwischen 1. September 2003 und 31. Dezember 2012 in den damaligen Leipziger Wohnungen des heute 52 Jahre alten Haiko G. abgespielt haben sollen.

Demnach hätten sich die zum Tatbeginn zwischen acht und zwölf Jahre alten Mädchen, deren Eltern mit dem Angeklagten bekannt waren, öfter bei ihm aufgehalten und auch übernachtet. Dies, so die Anklage, habe der heute geschiedene Familienvater für sein „ausgeprägtes sexuelles Interesse an minderjährigen Mädchen“ genutzt. Vorgeworfen wird ihm unter anderem schwerer sexueller Missbrauch von Kindern, sexuelle Nötigung und Vergewaltigung.

Schockierende Tatvorwürfe über mehr als neun Jahre

So soll es zunächst zwischen 2003 und 2007 wiederholt zum Missbrauch eines Mädchens gekommen sein, bei dem Haiko G. sich etwa zu ihr ins Bett gelegt, sie geküsst und intim berührt haben soll. Zudem habe er sie aufgefordert, ihn zu stimulieren. Als sie Geschlechtsverkehr mit ihrem Peiniger ausdrücklich ablehnte, habe Haiko G. dies lapidar mit den Worten „Dann machen wir weiter wie bisher“ kommentiert.

Ähnlich perfide sei der mutmaßliche Täter vorgegangen, als er von Ende 2010 bis Ende 2011 ein weiteres Opfer trotz heftiger Gegenwehr zu entkleiden versucht habe, zudem habe er unter anderem Oralverkehr erzwingen wollen. Aus Angst, sie könne ihn verraten, habe Haiko G. das arglose Mädchen mit der Drohung zum Schweigen gebracht, den Eltern zu erzählen, sie würde sich „unten anfassen.“

Bei weiteren Taten zwischen 2010 und 2012 soll Haiko G. immer wieder ähnliche Handlungen vollzogen haben. Eines der Opfer habe er gezielt festgehalten und sein Bein auf ihres gelegt, um es an einer Gegenwehr zu hindern, während er das hilflose Kind missbrauchte. Auch habe er das Opfer erpresst, den Eltern gegenüber zu behaupten, dass sie rauchen würde, damit sein brutales Treiben nicht auffliegt. Einmal schlief sein jüngster Sohn während einer Missbrauchshandlung im gleichen Zimmer und sei wachgeworden, woraufhin Haiko G. vom Opfer abgelassen habe, heißt es.

Opfer sollen jahrelang geschwiegen haben

Der psychische Druck des Angeklagten auf die Kinder verfehlte seine Wirkung laut Annahme der Behörden zunächst nicht: Viele Jahre lang hätten die betroffenen Mädchen von damals, die heute zwischen 22 und 31 Jahre alt sind, aus lauter Angst und Scham geschwiegen. Erst mit großem zeitlichen Abstand soll sich eine der Geschädigten schließlich offenbart und die Ermittlungen ins Rollen gebracht haben. Mehrere der mutmaßlichen Opfer treten im Prozess als Nebenklägerinnen auf und sind anwaltlich vertreten.

Auf Anregung der Nebenklage schloss das Gericht am Donnerstag die Öffentlichkeit nach dem Verlesen der Vorwürfe vom weiteren Prozess aus: Dies solle die Privatsphäre sowohl der Belastungszeuginnen als auch des Verdächtigen schützen, erklärte der Vorsitzende Richter Carsten Ruge. Da persönlichste Details verhandelt werden, genieße die Wahrung von Persönlichkeitsrechten Vorrang gegenüber einem öffentlichen Informationsinteresse.

Für den Strafprozess sind derzeit sieben weitere Verhandlungstage geplant, ein Urteil könnte im November fallen.

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