Während Staatsanwaltschaft und Verteidigung plädierten, kämpfte der Angeklagte mit den Tränen: Fast auf den Tag genau zwei Jahre nach einem vorgeworfenen Übergriff im Leipziger Palmengarten sprach das Landgericht den 51-Jährigen am Freitag vom Vorwurf der schweren sexuellen Nötigung und Körperverletzung frei. Zu groß waren die Zweifel vor allem an der Hauptbelastungszeugin, die den Mann beschuldigte, sie in der Nacht verfolgt und überfallen zu haben.

Irgendwann am 8. August 2022 kreuzten sich die Wege von Petrica G. (heute 51) und Katja F. (heute 52, Name geändert). Stunden später endete die Begegnung mit einem Polizeieinsatz im Palmengarten: Doch sehr viel mehr war es nicht, wovon das Landgericht nach zweitägiger Hauptverhandlung felsenfest überzeugt war. Dem Angeklagten Petrica G. wurde Freitagmittag ein Freispruch verkündet, für den sowohl sein Verteidiger als auch die Staatsanwältin plädiert hatten.

Aussagen gingen diametral auseinander

Die Vorwürfe der Anklageschrift hatte Petrica G. schon zum Auftakt der Verhandlung vor einer Woche energisch zurückgewiesen: Demnach soll der 51-jährige Rumäne am Abend des 8. August 2022 der ihm unbekannten Katja F. vom Leipziger Stadtzentrum aus gegen 23 Uhr Richtung Palmengarten gefolgt sein.

Dort habe er die damals 50-Jährige überwältigt, sich über sie gebeugt, entkleidet und Oralsex zu erzwingen versucht. Dies sei aber an der heftigen Gegenwehr der Frau gescheitert. Als ein Pärchen eingriff, kam es dann offenbar zu einem Handgemenge mit dem Mann, in dessen Verlauf dieser Verletzungen davontrug.

Völlig anders hörte sich das Geschehen beim Angeklagten an: Nach seiner Darstellung habe er Katja F. beim abendlichen Bier am Hauptbahnhof kennengelernt, sie habe ihn angetänzelt und angelächelt, sagte der Rumäne, der zuletzt im Westen Leipzigs gewohnt und auf einer Baustelle gearbeitet hatte. Schließlich sei man mit der Bahn Richtung Palmengarten gefahren. Oralsex für 20 Euro habe Katja F. ihm geboten, gab Petrica G. zu Protokoll.

Widersprüchliche Angaben der Zeugin

Doch das Verhalten und die widersprüchlichen Aussagen der Belastungszeugin stellten letztlich den zentralen Grund dar, dass auch die Anklage von ihren Vorwürfen Abstand nahm: Man könne ein einvernehmliches Handeln jedenfalls nicht ausschließen, räumte Staatsanwältin Jana Kalex in ihrem Schlussplädoyer ein. Zwar habe der Angeklagte mit seiner Version, wonach gar kein sexueller Kontakt zustande kam, womöglich auch nicht die ganze Wahrheit erzählt – darauf könnten DNA-Spuren und die Aussage der Zeugen hindeuten, die am Ende intervenierten, nachdem sie verdächtige Geräusche gehört hatten.

Jedoch habe sich Katja F. widersprüchlich geäußert, indem sie beispielsweise vorübergehend Schläge des Angeklagten mit einem abgebrochenen Flaschenhals erwähnte. Gleichwohl wurde ein solches Tatwerkzeug vor Ort nie gefunden, auch ein einschlägiges Verletzungsbild ist nicht dokumentiert. Zudem soll sie eine Hinzuziehung der Polizei und eine ärztliche Untersuchung zunächst abgelehnt haben. Auch zu weiteren Details lieferte die Chemnitzerin während der Ermittlung widerstreitende Versionen ab.

Psychische Auffälligkeiten

Sie gab zuletzt an, am fraglichen Abend wegen eines Ehekrachs aufgewühlt gewesen und von Chemnitz aus in Leipzig „gestrandet“ zu sein, wo sie auf den Angeklagten traf, der sie angequatscht und verfolgt habe. Dass sie in dieser Situation aber den belebten Innenstadtbereich verlassen haben will, um am Elsterwehr in den schlecht beleuchteten Palmengarten abzubiegen, statt sich Hilfe zu suchen, sei wenig plausibel, befand die Anklagevertreterin: „Es entspricht nicht der Lebenserfahrung, dass man im dunklen Park auf hilfsbereite Personen trifft.“

Auch soll sich die Zeugin psychisch auffallend verhalten haben. Die Aussage des Angeklagten, von ihr angetänzelt worden zu sein, deckte sich mit der Beobachtung von Polizeibeamten, die am Elsterwehr nach dem Notruf im Einsatz waren: „Sie ist da sehr aufgewühlt herumgesprungen, hat dann auf einmal mit Tanzen und Singen angefangen, ist dann wieder herumgedreht“, sagte ein Polizist (38) im Zeugenstand aus. Sein Kollege (34) erinnerte sich, dass sie zunächst euphorisch und dann wieder abweisend gewesen sei, polizeiliche Unterstützung abgelehnt und zusammenhanglos geredet habe.

Vermeintliche Notwehrsituation bejaht

Verteidiger Andreas Meschkat schloss sich der Staatsanwaltschaft an, wies darauf hin, dass Belastungszeugen gerade in Aussage-gegen-Aussage-Konstellationen besonders intensiv zu prüfen seien. Im konkreten Fall habe Katja F. auch in der Vernehmung vor Gericht sofort mit der „Gegenoffensive“ gearbeitet, indem sie unangenehme Nachfragen abblockte. Letztlich gäbe es nichts, was ihre Darstellung untermauere. „Es passt alles nicht zusammen“, so das Fazit des Anwalts.

Die Strafkammer stimmte diesen Argumenten zu und sprach Petrica G. frei. Dies umfasste auch einen Angriff des Angeklagten auf den Zeugen, der gemeinsam mit seiner Freundin eingeschritten war. Zwar habe der junge Mann wohl in der besten Absicht gehandelt, einen Sexualstraftäter dingfest zu machen, als er Petrica G. ergriff. Der Verdächtige habe im Gerangel aber womöglich geglaubt, man habe ihn in eine Falle gelockt und ausrauben wollen, wie er und sein Verteidiger andeuteten. Insofern sei das Handeln vom Notwehrrecht gedeckt.

Gericht: Es fehlt der Beweis

Darüber hinaus habe es eventuell tatsächlich sexuellen Kontakt zwischen Petrica G. und Katja F. gegeben, es fehle aber der Beweis, dass es gegen den Willen der Frau geschehen sei. Deren Aussage sei aus mehreren Gründen nicht glaubhaft, sagte der Vorsitzende Richter Robby Bauer. Der Angeklagte, der erst Ende März 2024 in Frankreich gefasst worden war, konnte den Gerichtssaal als freier Mann verlassen.

Über seine Zukunftspläne äußerte der zweifache Vater, zurück zu seiner derzeitigen Freundin nach Rumänien zu gehen und wieder in Frankreich arbeiten zu wollen. Für die Auslieferungs- und Untersuchungshaft steht ihm eine finanzielle Entschädigung aus der Staatskasse zu, welche auch die Verfahrenskosten tragen muss.

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