Der Prozess gegen den früheren „Kinderzimmer-Dealer“ Maximilian S. und vier weitere Männer könnte bald zu einem Abschluss gelangen. Am Mittwoch nahm ein Mann auf dem Zeugenstuhl Platz, von dem sich die Ermittler mehr Auskünfte erhofften: René K. hatte eine Wohnung in der Franz-Flemming-Straße vermietet, die als Bunker für Drogen gedient haben soll. Doch ist strittig, ob die Aussage des Zeugen verwertet werden darf.
„Wir führen seit über einem Jahr ein Verfahren unter anderem gegen Herrn R. wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz“ – mit diesen Worten sei ihm erläutert worden, warum er zu einer Vernehmung bei der Polizei antanzen musste, erinnerte sich René K. am Mittwoch im Zeugenstand.
Denn der 54-Jährige soll 2019 eine Wohnung in der Franz-Flemming-Straße an den Rechtsanwalt André R. (43) vermietet haben. André R. sitzt nun auf der Anklagebank des Landgerichts, weil er die Anmietung der Wohnräume für seinen Mandanten und Mitangeklagten Friedemann G. (36) übernommen habe.
Der langjährige Klient seiner Kanzlei betrieb laut Anklageschrift gemeinsam mit Maximilian S. (28) einen illegalen Online-Drogenshop namens „Candylove“, der zwischen 2019 und 2021 über 20 Kilo Rauschmittel versandt haben soll. Anwalt André R., der nun selbst rechtlichen Beistand benötigt, hatte durch seinen Verteidiger Andrej Klein sämtliche Vorwürfe bestritten, er habe von nichts gewusst und nichts mit der Nutzung der Drogenverstecke zu schaffen gehabt.
Streitpunkt TKÜ: Verteidigung sieht Beweisverwertungsverbot
Der Knackpunkt: Die Drogenfahnder der Polizei, die 2019 durch einen anonymen Tipp auf den virtuellen BTM-Handel aufmerksam geworden waren, hatten erst durch Maßnahmen der Telekommunikationsüberwachung (TKÜ) von der Existenz des Vermieters André K. erfahren. Die Verteidigung im Prozess argumentiert, die TKÜ sei unzulässig gewesen, weil Gespräche zwischen dem angeklagten Anwalt R. und dessen mitangeklagtem Mandanten belauscht worden seien.
Doch das Verhältnis zwischen Rechtsanwalt und Mandant ist durch die Gesetzgebung unter besonderen Schutz gestellt. Somit dürften auf diese Art gewonnene Erkenntnisse nicht als Beweis verwertet werden.
Frage nach Anmietung zurückgewiesen
Entsprechend dürftig fielen am Mittwoch auch die Auskünfte des Zeugen vor der 8. Strafkammer aus, in denen er sich im Wesentlichen darauf beschränkte, wie es zur Zeugen-Vorladung bei der Polizei gekommen war und wie er die Vernehmungssituation durch die Beamten erlebte.
Der Versuch von Staatsanwalt Christian Kuka, den Zeugen dazu zu befragen, wie es 2019 zur Anmietung der fraglichen Wohnräume gekommen war, wurde sofort abgeschmettert. Die Kammer ließ die Frage zunächst nicht zu, es solle nun noch ein Grundsatzbeschluss gefasst werden, kündigte der Vorsitzende Richter Rüdiger Harr an. Eventuell würde der Vermieter dann noch einmal für eine weitere Zeugenaussage einbestellt.
Maximilian S. soll Bandenkopf gewesen sein
Momentan bleibt also offen, ob und inwieweit die Aussage des Wohnungsvermieters in die Beweisverwertung einfließen kann. Dabei dürfte sie durchaus interessant sein, da André K. zufällig die Nutzung der Wohnräume in der Franz-Flemming-Straße herausbekommen haben soll. Entsprechend alarmiert sei die mutmaßliche Bande gewesen, von der die Staatsanwaltschaft in ihrer Anklageschrift ausgeht.
Die Ankläger sehen Maximilian S. als deren Kopf an, der sich spätestens Ende 2018 mit Friedemann G. und besagtem Anwalt André R. zum Verkauf illegaler Rauschmittel zusammengetan haben soll. Der 28-Jährige, der schon 2015 als „Kinderzimmer-Dealer“ für Wirbel gesorgt hatte und mit seiner Story sogar den Streaming-Anbieter Netflix inspirierte, hatte seine Beteiligung an der Plattform eingeräumt, will seine Rolle aber auf Programmierung und technische Fragen beschränkt haben.
Prozess womöglich bald abgeschlossen
Demnach lernte er Friedemann G. noch während Verbüßung seiner Jugendstrafe von sieben Jahren im offenen Vollzug kennen und ließ sich auf dessen Idee ein, Drogen über das Internet anzubieten.
Friedemann G. hat diese Version in seinem Geständnis weitgehend bestätigt. Während Rechtsanwalt André R. jede Mitwisserschaft und Beteiligung abstreitet, hatten zwei weitere Männer auf der Anklagebank bereits eingeräumt, sich 2019 vorübergehend am „Business“ beteiligt zu haben, indem sie Bestellungen abarbeiteten.
Jens M. (40) und Julius M. (24) könnten voraussichtlich mit Bewährung davonkommen, während Friedemann G. aktuell ohnehin eine Haftstrafe in anderer Angelegenheit absitzen muss, die „aufgestockt“ werden könnte. Maximilian S., derzeit noch auf freiem Fuß, müsste nach aktuellem Stand mit mehreren Jahren im Strafvollzug rechnen.
Noch im Mai könnten, wenn alles gutgeht, die Plädoyers im Prozess beginnen. Ursprünglich waren Termine bis Ende Juni für die Verhandlung geplant.
Es gibt 2 Kommentare
Hallo Michel, vielen Dank für Ihren Kommentar.
Für uns als Redaktion ist es eine Prinzipienfrage, das wir gewisse Grundstandards in der Berichterstattung einhalten, zumal bei einem aktuell Angeklagten, der bislang nicht verurteilt ist (siehe auch die Problematik offenes Archiv im Netz vs. Recht auf Vergessen). Wie er sich selbst in die Öffentlichkeit gestellt hat und wie es andere Medien handhaben, ist uns an dieser Stelle egal.
Mit besten Grüßen
Lucas Böhme
Welchen Sinn es hat, einen bundesweit bekannten Dealer, der sich sogar in einer Netflix-Serie selbst gefeiert hat und überall mit Namen und Gesicht bekannt ist, hier zu verpixeln, erschließt sich mir nicht ganz. Und auch das “Verschweigen” des Nachnamens wirkt vor diesem Hintergrund eher grotesk.
Vielleicht erklärt die Redaktion dies mal, denn mein Verstand und mein logischen Denken reichen wohl nicht ganz aus, um das zu verstehen.