Fast genau ein Jahr nach einer brutalen Auseinandersetzung am Leipziger Hauptbahnhof, die ein Todesopfer forderte, muss sich der mutmaßliche Täter seit Montag wegen Totschlags vor dem Landgericht verantworten. Doch bereits jetzt ist klar: Die Verteidigung sieht die Anklage aus mehreren Gründen als nicht haltbar und arbeitet auf einen Freispruch hin.
Es war eine zehn Zentimeter lange Metallklinge, die am späten Abend des 21. August 2021 kurz vor 23:30 Uhr einen jungen Mann im Bürgermeister-Müller-Park nahe dem Leipziger Hauptbahnhof in den rechten Brustkasten traf und dessen Lungenflügel verletzte. Das 21 Jahre alte Opfer sackte zusammen und verstarb später im Krankenhaus.
Nur kurze Zeit später verhafteten die Behörden einen Landsmann des getöteten Somaliers als Tatverdächtigen. Der heute 29-jährige Khadar Ahmed Y. habe den Tod seines Kontrahenten vorhergesehen und zumindest billigend in Kauf genommen, warf Staatsanwalt Moritz Diekmann dem Angeklagten vor. Der Attacke soll damals eine Auseinandersetzung mehrerer Personen vorausgegangen sein. Die genauen Hintergründe sind bisher unklar.
Welche Rolle spielte ein ärztlicher Behandlungsfehler?
Der Haken bei der Sache: Der Notarzt beging an jenem Abend bei der Not-Beatmung des schwer verletzten Opfers offenbar einen Fehler. Georg K. Rebentrost, Pflichtverteidiger des Angeklagten, verkündete daher in einer Vorab-Erklärung, den aus seiner Sicht unhaltbaren Vorwürfen der Staatsanwaltschaft im Prozess entgegentreten zu wollen. So wäre der Verstorbene ohne die fehlerhafte Behandlung beinahe vollständig genesen, der Tod des 21-jährigen könne seinem Klienten nicht zugerechnet werden, führte der Anwalt aus.
Zudem habe sein Mandant keinerlei Aggressionsneigung und sei immer wieder Übergriffen des getöteten Mannes ausgesetzt gewesen, der demnach wegen Delikten wie Körperverletzung und Raub polizeibekannt war. Auch der Messerstich habe der Verteidigung gegen einen akuten Angriff gedient, sei mithin als Notwehr gerechtfertigt. Einen Tötungsvorsatz von Khadar Ahmed Y. gab es laut Rebentrost nie.
Prozess bis Dezember geplant – Angeklagter schweigt vorerst
Ob es letzten Endes für eine Verurteilung reichen wird, muss nun die Beweisaufnahme zeigen. Die 16. Strafkammer um den Vorsitzenden Richter Hans Weiß hat sich viel Zeit genommen, um den Verlauf des Geschehens zu klären: Aktuell sind noch 13 Verhandlungstage bis einschließlich 19. Dezember geplant.
Der Angeklagte selbst möchte sich auf Anraten der Verteidigung derzeit nicht persönlich zur Anklageschrift äußern – er behielte sich diese Option aber womöglich für einen späteren Zeitpunkt vor, sagte sein Anwalt am Montag.
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