Es ist nun bereits einige Tage her, als am 5. Oktober 2021 ein Vorgang via Instagram-Video bekannt wurde. Der Musiker und Schauspieler Gil Ofarim sitzt in diesem vor dem Eingang des Hotels „Westin Leipzig“ und spricht indirekt über Antisemitismus. Gegenüber ihm habe ein Hotelmitarbeiter verlangt, er solle seinen Davidstern ablegen, bevor er einchecken könne. Zwischenzeitlich hat der Mitarbeiter eine Verleumdungsanzeige gegen ihn gestellt, während Gil Ofarim noch keine Strafanzeige stellte. Am heutigen Dienstag, 12. Oktober 2021, soll es so weit sein.
Vieles rings um den Vorfall in der Lobby des Leipziger „Westin“, welcher es bis in die US-Nachrichten von CNN schaffte, ist noch immer unklar. Dass es einen Vorfall gab, bestreitet hingegen niemand der Beteiligten. Am Abend des 4. Oktober 2021 reiht sich nach einem Produktionstag beim Mitteldeutschen Rundfunk (MDR) Gil Ofarim in die Warteschlange am Checkin-Schalter des Hotels ein und wartet.Rund 15 Minuten soll es gedauert haben, mehrere andere Hotelgäste werden – hinter ihm in der Reihe stehend – vor ihm drangenommen. Man habe die Schlange „entzerren“ wollen, wird es später heißen – Ofarim empfindet schon diese für ihn undurchsichtige Praxis als merkwürdig.
Als er dran ist, folgt die Szene, die mittlerweile als Video bei der Polizei Leipzig liegt und Aufklärung verschaffen soll. Ofarim behauptet, hier wird er aufgefordert, seinen Davidstern abzunehmen, der mittlerweile neben einem weiteren beurlaubten Mitarbeiter des Hotels agierende Nachtportier bestreitet das. Ob jemals herauskommt, was er nun genau gesagt hat, könnte im Dunkel bleiben: die Überwachungskamera hat keine Tonaufzeichnung, das gesprochene Wort wird so geschützt und der Angestellte wird sich kaum selbst belasten.
Vielmals ist im Netz bereits die Hoffnung auf eine Perspektive geäußert worden, dass man zumindest mittels Lippenlesung die Worte erkennen könnte. Doch auch die Stellung der Kamera könnte dem Mitarbeiter zugute kommen – für gewöhnlich ist die Perspektive der Kameras in solchen Fällen der Gast, nicht die Angestellten.
Spontanes Video oder die LVZ-Version?
Was zu Gil Ofarim und seinen Blick auf das Geschehen führt. Die LVZ vom 7. Oktober 2021 schildert sein angebliches Verhalten so: „Ofarim dreht daraufhin entrüstet ab, fährt ins Steigenberger Hotel am Markt, nur um daraufhin wieder zum Westin zurückzukehren, wo er sein mittlerweile im Internet drei Millionen Mal abgerufenes Video aufzeichnet und den Vorfall schildert.“
Darüber hinaus zeichnet an diesem Tag die Zeitung ein Bild vom „Westin“, welches einen solchen Vorgang als eher nicht möglich erscheinen lässt: der Hotelmanager ist mit Küf Kaufmann (Vorsitzender der Jüdischen Gemeinschaft Leipzig) bestens bekannt und auch das Weggehen vom Hotel und dies „nur um daraufhin wieder“ zum „Westin“ zurückzukehren, um sein Video zu machen.
Das Problem dabei: Das Management bestreitet diese Version der Geschichte, die weniger nach entrüstetem Video und mehr nach Kalkül klingt, wie auch die Aufzeichnung des Videos am 4. Oktober und die Publikation auf Instagram am 5. zu Spekulationen einladen könnte.
„Herr Ofarim ist nicht zurückgekehrt, sondern hat das Hotel verlassen und dann draußen das Video aufgezeichnet. Erst anschließend wurde er von der Produktion in ein neues Hotel gefahren.“, so seine Managerin Yvonne Probst gegenüber LZ.
Überdies sei die Aufnahme des Videos erst am 5. Oktober online gegangen „da am Abend des Vorfalls Instgram/ Facebook ausgefallen waren.“. Ein Ausfall, über den unzählige Medien berichtet hatten.
Und noch etwas ist, mit der Begründung, schnell für Aufklärung zu sorgen, ungewöhnlich. Die Hotelgruppe beauftragte laut übereinstimmenden Medienberichten am 6. Oktober 2021 eine Anwaltskanzlei, um eigene Nachforschungen anzustellen und sogar Zeugen zu befragen. Ein Vorgang, wie ihn die deutsche Strafverfolgung normalerweise nicht kennt: hier ermittelt die Polizei, nachdem die Staatsanwaltschaft sich nach einer ersten Strafanzeige via Onlinewache zuschaltete und sonst niemand.
Auch die einseitige Zeugenbefragung ist heikel: ob hierbei Beeinflussungen stattfinden oder sich Zeugen nach solchen Gesprächen an mehr oder eben weniger erinnern als vorher, ist nicht ausgeschlossen. Das Management von Gil Ofarim hat hier Vertrauen. „Zeugen sind dazu verpflichtet, die Wahrheit zu sagen.“, so Probst. Die Gefahr der Beeinflussung sähe sie nicht.
Der Ankündigung folgt nun die Anzeige
„Am morgigen Dienstag“, lautet die einfache Antwort auf die Frage vom Montag, 11. Oktober 2021, wann genau nun die angekündigte Strafanzeige von Gil Ofarim folgen wird. Man habe mittlerweile ebenfalls einen Anwalt eingeschalten, der sich um die „komplette Kommunikation und alle Informationen“ kümmern wird. Zur rechtsradikalen Security, welche das „Westin“ mit dem Schutz wegen der Protestkundgebung am 5. Oktober 2021 beauftragte, möchte sich das Ofarim-Management nicht äußern – dies habe man lediglich aus den Medien erfahren.
Die Kundgebung selbst, so lange sie friedlich ablaufe, sei wichtig und es sei „wichtig auf das Thema Antisemitismus hinzuweisen. Solche Vorfälle darf es einfach nicht mehr geben. Niemand sollte aufgrund seiner Herkunft, Religion, Sexualität oder anderer Dinge diskriminiert werden. Das ist das, wofür Gil sich einsetzt“, so Managerin Yvonne Probst abschließend.
Ob der Vorfall vom 4. Oktober selbst hingegen wirklich aufklärbar ist, wird sich noch zeigen müssen. Richtet sich Ofarims Anzeige heute gegen die des Hotelmitarbeiters, stünde erstmals auch auf dem Papier Aussage gegen Aussage.
Das bislang zuständige Hotelmanagement oder eine zuständige Stelle des „Westin“ ließ die Nachfragen der LZ vom 9. Oktober 2021 am gestrigen Montag noch unbeantwortet.
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