Mit Evaluation haben es sächsische Innenminister nicht so. Sie packen ihre Wunschliste für die sächsischen Doppelhaushalte einfach mit lauter technischen Spielzeugen voll, die ihnen clevere Geschäftsreisende bei einem freundlichen Bürobesuch aufgeschwatzt haben. Und dann wird das technische Spielzeug einfach angeschafft, auch wenn kein Mensch jemals dessen Nutzen für die Polizeiarbeit belegt hat: TKÜ, Precops, Bodycams, Survivors, jetzt auch noch Drohnenabwehrtechnik für 7,5 Millionen Euro. Ist Sachsen im Drohnenkrieg?

Bei jeder Verkündung sächsischer Innenminister hat man das Gefühl, allein mit Griff nach neuer Technik und neuen Ausnahmebefugnissen könnte die hiesige Polizei die Verbrechen in den Griff bekommen. Doch die 2018 auf Druck des damaligen Innenministers Markus Ulbig (CDU) eingeführte Waffenverbotszone in Leipzig war eine eindeutige Kompetenzüberschreitung, wie das OVG inzwischen festgestellt hat.Ob sie wirksam war, weiß kein Mensch. Die Evaluation soll ja erst fertiggestellt werden. Aber die Leipziger Stadtratsmehrheit sieht schon jetzt, dass dieses Einmischungsinstrument der sächsischen Innenpolitik reif ist für die Abschaffung und hat den OBM beauftragt, sich für deren Abschaffung einzusetzen.

Was die 2018 angeschaffte Vorhersage-Software PreCops gebracht hat, weiß kein Mensch. Die letzte Nachricht dazu gab es – 2018. Danach herrschte Schweigen im Wald. Und von der Technischen Kommunikationsüberwachung (TKÜ) im Gemeinsamen Kompetenz- und Dienstleistungszentrums (GKDZ), das seit 2017 aufgebaut werden sollte, lautete die letzte Nachricht aus dem Sommer 2020: „Das GKDZ befindet sich in der Aufbauphase und hat den Probe- bzw. Wirkbetrieb noch nicht aufgenommen.“

Da es öffentliche Berichtspflichten für dieses technische Überwachungszentrum nicht geben soll, wird man möglicherweise auch nie wieder etwas davon hören, außer jährliche Antworten diverser Innenminister, die erklären, dass sie nichts sagen dürfen. Womit auch jedes Instrument fehlt, den Sinn diese Einrichtung zu evaluieren und die berechtigte Frage zu stellen: Könnte die Arbeit der Polizei nicht einfach durch eine bessere Vernetzung der Betriebssysteme der Bundesländer hergestellt werden?

Denn die eigentliche Ermittlungsarbeit wird immer vor Ort von echten Polizist/-innen erledigt. Sofern sie da sind. Doch das Fehlen dieser Beamt/-innen kann durch noch mehr teure Technik nicht kaschiert werden. Und seit Sachsen wieder mehr Polizisten im Dienst hat, geht das Straftatenniveau spürbar wieder zurück.

Aber wenn die Kriminellen weniger werden, brauchen Innenminister augenscheinlich neue Betätigungsfelder.

Am 26. Januar 2021 berichtete nun die Freie Presse über Pläne des Innenministers Roland Wöller, für 7,5 Millionen Euro Drohnenabwehrtechnik für die sächsische Polizei anzuschaffen. Das Innenministerium erläuterte, dass der Drohnenabwehr bei der „Bekämpfung der Schwerkriminalität und der Abwehr terroristischer Aktionen“ eine „stetig wachsende polizeitaktische Rolle“ zukomme und „eine abstrakte und konkrete Bedrohung durch Drohnen […] mittlerweile allgegenwärtig“ sei.

Mit der Behauptung, dass Sachsens Polizei terroristische Bedrohungen abwehren müsse, wurden ja auch schon die beiden gepanzerten Survivors R angeschafft (die beiden gepanzerten Fahrzeuge mit dem seltsamen Sachsen-Wappen auf den Sitzbezügen). Das Innenministerium meldete damals: „Seit 2015 sind in die Sicherheitsausstattung der sächsischen Polizei rund 21,5 Millionen Euro investiert worden. Das Geld floss unter anderem in die Beschaffung von gepanzerten Fahrzeugen, Stichschutz- und Schutzwesten, ballistischen Helmen, Mitteldistanzwaffen und neuen Dienstpistolen.“

Mit dem Verweis auf Terrorgefahr kann man augenscheinlich jede teure Anschaffung begründen.

„Bei Vorrichtungen zur Drohnenabwehr handelt es sich um Systeme, welche durch aktive Maßnahmen, z. B. GPS-Signal-Beeinflussung oder mittels Fangnetz, in der Lage sind, eine Drohne am unberechtigten Weiterflug zu hindern. Das zu beschaffende System soll aus den Einzelkomponenten, Erfassungssystem, Wirkmittel (mechanisch und elektromagnetisch) sowie Übungsmaterial bestehen“, erklärt Innenminister Roland Wöller auf eine Anfrage der linken Landtagsabgeordneten Juliane Nagel hin.

Was freilich die Drohnengefahr betrifft, zeichnen die Antworten Wöllers ein völlig anderes Bild. Demnach kann der Innenminister „weder im Freistaat Sachsen noch bundesweit“ auch nur eine einzige Straftat anführen, die mithilfe von Drohnen verübt wurde. Eine fundierte abstrakte oder konkrete Gefahrenprognose abseits eines Verweises auf die „stetige Entwicklung neuartiger Drohnen und deren Leistungssteigerung in Kombination mit ihrer einfachen Handhabung“ bleibt er ebenfalls schuldig, kritisiert die Landtagsabgeordnete.

„Es ist absurd, dass die Staatsregierung auch mit ihrem neuen Doppelhaushalt die soziale und gesundheitliche Infrastruktur nicht ausreichend finanzieren wird, aber plötzlich 7,5 Millionen Euro zur Bekämpfung einer nicht begründeten ,Gefahr‘ durch Drohnen bereitstellen will“, sagt Juliane Nagel.

„Der entlassungsreife Innenminister will sich aus seiner geschwächten Stellung heraus offenbar verzweifelt als Macher inszenieren. Ohne valide Prognose spricht er von einer Gefährdung durch Drohnen in Verbindung mit Schwerkriminalität oder terroristischen Aktionen.“

Was das Malen von düsteren Schreckensbildern betrifft, sind Sachsens Innenminister ja geübt seit PreCops und TKÜ. Wöller: „Personen und Sachen, aber auch ,Kritische Infrastrukturen‘ müssen vor Drohnenangriffen geschützt werden. Die stetige Entwicklung neuartiger Drohnen und deren Leistungssteigerung in Kombination mit ihrer einfachen Handhabung zeigen mögliches Gefahrenpotential dieser Technologie. Die Staatsregierung steht zu diesem Thema mit anderen Bundesländern in engem Austausch.“

Was man als diskreten Hinweis auf die regelmäßigen Treffen der Innenminister mit einem CDU- und CSU-Parteiausweis interpretieren darf. Diese Runde der tapferen Kämpfer gegen das Verbrechen hat ihre ganz spezielle Sichtweise auf die Themen Ordnung und Sicherheit und ist geübt darin, das Land durch allerlei Extremisten, Fundamentalisten und Terroristen jederzeit bedroht zu sehen.

„Anstatt viel Geld für die Anschaffung einer Drohnenabwehr auszugeben, obwohl noch keine einzige Straftat in Sachsen mithilfe von Drohnen begangen wurde, sollte Wöller sich auf seine Kernaufgaben als Innenminister konzentrieren“, meint Juliane Nagel. „Dazu gehören zum Beispiel das Ergreifen wirksamer Maßnahmen gegen Racial Profiling und die Stärkung der interkulturellen Kompetenz der Polizei.“

Und die Kontrolle der bewaffneten Spezialkräfte (MEK) könnte man hier ebenso nennen.

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