In den vergangenen Tagen hat es jede Menge Falschmeldungen, Halbwahrheiten und vor allem wohl verschobene Wahrnehmungen rings um das Silvester-Geschehen am Connewitzer Kreuz gegeben. So war bis zu einem auf L-IZ.de beschriebenem Augenzeugen-Video unklar, was genau beim Übergriff auf die drei Beamten stattgefunden hat. Es beendete die halben Tatsachen der Polizei und viele Medienspekulationen. Dass man bereits vor und natürlich nach dem Übergriff am 1.1.2020 um 0:15 Uhr auf drei Einsatzbeamte nicht von einer normalen Absicherung eines Silvesterfestes durch die Polizei sprechen kann, zeigen die Gespräche mit Augenzeugen und L-IZ.de-eigene Videos vom 1. Januar 2020.
Eigentlich beginnt die Silvesternacht 2019/20 an mehreren Eckpunkten neuerer Polizeigeschichte in Leipzig. So unter anderem bereits in der Nacht vom 9. auf den 10. Juli 2019. In der Hildegardstraße/Ecke Eisenbahnstraße protestieren bis zu 500 spontan zusammengekommene Menschen (erfolglos) gegen die Abschiebung eines 23-jährigen Kurden. Neben der offenkundigen Sinnfreiheit, einen ausbildungswilligen jungen Mann von seiner in Leipzig anerkannt lebenden Familie zu trennen, um ihn nach Spanien in die Perspektivlosigkeit auszufliegen, zeigen Videos von dem dann folgenden Polizeieinsatz erstmals die neue, eskalative Gangart der Beamten in Leipzig.Sie erfolgt nach dem sogenannten „Nulltoleranz-Prinzip“, welches der seit Februar 2019 im Amt befindliche Polizeipräsident Torsten Schultze mit einer jederzeit gewährleisteten „Sicherheit“ gleichsetzt.
Statt einem geschlossenen Vorgehen kommt es am 9. Juli 2019 erstmals in Leipzig wieder zu regelrechten Jagd- und Prügelszenen, mindestens ein Beamter begeht vor laufender Handykamera des Landtagsabgeordneten Marco Böhme (Linke) eine schwere Körperverletzung, indem er einen sichtlich passiv agierenden Mann über ein Fahrrad schleudert. Ein anderer Beamter tritt anlasslos eine Mülltonne um, ein weiterer Mann liegt bereits hilflos am Boden, als ein Einsatzpolizist nach ihm tritt. (siehe Video).
Vorfälle in der Hildegardstraße am 9. Juli 2019 gegen Ende der 1:35 Minuten. Video: Marco Böhme (MdL, Die Linke).
Und auch ein vor Ort berichtender L-IZ-Journalist bekommt einen gezielten Schlag von einem vorbeieilenden Beamten gegen den Arm, mit dem er sein Handy hält. Das gebrochene Frontglas erinnert ihn seither an den Vorfall (hier seine Beschreibung der Nacht).
Als Auslöser der polizeilichen Eskalation, bei welcher massiv Pfefferspray eingesetzt wurde und es zu Verletzungen und Sachschäden aufseiten der Demonstranten kam, stellte sich ein einzelner Flaschenwurf heraus – Vorwürfe wegen angeblich blockierter Einsatzfahrzeuge, verletzter Polizisten und Rettungskräfte oder gar „massiver Bewurf“ lösten sich anschließend in Luft auf. Stattdessen stehen nun zwei Demonstrationsteilnehmer vor Gericht. Der Vorwurf: Landfriedensbruch und natürlich „Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte“. Die Zeugen: wohl ausschließlich Polizeibeamte.
Auch im Nachgang an eine Leipziger Spontan-Demonstration am 10. Oktober 2019 gegen den rechten Anschlag in Halle kam es – wohl auch aufgrund der Abwesenheit von Presse – zu immer seltsameren Erklärungen der Polizei. Wie auch nach der Silvesternacht meldete sich Sachsens Innenminister Roland Wöller zu Wort und verbreitete offensichtliche Falschinformationen in diesem Zusammenhang über einen Brand.
Konsequenzlose Polizeigewalt
Alle Vorfälle polizeilicher Gewalt können zudem kaum zur Sprache kommen, da es in Sachsen vor allem auf Betreiben der CDU entgegen jahrelanger Forderungen noch immer keine wirklich unabhängige Beschwerdestelle gibt, welche solchen Fällen polizeilicher Gewalt der Einsatzbeamten nachgehen würde. Das Verhalten der Beamten hat somit auch bei Körperverletzungen keine Konsequenzen, denn man beschwert sich praktisch bis heute bei der Polizei über diese.
Nahezu immer wird bei vorliegenden Beschwerden nicht nur mit einer Gegenanzeige gegen den Beschwerdeführer reagiert; es geht schließlich um die Laufbahn des betroffenen Beamten und es finden sich immer ausreichend Beamten der eigenen Einsatzeinheit, welche bezeugen, dass es vorher einen Angriff gegeben habe oder der Kollege in Notwehr handelte. Selbst wenn es gelogen ist, wie im Fall eines Beamten, welcher bei einer NoLegida-Demonstration im Januar 2015 bei einer Blockaderäumung einen hinter ihm stehenden Fotografen angriff und anschließend in Notwehr gehandelt haben wollte. Die Falschbezeugungen seiner Kollegen flogen nur auf, weil ein Filmteam des ZDF die Szene festhielt.
Konsequenzen, wie sie jeder Bürger (hier in Uniform) bei Falschbezeugungen auch gerichtlich zu erwarten hätte, blieben für die Beamten aus. Gleichzeitig tat sich da das erste Mal in Leipzig ein Fall auf, der bei näherer Betrachtung auch dazu führen kann, dass Aussagen von Einsatzbeamten vor Gericht irgendwann wertlos werden könnten.
Nimmt man diese Umstände als ein Gesamtbild, dürfte sich von selbst erklären, warum sich nach solchen Erlebnissen kaum Vertrauen in polizeiliches Handeln herstellen oder wieder aufbauen lässt. Während mit dem neuen Polizeigesetz seit Anfang 2020 Angriffe auf Polizisten noch härter geahndet werden können, fehlt das Gegengewicht für betroffene Bürger/-innen, wenn Beamte übergriffig werden.
Im Gegenteil: beschweren sie sich, müssen sie mit einer Gerichtsverhandlung gegen sich selbst rechnen, da dann der Gegenvorwurf erhoben wird, einen Polizisten attackiert zu haben. Zeugen finden sich dafür schließlich immer in den eigenen Reihen der Polizei, schon der Corpsgeist gebietet, dann den Kollegen nicht „hinzuhängen“. Alles andere gilt als Verrat.
Somit stehen selbst massive Körperverletzungen über die „einfache Gewaltausübung“ (Festhaltegriffe, Abwehr von Angriffen, Ingewahrsamnahmen) hinaus am Ende in keiner Statistik, werden nicht geahndet. Und die Polizei kann ihren Handlungsspielraum Stück um Stück ausdehnen – bis hinein in eigene Straftaten ohne Konsequenzen.
Dass die Polizei selbst diese grundlegenden Probleme nicht verstanden hat, zeigt beispielsweise eine Facebookantwort des „Social Media“-Teams der Polizei Sachsen vom 4. Januar 2020. Hier heißt es: „Was uns als Social Media Team auch wundert ist, dass es aus einem überschaubaren Personenkreis Vorwürfe in Richtung der Polizei gibt, jedoch keinerlei Belege bisher dazu auftauchten. Weder Videos, noch konkrete Personen, die diesbezüglich Vorwürfe erheben irgendwie davon betroffen gewesen zu sein. Das ist sehr ungewöhnlich.“
Nein, ist es nicht. Es hat sich herumgesprochen, dass es sinnlos ist.
Verschiedene Wahrnehmungen einer Nacht
Zum Zeitpunkt der nachfolgend geschilderten Vorgänge weiß am 1. Januar 2020 nur ein geringer Teil der rund 1.000 Silvester Feiernden auf dem Kreuz, dass gegen 0:15 Uhr auf der Höhe des Gemüsestandes ein brutaler Übergriff auf drei Polizeibeamte stattgefunden hat. Die Polizei hingegen handelt jedoch unter dem Eindruck dieses Vorfalles und sicher auch des Brandanschlags vom 29. Dezember 2019 auf Pkw an der Hans-Driesch-Straße.
Ein Kommunikationsteam hat die Polizei in dieser Nacht offenkundig nicht vor Ort. Oder die Beamten, welche sonst gelbe Markierungen und eindeutige Schriftzüge auf den Rücken tragen, haben sich so gut versteckt, dass es auch Journalisten nicht finden können.
Niemand kommuniziert seitens der Polizei also aktiv, was geschehen ist, keiner der von der L-IZ.de selbst befragten Personen, die vor Ort waren oder wir (zwei Reporter der L-IZ.de) haben irgendeine Durchsage seitens der Polizei gehört. Schweres Gerät, wie noch vor zwei Jahren der Polizeipanzer oder Wasserwerfer, kommt nicht zum Einsatz. Stattdessen gehen die einzelnen Polizeigruppen über die Suche nach den am Überfall beteiligten Gewalttäter hinaus zu einzelnen Attacken auf Gruppen und Personen über.
Auf Menschen also, die in der Mehrzahl nichts von dem etwa 10 Sekunden andauernden Übergriff von 0:15 Uhr wissen und nun ohne vorherigen Hinweis selbst involviert werden. Wie die Entlassungen aus den kurzzeitigen Verhaftungen noch in der gleichen Nacht zeigen, rennen gepanzerte Polizisten schon bereits bei kleinsten Anlässen in Gruppen hinein, springen Menschen an und stoßen wahllos Personen beiseite.
Gleich mehrere Zeugen und nun auch PARTEI-Stadtrat Thomas Kumbernuß (nochmals am 3. Januar 2020 auf Radio Blau, hier nachzuhören) bestätigen gegenüber L-IZ.de, dass es aufseiten der Polizei am 1. Januar 2020 von etwa 0:20 Uhr bis etwa 2 Uhr auf dem Connewitzer Kreuz zu polizeilichen Übergriffen über Festnahmen hinaus und zu unterlassener Hilfeleistung kam. Ein Mann, welchen die Polizei in Gewahrsam nehmen wollte, bleibt am Ende der Maßnahme bewusstlos am Boden liegen, so Kumbernuß.
Er selbst versucht, die Beamten auf die Bewusstlosigkeit hinzuweisen, leistet erste Hilfe, schildert das Erwachen des Mannes, als ob er von Mike Tyson K.O. geschlagen worden wäre. Orientierungslos, taumelnd und am Ende durch andere Umstehende ins Krankenhaus gebracht. Kumbernuß spricht aus seiner Wahrnehmung heraus von unterlassener Hilfeleistung durch die Beamten, die sich entfernen, keinen Rettungswagen rufen oder sich um ärztliche Hilfe bemühen.
Dass sie ihn nicht in Gewahrsam nehmen, führt Kumbernuß auf seine Bekanntheit – durch etliche Demonstrationsanmeldungen – bei der Leipziger Polizei und seine Funktion als Stadtrat zurück.
Der bewusstlose Mann hingegen wird nicht der einzige Zivilist bleiben, der in der Silvesternacht körperliche Schäden durch die Polizei erdulden muss. Und diese nicht zur Anzeige bringen wird, auch die Zeugen, mit denen die L-IZ.de sprechen konnte, werden sich nicht bei der Polizei melden. Nicht zuletzt, weil keiner der oft vermummten und behelmten Beamten in solchen Einsätzen einzeln identifizierbar ist. Und eine wirklich unabhängige Beschwerdestelle nicht existiert und so mit jeder Zeugenaussage die Adresse und der Name des Beschwerdeführers auch bei den eventuellen Tätern aus Polizeikreisen landen können.
Eine andere Szene aus dem etwa eine Stunde andauernden Chaos am Kreuz schildert ein weiterer Zeuge gegenüber L-IZ.de so: Aus einer stehenden Einsatzeinheit löst sich am Rande des Platzes ohne einen Anlass ein Beamter, geht ruhigen Schrittes auf einen Mann zu, der als „betrunkener Punker, der einfach vorbeigeht“ beschrieben wird und stößt ihn um. Der Mann stürzt zu Boden, schimpft lautstark, während sich der Beamte wieder in seine Einheit eingliedert.
Eine Frau, welche am Silvesterabend in der Nähe des Übergriffes auf die drei Polizeibeamten steht, beobachtet später, wie ein Beamter in einem regelrechten Hechtsprung eine Person zu Boden reißt. Eine Erfahrung, die bei den meist locker 90 bis 110 Kilo schweren Einsatzbeamten mit regelmäßigem Training immer schmerzhaft ist. Den Vorgang selbst beschreibt sie wie einen Überfall. Urplötzlich taucht eine Gruppe Beamter im Nebel der Silvesterböller auf und rennt in am Rand stehende Menschenansammlungen hinein, stößt, schlägt, reißt an Personen herum.
„Was ist hier los?“
Aufgrund der fehlenden Informationen ist dies die meist gestellte Frage in der Silvesternacht am Connewitzer Kreuz. Mehrfach begegnen den L-IZ-Journalisten bis etwa 2 Uhr Frauen, die am Boden kauern, weinen, manche halten sich den Arm oder den Bauch wegen der Schmerzen. Andere Menschen schreien Polizeibeamte an, mindestens einmal versucht ein Mann mit hochgestreckten Händen einen anderen zu schützen, der sich am Boden krümmt, während sich weitere Menschen um ihn kümmern.
„Kollateralschäden“ einer Nacht, in welcher die Beamten ganz offenkundig weitere Gewalt nach dem Angriff auf ihre Kollegen als gerechtfertigter ansehen, als denen, die wie jedes Jahr friedlich am Kreuz feiern wollten, dies zu ermöglichen. Denn entgegen des seit Monaten auch via LVZ und anderer Medien betriebenen Framings des „gewaltbereiten Connewitz“ (zuletzt sogar in der Tagesschau, als Claudia Reiser vom MDR behauptet, die Connewitzer würden Kräne anzünden), stehen hier Partygäste des Werk 2 ebenso auf dem Platz wie Familien, teils mit Kindern, und alte Leute. Und sie alle sehen heranstürmende Polizeibeamte, die zuschlagen.
Diese scheinen längst das Bild im Kopf zu haben, dass hier eine gewaltbereite Masse auf sie wartet, deren einziges Ziel ein Angriff auf die Polizei ist.
So lesen sich dann auch die teils erschreckend unprofessionellen und halbwahren Äußerungen der Polizei aus dem Social Media-Team, die Pressemitteilung des Morgens ist gespickt mit falschen Informationen („Not-Operation“, wo eine eigene Nachfrage im Krankenhaus genügt hätte), namentliche Nennung von Menschen, die sich kritisch auf Twitter zum Einsatzgeschehen äußern in Pressemitteilungen oder gar (siehe Facebook-Screenshot) das gern verbreitete Märchen, Polizisten seien stets „neutral“.
Chaotische Szenen und zwei Festnahmen am 1. Januar nach 1 Uhr am Connewitzer Kreuz. Video: L-IZ.de
Wo soll die Spirale enden?
Innenminister Roland Wöller (CDU) möchte den Silvester-Einsatz nun „aufarbeiten“. Druck dazu gibt es vor allem aus linken, grünen und SPD-Kreisen. Dass auch diese „Aufarbeitung“ im Sande verlaufen dürfte, zeigen die Vorzeichen. Denn ohne einen grundlegenden Neuansatz wird nicht nur die Diskriminierung der Connewitzer (die übrigens in einem friedlicherem Viertel als andere Leipziger wohnen) weitergehen, auch die Anlässe für gegenseitige Vorwürfe werden nicht weniger werden.
Wenig hilfreich in diesem Zusammenhang auch, dass Leipzigs neuer Polizeipräsident Torsten Schultze einräumt, selbst nicht am Connewitzer Kreuz gewesen zu sein.
Leider handelt es sich zudem mit Roland Wöller um den amtierenden Minister, der für die Polizei selbst bereits in der vergangenen Regierungslegislatur zuständig war und auch in der Kenia-Koalition weiterhin ist. Und somit ein Vertreter der Partei, die seit Jahren all die Möglichkeiten abwehrt, welche es mit namentlichen Kennzeichnungen von Polizisten, einer wirklich neutralen Beschwerdestelle und einer besseren Fehlerkultur in Polizeikreisen gäbe.
Bereits ein (dringend nötiger) Unterricht der Polizeianwärter in Sachen Presserecht war ein jahrelanges Tauziehen mit seinem Vorgänger Markus Ulbig (CDU).
Zudem hat Leipzig seit Februar 2019 einen Polizeipräsidenten, welcher am 3. Januar 2020 in einem „Zeit“-Interview Gewalttäter als „Unmenschen“ bezeichnete und sich damit auf das gleiche entmenschlichende Niveau herablässt, welches das Wort „Bullenschweine“ derjenigen zeigt, die gewalttätige Polizisten verachten. Im Wunsch sich vor seine Beamten zu stellen, eskaliert Schultze also selbst.
Angesichts der 2019 längst eingetretenen Gewaltspirale seit der Hildegardstraße, diesen Verbalausfällen des höchsten Polizeivertreters Leipzigs und der Vorgänge am Kreuz ist es fast so weit, dass ausgewiesene Datenschutzfreunde für Bodycams bei jedem Einsatzpolizisten sind. Nur, um zumindest dadurch eine weitere Hemmschwelle auf allen Seiten der Beteiligten einzubauen.
Der andere Weg wäre ein stärkerer Dialog, welcher jedoch bislang eher scheiterte. Das Gespräch am 29. Juli zu den Vorfällen in der Hildegardstraße war laut der Teilnehmer von „Leipzig nimmt Platz“ „ein erster Schritt dahin, eine kritische Selbsteinschätzung des polizeilichen Handelns in dieser Nacht vermissen wir allerdings weiterhin.“ Schultze hingegen hatte im Nachgang betont, dass „insbesondere Einigkeit über die herausgehobene Bedeutung von Kommunikation“ bestanden habe.
Nach Silvester steht man also wieder am gleichen Punkt und ist wohl keinen Meter weitergekommen. Eher das Gegenteil ist der Fall.
Stattdessen Wahlkampf …
Klarstellen muss man, dass vor und nach der Oberbürgermeister-Wahl am 2. Februar 2020 eben nicht ein(e) Leipziger Oberbürgermeister/-in für „Sicherheit in Leipzig“ sorgt, sondern genau jener Polizeipräsident Torsten Schultze, das LKA Sachsen sowie das Innen- und Justizministerium samt aller angeschlossenen Abteilungen und Behörden bis hin zum Verfassungsschutz. Der gleiche Polizeipräsident also, welcher bei seinen Beamten in der Silvesternacht wie auch in der Hildegardstraße keine Fehler sehen konnte.
Und der nach Informationen der L-IZ.de weitaus weniger kooperativ mit der Stadt Leipzig im Vorfeld von Großlagen zusammenarbeitet, als noch seine Vorgänger Bernd Merbitz und Horst Wawrzynski (beide CDU). So soll es mittlerweile nicht mehr normal sein, dass die Stadt Leipzig vor größeren Demonstrationen oder eben der Silvesternacht eine Gefahrenprognose aus der Dimitroffstraße erhält. Ob dies die Sicherheit steigert oder senkt, ist offen – doch auch hier scheint der Dialog nicht mehr wie vorher.
Oder eben jenes LKA Sachsen, welches seit fünf Jahren trotz teils widerrechtlicher Großüberwachung von BSG Chemie-Kreisen bis zu Anwälten, Journalisten und Mandatsträgern nachweislich an der Ergreifung derjenigen Menschen scheitert, welche in Leipzig Baustellen in Brand stecken, Autos des Ordnungsamtes Leipzig anzünden oder womöglich sogar Schnittmengen mit jenen haben, die am Connewitzer Kreuz vermummt gegen drei Polizeibeamte losschlugen. Und sich gleichzeitig – das sollte man wohl nicht vergessen – rechtsextreme Dauergewalttäter mittlerweile statt im Gerichtssaal in gewählten Parlamenten wiederfinden, wie beispielsweise in Wurzen.
Und ein ehemaliger Justiz- und nun Wissenschaftsminister Sebastian Gemkow (CDU), in dessen Amtszeit sich ein Terrorverdächtiger in der Justizvollzugsanstalt Leipzig erhängen konnte und sein Wissen mit ins Grab nahm. Oder Justizvollzugsbeamte Haftbefehle rechtsextremen Organisationen wie „Pro Chemnitz“ zuspielten, um das Kesseltreiben rings um den Totschlag an Daniel H. in Chemnitz anzuheizen.
Und der als ausgebildeter Jurist sicherlich sehr genau weiß, was er suggeriert, wenn er nur Stunden nach Silvester Plakate in Leipzig aufstellt, auf denen er an der Seite einer vorgeblichen Beamtin in Fantasieuniform verspricht, nun als Oberbürgermeister Leipzigs für „Sicherheit“ sorgen zu wollen.
Wie das mit der einzigen polizeiähnlichen Behörde der Stadt Leipzig – dem Ordnungsamt – gelingen soll, wenn sich statt mehr weniger Dialog zwischen der in Landesverantwortung liegenden Polizei und den Bürgern abspielt, lassen wir mal als Frage am Schluss offen.
Die Entfremdung schreitet derzeit voran, die Radikalisierung auf beiden Seiten auch, das Trommelfeuer aus Empörungs-Geschrei in den sozialen Netzwerken trägt das Seine dazu bei. Auch jene Medien, welche nach wie vor Polizeimeldungen für „die Wahrheit“ halten, haben Anteil an der zunehmenden Hysterie.
Doch eine Polizei, die als maßgeblicher Akteur und Ausübende der übertragenen Staatsgewalt in der Gefahr steht, sich selbst ins Unrecht zu setzen, riskiert ungewollte Solidarisierungen auf der Gegenseite und vergrößert das Problem. Keine guten Vorzeichen für einen China-EU-Gipfel 13. bis zum 15. September 2020 oder kommende Demonstrationen in Leipzig.
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Der massive Angriff auf die drei Polizeibeamten kurz nach Mitternacht am 1. Januar ist durch nichts zu beschönigen. Doch so, wie der Artikel die folgenden Ereignisse schildert, gewinnt man fast den Eindruck, dass die Leipziger Polizei sich in solchen zugespitzten Situationen in einer Art Krieg gegen die Bürger wähnt.
Sobald als Kollateralschaden des „Nulltoleranz-Prinzips“ ein Kind verletzt wird, wird diese strategische Ausrichtung dem Polizeipräsidenten schmerzhaft auf die Füße fallen. Ein Glück, dass es Silvester am Kreuz in diesem Chaos noch nicht so weit gekommen ist. Aber ich werde den Kinderwagen sicher nur noch mit einem mulmigen Gefühl durch eine FFF-Demo schieben.