Es klingt geradezu nach einem Mafia-Plot: Ein Geschäftsmann wird nach einem Streit um Geld getötet und der Leichnam unter Beton vergraben. Die Anklageverlesung vor dem Landgericht jedoch kam am Donnerstag wiederholt nicht zustande, stattdessen kämpfte die Verteidigung des Hauptverdächtigen mit hartem Geschütz.
Im Herbst 2014 verschwand der türkische Geschäftsmann Mehmet I. (42) spurlos. Erst nach über drei Jahren fand man seinen Leichnam in zwei Metern Tiefe unter dem Beton eines Areals in der Dessauer Straße. Ein mutmaßlich Beteiligter, der heute 45-Jährige Hasan M. aus Bosnien, war zur Polizei gegangen und hatte ausgepackt – aus schlechtem Gewissen, wie sein Anwalt sagt.
Hasan M. gab zu Protokoll, das Opfer gemeinsam mit Ismail Ö. (heute 23) auf Anweisung von Hüseyin D. (49) nach einer Auseinandersetzung um Geld gefesselt zu haben. Dann habe der jüngste des Trios den wehrlosen Mann erwürgt. Im Prozess tritt Hasan M. als Kronzeuge auf, er lebt im Zeugenschutzprogramm des sächsischen Landeskriminalamtes.
Bereits zum ersten Prozesstermin am 16. Mai kam es zu keiner Verlesung der Anklageschrift, da sich Ismail Ö. zur psychiatrischen Behandlung in einem türkischen Krankenhaus befindet. Er war im Zuge der Ermittlungen aus der Untersuchungshaft freigekommen und ausgereist, nachdem sich der akute Tatverdacht zunächst nicht bestätigte. Sein Erscheinen vor Gericht am Donnerstag blieb erneut aus – der junge Mann hatte schon einen Flug nach Deutschland gebucht, sei aber „stationär auffällig“ geworden und könne an der Hauptverhandlung aktuell doch nicht teilnehmen, sagte sein Verteidiger.
Verteidigerin attackiert Gericht: „Schlichtweg willkürliche Entscheidung“
Statt eines zügigen Prozessbeginns kam es daher zu einer juristischen Schlammschlacht zwischen der Verteidigung und der 3. Strafkammer. Rechtsanwalt Curt-Matthias Engel, der den mutmaßlichen Mordanstifter Hüseyin D. vertritt, rügte zunächst die Besetzung der Nebenkläger und die aus seiner Sicht verspätete Möglichkeit zur Akteneinsicht.
Ein heftiger Streit entbrannte zudem um die ordnungsgemäße Vorladung des jüngsten Angeklagten, die fehlerhaft und verzögert erfolgt sei. „Das Gericht schafft eine Situation, die falsch ist“, kritisierte Engel und stellte den Antrag, die komplette Hauptverhandlung auszusetzen.
Die aggressive Verteidigungstaktik scheint im Rahmen der Umstände durchaus rational: Denn Ismail Ö.s Aussage soll den Angaben des Kronzeugen, was im September 2014 tatsächlich geschah, mehrfach widersprechen. Seine Abwesenheit schmälert die Chance, die schweren Vorwürfe gegen den mutmaßlichen Urheber des Mordbefehls zu entkräften.
Folgerichtig wollen Engel und seine Kollegin Ines Kilian offenbar eine Abtrennung des Verfahrens gegen den abwesenden Ismail Ö. verhindern. Seine Rückkehr aus der Türkei scheint aktuell ungewiss. Nachdem der Vorsitzende Richter Norbert Göbel jedoch verkündete, der junge Mann solle sich gesondert verantworten, stellte Rechtsanwältin Kilian einen Befangenheitsantrag gegen die gesamte Strafkammer. Es solle eine Situation geschaffen werden, in der ihr Mandant dem Kronzeugen allein gegenübersteht, das Gericht suche nicht mehr neutral auch nach Entlastungsfaktoren. „Es ist eine schlichtweg willkürliche Entscheidung“, schimpfte die Strafverteidigerin.
Ihr Kollege Engel hatte schon zum Auftakt am Morgen keine Zweifel gelassen: „Unschuldige verstecken sich nicht“, witzelte der Anwalt gegenüber Pressefotografen, als sein Klient in Handschellen aus der Haft vorgeführt wurde und das Gesicht nicht verbarg.
Das spektakuläre Verfahren wird von verschärften Sicherheitsmaßnahmen begleitet. Eine Vielzahl von Beamten in Uniform und Zivil soll den Prozess gegen Zwischenfälle absichern, Besucher und Journalisten werden vor dem Eingang zum Saal extra kontrolliert. Die Stimmung war angespannt. Hüseyin D. folgte dem Geschehen ruhig und äußerte sich nicht.
Der Prozess wird am 28. Juni fortgesetzt.
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