In der Stuttgarter Allee fühlen sie sich, als seien sie die Größten. Über 20 junge Männer füllten am Mittwoch die Zuschauerplätze in Saal 14. Einer von ihnen muss sich vor der Großen Jugendkammer wegen Mordes verantworten. Argjent K. (20) soll am 21. Oktober hinterrücks einen 24-Jährigen erstochen haben. Das Motiv: Verletzte Familienehre.
Vor dem Saal finden in diesem Verfahren verschärfte Kontrollen statt. Wer rein möchte, muss seinen Namen erfassen lassen und sein Smartphone abgeben. Keine Ausnahmen. Auch nicht für Journalisten. Das Gericht rechnete offenbar von vornherein mit Störversuchen. Zu Beginn des zweiten Verhandlungstags verlas der Vorsitzende Rüdiger Dahms den Inhalt eines Facebook-Posts, der die Tage im Freundeskreis des Angeklagten kursierte. „Fick den Richter. Nur Gott kann uns richten.“
Das Verfahren steht unter keinem guten Stern. Das Milieu des Angeklagten macht aus seiner ablehnenden Haltung gegenüber dem deutschen Rechtsstaat keinen Hehl. Beim Prozessauftakt am 3. Mai fühlte sich ein Journalist bedroht. Gestern berichtete Richter Dahms, drei Zeuginnen, darunter die Verlobte des Opfers, hätten angekündigt, aus Angst nicht erscheinen zu wollen. „Es handelt sich um eine Mafia.“ Weil ein Mordprozess kein Wunschkonzert ist, werden die Frauen natürlich trotzdem aussagen müssen. Wann und zu welchen Konditionen ist noch unklar.
Die Anklage geht davon aus, Argjent K. habe Hamza G. aus Rache ermordet. Der Tunesier soll wenige Tage zuvor einen Bruder des Kosovo-Albaners geschlagen haben. Der Bruder des Verstorbenen berichtete am Mittwoch von einem Konflikt, der weit vor der Tat seinen Anfang nahm. Er selbst sei zwei bis drei Wochen zuvor von mehreren Männern nahe des Allee-Centers verprügelt worden. „Die haben mich geschlagen“, erzählte Marouane G. (28) und deutete dabei auf den Bruder des Angeklagten, der den Prozess im Publikum verfolgte.
„Warum sie mich geschlagen haben, weiß ich nicht.“ Sein Bruder habe vor den Männern große Angst gehabt. „Er hat mir gesagt, dass ihm jemand gesagt hat, ich werde dich töten.“
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