Dieser Post kommt ihn mรถglicherweise teuer zu stehen: Weil er ein Foto des Vernichtungslagers Auschwitz mit einem beigefรผgten โRefugees Welcomeโ und dem Kommentar โHereinspaziert, Platz ist fรผr alle daโ geteilt haben soll, muss Dirk M. nun 2.500 Euro Geldstrafe zahlen. Laut Anklageschrift teilte der 34-jรคhrige Taxifahrer das fragliche Foto auf Facebook und einer weiteren Internetseite zu einem Zeitpunkt vor dem 13. September 2015. Zu sehen war das Eingangstor des Vernichtungslagers Auschwitz mit dem berรผchtigten Schriftzug โArbeit macht frei.โ
Dirk M. wollte sich zur Verhandlung am Dienstag nicht zum Vorwurf der Volksverhetzung รคuรern. Zeuge Frank B. (57) beschrieb, wie er im Internet eher zufรคllig auf das Bild gestoรen war und daraufhin Anzeige erstattet hatte. โFรผr mich war in dem Moment eine Grenze รผberschritten. Mit dem Bild war jemand darauf aus, billigend in Kauf zu nehmen, dass Menschen beziehungsweise Flรผchtlinge getรถtet werden.โ
Strafverteidiger Roland Ulbrich sah das anders und stellte die fragwรผrdige Aufnahme in den Kontext einer Unterbringung Geflรผchteter im ehemaligen KZ, wie sie 2015 ernsthaft diskutiert worden war. Daher lieรe sich der Beitrag auch als satirischer Protest auffassen. โWir brauchen einen Diskurs, den kann man nur erreichen, wenn man nicht strafrechtlich bedroht wird. Wir tun uns keinen Gefallen damit, auf diese Weise zu kriminalisierenโ, sagte der Jurist und forderte Freispruch fรผr seinen Mandanten.
Fรผr Staatsanwalt Tobias Merkel gab es dagegen keine Zweifel an der Absicht, mit dem Bild eine Sympathie fรผr die Einquartierung geflรผchteter Menschen in einem Vernichtungslager auszudrรผcken. Gerade Auschwitz lรถse beim Betrachter klare Assoziationen aus. Hinweise auf Ironie und Satire gingen aus dem einer breiten Masse zugรคnglichen Post nicht hervor. Auch fรผr eine technische Manipulation erkannte Merkel keine Anzeichen, beantragte daher 3.000 Euro Geldstrafe.
Amtsrichter Dieter Sedlatschek griff diese Argumente in seiner Urteilsbegrรผndung auf. โEin Dritter kann nur sagen, da sollen Flรผchtlinge reinโ, schloss er andere Deutungsmรถglichkeiten des Fotos aus und verhรคngte 100 Tagessรคtze zu je 25 Euro gegen den Angeklagten. Der nicht vorbestrafte Vater zweier Kinder hatte auf ein Schlusswort verzichtet, nahm die Entscheidung reglos zur Kenntnis.
Das Urteil ist noch nicht rechtskrรคftig.
In eigener Sache: Lokaler Journalismus in Leipzig sucht Unterstรผtzer
https://www.l-iz.de/bildung/medien/2017/01/in-eigener-sache-wir-knacken-gemeinsam-die-250-kaufen-den-melder-frei-154108
So kรถnnen Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstรผtzen:
Es gibt 6 Kommentare
Naja, ich hatte unter โErlรคuterungenโ etwas Ausfรผhrlicheres verstanden. Das zumindest gehรถrt hier m.E. nicht rein.
Eine beilรคufige Erwรคhnung vielleicht schon eher, das stimmt. Aber wie gesagt, mir ging es hier erstmal um eine mรถglichst neutrale Dokumentation. Trotzdem nehme ich Ihren Hinweis fรผr die Zukunft zur Kenntnis, vielen Dank dafรผr. MfG Lucas Bรถhme
Ein Portrรคt des Herrn Strafverteidigers hatte mir da auch nicht vorgeschwebtโฆobwohl, in einem gesonderten Artikel wรคre es bestimmt sehr aufschlussreich.
Nein. Eine Anmerkung in einem Nebensatz tutโs auch:
Etwa so:
Strafverteidiger A, auch bekannt als B-Mitglied und Vorsitzender von C, sah das anders.
@Dominik: Als Prozessbeobachter und Autor des vorliegenden Artikels mรถchte ich darauf hinweisen, dass dies ein sachlicher Gerichtsbericht ist und kein Portrรคt des Herrn Strafverteidigers. Aus Ulbrichs (m.M.n., hรถflich gesagt, sehr weit hergeholter) Argumentation mรถge jeder Leser fรผr sich seine Schlรผsse ziehen, ggf. die Suchmaschine anwerfen und sich Informationen holen. Und das dรผrfte doch nicht zu viel verlangt sein ๐
Naja. Es spricht sich auch so rum. Und der Name ist auf der L-IZ nicht unbekannt (siehe ua. Legida-Berichte).
Was hat die Herkunft des Verteidigers mit dem Verfahren zu tun?
Ein paar Erlรคuterungen, bezรผglich Herkunft und politischer Aktivitรคten des Herrn Strafverteidigers wรคren fรผr mich hilfreich gewesen. Ich finde es รคuรerst lรคstig, wenn man jede Peron erst googeln muss. Oder sollte man alle Juristen namentlich kennen?