Erstaunlich auskunftsfreudig zeigte sich Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) auf eine Anfrage des Abgeordneten der Linksfraktion Nico Brünler. Der wollte wissen, was Sachsens Regierung gegen Cyber-Mobbing unternimmt. Gerade Jugendliche haben immer öfter mit Mobbing-Attacken im Internet zu tun. Aber eine extra Cyber-Mobbing-Polizei gibt es nicht, teilt Ulbig mit. Das mache auch keinen Sinn.
Auch keine „zentrale Anlaufstelle für Opfer von Cyber-Mobbing“, denn erstens gebe es schon bewährte Beratungsstellen wie den Weißen Ring oder die Opferhilfe Sachsen e. V., wo man sich über die Jahre entsprechende Beratungskompetenz aufgebaut habe. Und die Polizei nimmt die Anzeigen an.
„Betroffenen steht es zudem grundsätzlich frei, bei jeder Polizeidienststelle Cyber-Mobbing zur Anzeige zu bringen“, sagt der Minister. Denn in vielen Fällen erfüllt Mobbing einen von verschiedenen Straftatbeständen. Und da die Mobbingangriffe ja in der Regel digital gespeichert sind, hat die Polizei zumindest eine gute Ermittlungsgrundlage.
Trotzdem fällt es dem Ministerium schwer, konkrete Zahlen zu Cyber-Mobbing aus den Registern auszulesen, denn eine besondere Kategorie Cyber-Mobbing gibt es nicht. Registriert wird nur der konkrete Straftatbestand wie Beleidigung, Bedrohung, üble Nachrede, Nötigung oder Nachstellung. Und nur wenn der konkrete Strafbestand auch mit dem Tatmittel „Internet“ verknüpft ist, kann auch eine entsprechende Recherche die Zuordnung zu Cyber-Mobbing ermöglichen.
Das scheint zumindest seit 2011 auch im Fokus der sächsischen Polizei zu stehen. Zumindest gibt Ulbig Zahlen für den Zeitraum 2011 bis 2015 an. Danach wurden in den erfassten Deliktbereichen seit 2011 deutlich steigende Fallzahlen registriert. Allein für 2015 waren es 1.094. Und das ist nur die Spitze des Eisbergs, betont der Minister. „In dieser Auflistung nicht enthalten sind Fälle von Cyber-Mobbing z. B. per SMS oder Instant-Messaging-Diensten, also Mobiltelefondiensten. Auch sind keine Fälle enthalten, die zwar Cyber-Mobbing darstellen, aber keinen Straftatbestand erfüllen bzw. bei denen als Privatklagedelikt kein Strafantrag gestellt worden ist. Insofern muss davon ausgegangen werden, dass die erhobenen Straftaten kein vollständiges Lagebild im Sinne der Fragestellung darstellen.“
Was dann wieder Brünler bestätigt in seiner Vermutung, dass im Tatfeld Cyber-Mobbing Vieles nach wie vor nicht erfasst und auch nicht verfolgt wird. Da liegt der Wunsch nach einer besonderen Behörde natürlich nahe, gerade in Zeiten, da auch immer mehr politische und ideologische Angriffe über das Internet und diverse „soziale Netzwerke“ gestartet werden.
Von einer Erfassung des gesamten Dunkelfeldes kann also keine Rede sein. Aber die Auskünfte, die Ulbig zu den vorbeugenden Programmen gibt, zeigen zumindest, dass sich die sächsische Polizei mit dem Themenspektrum beschäftigt. Gerade für Schulen gibt es entsprechende Präventionsangebote. Denn hier beginnt das Thema, erfahren viele junge Menschen, was es heißt, oft von Gleichaltrigen auch online gemobbt zu werden. Und wenn niemand zeigt, wo Grenzen sind, pflanzt sich das natürlich fort. Und echte Vorbilder sind die mobbenden und trollenden Erwachsenen in den Netzwerken auch nicht wirklich.
Dass die selbst auf der Arbeit manchmal vergessen, wo die Grenzen des respektvollen Umgangs sind, hat zumindest eine Mitarbeiterin im Verantwortungsbereich des Finanzministeriums schon gezeigt. Ulbig: „Im Geschäftsbereich des Staatsministeriums der Finanzen ist ein Fall von Cyber-Mobbing in den letzten fünf Jahren bekannt geworden. Das Verhalten wurde mit der Bediensteten ausgewertet und ihr wurde eine Ermahnung ausgesprochen.“
Nur mit einem konnte Ulbig dann nicht dienen: Aussagen zu politischem, beruflichem oder privatem Umfeld der Mobbing-Attacken. Das hätte eine Auswertung von mindestens 1.800 Akten bedeutet. Da wären die Sachbearbeiter allein 900 Stunden beschäftigt gewesen. Aber vielleicht gibt es ja künftig mal eine Datenbank, die solche Zahlenrecherchen leichter machen. Gerade dann, wenn das Thema immer mehr ins öffentliche Bewusstsein rückt und die Betroffenen sich nicht mehr verstecken, sondern die Vorgänge anzeigen. Denn dass die 1.877 Ermittlungsverfahren nur die Spitze des Eisbergs sind, macht auch diese Minister-Antwort deutlich.
Die Anfrage von Nico Brünler (Die Linke) zu Cyber-Mobbing. Drs. 5956
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