Was darf Satire? Alles. Doch nicht alles, was Menschen im Netz in die Welt setzen, ist Satire. Ron K. (45) postete im Jahr 2013 auf seinem Facebook-Profil ein Foto des Eingangstores des Konzentrationslagers Auschwitz. Der Schriftzug „Arbeit macht frei“ war auf der Fotomontage ersetzt worden durch die Parole „Asylantenheim. Wir haben wieder geöffnet“. Anders als der Angeklagte hatte Amtsrichter Uwe Berdon herzlich wenig zu lachen.
„Ich bin ein sehr sarkastischer Mensch“, sagte Ron K. am Donnerstag aus. Das Auschwitz-Foto habe er für plumpe Satire gehalten, die ihm als Kritiker der deutschen Asylpolitik so gut gefallen habe, dass er das Bedürfnis verspürte, sie weiterzuverbreiten. Dass das Foto das Konzentrationslager Auschwitz zeige, habe er nicht erkannt. Und mit rechtem Gedankengut habe er, der langjährige Bauunternehmer, der seit 2006 berufsunfähig ist, natürlich rein gar nichts zu tun.
Das muss man als Gerichtsreporter so zur Kenntnis nehmen. Als Journalist darf man, allerdings, anders als Richter und Staatsanwalt, auch die Vorkommnisse rund um die Hauptverhandlung in seine Wertung mit einbeziehen. Da wären zunächst einmal ein Begleiter des Angeklagten und seine deutlich jüngere Lebensgefährtin. Ein sportlich ausschauender Mann mit tätowierten Oberarmen, der sich auf dem Gerichtsflur vor Sitzungsbeginn ausgiebig mit Gabriel S. unterhielt. Jener Gabriel S. verbüßte wegen des rechtsextremen Überfalls auf Spieler und Fans des Fußballvereins Roter Stern Leipzig in Brandis 2010 eine Freiheitsstrafe.
Und während der Hauptverhandlung nahm zwischenzeitlich Gabriels Bruder Riccardo im Zuschauerraum Platz. Jener 46-Jährige ist wiederum spätestens seit Anfang der Neunziger in der regionalen Neonazi- und Hooliganszene aktiv. Ist Ron K. tatsächlich die unpolitische Socke, die er vorgibt zu sein? Unstrittig ist, dass der gelernte Landwirt bislang nur wegen eines Steuerdelikts vorbestraft ist. In den Fokus der Staatsanwaltschaft geriet er außerdem im Zusammenhang mit einem Landfriedensbruch am 30. Januar 2015, wurde in diesem Kontext allerdings nicht verurteilt.
Staatsanwalt Christoph Kruczynski tat sich jedenfalls schwer, dem Leipziger zu glauben. „Es wird nicht etwas zu Satire, indem man behauptet, es ist Satire“, argumentierte der Jurist. Vielmehr müsse Satire für den durchschnittlichen Betrachter als solche erkennbar sein. Im Fall des Auschwitz-Fotos sei eine Bezugnahme der vermeintlichen Satire zu dem Grundsachverhalt, auf den der Satiriker Bezug nehmen wolle, nämlich die miserable Unterbringung von Flüchtlingen, überhaupt nicht zu erblicken. „Das, was dort steht, ist eine Volksverhetzung.“ Kruczsynski beantragte die Verhängung von 120 Tagessätzen.
Verteidiger Markus Czempik plädierte auf Freispruch. „Dass es ein blöder Post war, hat er zugegeben, aber wenn, dann war es Satire.“ Ron K. tat sich schwer, der Rechtsauffassung des Staatsanwalts zu folgen. „Wie man etwas meint, sollte man akzeptieren“, übte sich der Angeklagte in einem hilflosen Versuch, seinen Hass auf Flüchtlinge ins rechte Licht zu rücken. „Es ist für mich und bleibt für mich Satire.“
Amtsrichter Berdon blieb mit 100 Tagessätzen knapp unterhalb der Forderung Kruczynskis. Die Tagessatzhöhe von 20 Euro bemisst sich nach dem Einkommen des Rentners. An den Angeklagten richtete der Vorsitzende mahnende Worte. „Es kommen keine Asylanten nach Deutschland. Es sind Flüchtlinge, die sich hier in einem rechtsstaatlichen Verfahren um Asyl bewerben müssen.“ Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
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