Demonstrieren kann teuer werden. Diese bittere Erfahrung könnte jetzt ein Leipziger Student machen. Marcus R. hatte für Montag-Abend zu einer Anti-LEGIDA-Demo im Leipziger Hauptbahnhof aufgerufen. Die ECE Projektmanagement GmbH & Co. KG , die das Einkaufscenter betreibt, erwirkte eine einstweilige Verfügung, die dem angehenden Soziologen die Durchführung der Versammlung untersagt. Das Unternehmen fürchtete laut Auskunft gegenüber L-IZ um die Sicherheit seiner Besucher.

Für Marcus R. bedeutet der Gerichtsbeschluss, sollte er Rechtskraft erlangen, den persönlichen Bankrott. Das Landgericht bezifferte den Streitwert auf 100.000 Euro. Sollte R. weiter zu der geplanten Kundgebung unter dem Motto „Nationalismus raus aus dem Bahnhof und den Köpfen – Gegen die Beschlagnahme des öffentlichen Raumes durch Menschenfeinde“ im Bahnhofsgebäude aufrufen, droht ihm ein saftiges Ordnungsgeld. Der Student kann bereits die Gerichtskosten nicht aufbringen.

Der Leipziger hatte im Vorfeld alles richtig gemacht. Er hatte die Versammlung dem Ordnungsamt angezeigt und den Kontakt zum Bahnhofsmanagement gesucht. Die ECE Projektmanagement GmbH & Co. KG ließ die Anfrage nach Angaben des Studenten jedoch unbeantwortet. „Unsere Stellungnahme wurde Herrn R. im Rahmen eines Kooperationsgespräches mit der Stadt übermittelt“, erwidert nun ECE-Sprecher Christian Stamerjohanns. In den Gesprächen sei ihm angeboten worden, die Demonstration vor dem Gebäude stattfinden zu lassen. Dies hätte Marcus R. abgelehnt.

„Auch wenn wir Verständnis haben, dass das Bahnhofsmanagement im Interesse der Sicherheit versucht, Demonstrationen aus dem Bahnhof herauszuhalten, ist das Vorgehen kritikwürdig. Bislang hat es das Bahnhofsmanagement und die Stadt jedenfalls nicht gestört, wenn sich monatlich im Bahnhof Neonazis, Hools und Rassisten treffen. Wir sind mit der ECE Gruppe in Gesprächen zur Lösung der Situation und erwarten, dass die ECE Gruppe ebenso konsequent jetzt gegen LEGIDA vorgeht. Alles andere wäre ein verheerendes Signal“, sagt Jürgen Kasek, der den Demo-Anmelder anwaltlich vertritt.

Das Ordnungsamt verlegte die Kundgebung im Auflagenbescheid letztlich neben den Eingang der Westhalle. Warum das Bahnhofsmanagement zusätzlich zivilrechtliche Schritte gegen R. ergriff, bleibt vor diesem Hintergrund erst recht ein Rätsel. Möglicherweise fühlte sich die Betreiberfirma auf den Schlips getreten, weil R. bis Freitagmorgen zu der Versammlung im Bahnhofsgebäude aufgerufen hatte, obwohl die Stadtverwaltung ihren Bescheid schon am Donnerstag erlassen hatte.

Pikanterweise erhielt der Anmelder den Versammlungsbescheid jedoch erst nach der einstweiligen Verfügung zugestellt. Zwar hatte die Stadt R. das Dokument vorab per E-Mail zugesandt. Doch der Student konnte nach seinen Ausführungen aufgrund eines Netzausfalls nicht vor Freitag auf die Nachricht zugreifen. Zusätzlich hätte das Ordnungsamt dessen Daten samt Versammlungsbescheid an die Firma ECE weitergereicht. Deshalb konnte das Unternehmen offenbar dem Landgericht den Versammlungsbescheid schon am Donnerstagabend in Kopie übersenden.

Helmut Loris, Leiter des Ordnungsamtes, weist diesen Vorwurf zurück: „Die Versammlungsbehörde hatte zur bestmöglichen Wahrung der Versammlungsrechte des Herrn R. intensive Abstimmungen mit der Bundes- und Landespolizei, der Deutschen Bahn und dem Center-Management des Hauptbahnhofes zu führen. Am 21.06.2016 ging von Herrn R. eine E-Mail ein, in der er u. a. darauf verwies, dass er die Versammlungsanzeige für den 04.07.2016 auch an das Center-Managament des Hauptbahnhofes gesandt hat. In diesem Sinne war zu unterstellen, dass die Daten von Herrn R., die Gegenstand der Versammlungsanmeldung sind, dem Center-Management vorlagen. Durch die Versammlungsbehörde werden persönliche Daten grundsätzlich vertraulich behandelt.“

Den Verbotsantrag an das Landgericht, der L-IZ.de vorliegt, begründete das Unternehmen im Wesentlichen mit seinen Verkehrssicherungspflichten: „Wir sind für die Sicherheit der Besucher des Querbahnsteigs verantwortlich und müssen daher alle notwendigen Schritte unternehmen, um deren Gefährdung zu verhindern. Da Herr R. angekündigt hatte, gegen die verwaltungsrechtliche Beauflagung rechtlich vorzugehen, sahen wir uns daher gezwungen, auch zivilrechtlich aktiv zu werden“, berichtet Stamerjohanns. „Wir freuen uns grundsätzlich über Maßnahmen, die die demokratische Grundordnung unseres Landes stärken sollen“, teilt Stamerjohanns mit. „Wir können unabhängig von ihrem Inhalt aber keine Veranstaltungen in unserem Gebäude erlauben, die zu einer Gefährdung unserer Besucher führen könnten. Die Stadt Leipzig und die Polizei haben Herrn R. gegenüber detailliert dargelegt, weshalb sie bei der Durchführung der Veranstaltung im Bahnhof eine entsprechende deutliche Gefährdung unserer Besucher befürchten.“

Fall selbst weiter offen

Nach jüngster Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts können Versammlungen auf privatrechtlichem Grund durchaus zulässig sein, wenn die Lokalität dem allgemeinen öffentlichen Verkehr zugänglich ist und dem Leitbild eines öffentlichen Forums entspricht. Dieses formale Kriterium dürfte bei dem Querbahnsteig des Leipziger Hauptbahnhofs erfüllt sein.

ECE argumentierte vor dem Hintergrund der beiden relevanten Karlsruher Entscheidungen, die sich mit dem Versammlungsrecht in privatwirtschaftlich betriebenen, aber öffentlich zugänglichen Räumen befassen, dass die geplante Demonstration die Funktionstüchtigkeit des Bahnhofsbetriebs gefährde. Dies sei selbst im Lichte der Karlsruher Beschlüsse nicht hinnehmbar. Das Landgericht schloss sich dieser Auffassung an. Kasek kündigte gegenüber L-IZ.de an, sein Mandant werde den Versammlungsbescheid und die einstweilige Verfügung anfechten, sollte keine Verständigung mit der Betreiberfirma ECE zustande kommen.

Update 18:20 Uhr: ECE und Marcus R. verhandeln über Kostenübernahme

Marcus R. beklagt sich vor allem über die hohen Verfahrenskosten. Möglicherweise braucht der Student nur für einen Teil der Gebühren selbst aufkommen. „Bezüglich der Kosten sind wohl die Anwälte beider Seiten noch im Dialog“, lässt Christian Stamerjohanns durchblicken. Der ECE-Sprecher legt weiterhin Wert auf die Feststellung, Marcus R. sei keineswegs mit dem Unternehmen in Kontakt zu treten, „um die Möglichkeit einer Demonstration zu erörtern“. „In dem Schreiben wurde von vornherein angekündigt, im Zweifel auch ohne Einwilligung innerhalb des Gebäudes demonstrieren zu wollen“, so Stamerjohanns.

Siehe auch Liveticker am 04.07. zu den Demonstrationen auf L-IZ.de

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Jaja, nicht dass sich die armen Legida-Teilnehmer schon bei der Anreise unwohl fühlen. Immerhin müssen die sich danach auch noch haufenweise dümmliche Reden anhören, das ist schon grausam genug.
(Notiz an mich selbst: Einkaufen bei einem Besuch in Leipzig auf jeden Fall ausserhalb des Gebäudes.)

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