Manchmal will man eigentlich nur aktuelle Zahlen finden - etwa zum Verkehrsunfallgeschehen 2015 in Leipzig. Aber es gibt keine. Jedenfalls noch keine bis Dezember 2015. Aber dann stolpert man รผber eine kleine Perle aus dem Frรผhjahr 2015. Da hat augenscheinlich ein ziemlich flotter Leipziger einfach mal eine Petition verfasst, Leipzig mรถge doch bitte seine Blitzer einsparen. Kosten doch nur Geld die Dinger.
โEinsparung der Rotlichtblitzerersatzinvestitionenโ, betitelte er seine Petition. Mit der sich dann neben dem Petitionsausschuss auch noch das Ordnungsamt beschรคftigte. Ergebnis: allgemeines Kopfschรผtteln. Der flotte Zeitgenosse hatte irgendwie die Zahlen durcheinander gewรผrfelt oder schlicht die falschen Medien konsumiert.
Sie wissen ja: Lรผgenpresse und so. Manche Medien drehen sich ja die Fakten und Zahlen, bis richtig doller Klamauk rauskommt und die Leute, die eh auf nichts und niemanden Rรผcksicht nehmen, hinterher mit voller Empรถrung behaupten kรถnnen, sie wรผrden abgezockt. Alle wรผrden abgezockt. Unverschรคmt.
Immer so Anfang April gibt es die neuen Verkehrsunfallzahlen fรผrs abgelaufene Jahr. Da steht dann auch drin, wie viele Unfรคlle es in den Kreisen und Kreisfreien Stรคdten gab, welche Art von Unfรคllen, wie viele Kraftfahrer besoffen oder unter Drogen waren, wie viele einfach Fahrerflucht begangen haben, wie viele Unfallopfer es gab.
Und da tauchen dann auch die Zahlen auf, die der Petent da auf den Tisch warf und meinte, damit wรผrde er die vรถllige Unsinnigkeit von Blitzern und Buรgeldern belegen.
Als Zahlen brachte er 60.000 Rotlichtverstรถรe, von denen er glaubte, nur 300 als โrichtigeโ einordnen zu dรผrfen. Oder das Medium, das er konsumiert, hat das so getan. Es gibt auch Medien, die glauben, erst wenn es auf der Kreuzung wirklich kracht, ist es ein richtiger Rotlichtverstoร.
Was natรผrlich auch ein Licht wirft auf das, was in Leipzig seit ein paar Jahren vermehrt zu beobachten ist. Gerade auf stark frequentierten Kreuzungen wird auch dann noch auf die Kreuzung gefahren, wenn die Ampel nicht nur lรคngst โGelbโ anzeigt, sondern schon im roten Bereich ist. An den besonders sensiblen Kreuzungen stehen zwar die von den Rasern so ungeliebten Blitzer. Aber trotzdem wird eifrig bei โOrangeโ und โRotโ noch mal aufs Gaspedal gedrรผckt.
Eine dieser beliebten Kreuzungen ist in der Georg-Schumann-Straรe/Lรผtzowstraรe. Und das โOpferโ der โSchnell-noch-rรผberโ-Fahrer ist in der Regel die Straรenbahn der Linie 12. Da hilft dann alles Klingeln und Bremsen nichts mehr. Es scheppert.
Die 60.000 โRotlichtverstรถรeโ sind freilich nirgendwo in Leipziger Statistiken zu finden. Gezรคhlt werden kann nur, was auch wirklich geblitzt und registriert wurde. โIm Jahr 2014 wurden gegenรผber der Zentralen Buรgeldbehรถrde der Stadt Leipzig insgesamt 15.043 Rotlichtfรคlle angezeigt; in 2.533 Fรคllen davon zeigte die Lichtsignalanlage bereits lรคnger als 1 s โRotโโ, heiรt es in der Erlรคuterung des Petitionsausschusses, warum der Petition schlicht nicht abgeholfen werden konnte.
Denn wirklich auffรคllig wird nur ein kleiner Teil der Leipziger Kraftfahrer, denen es einfach nicht schnell genug gehen kann: โHierzu ist festzustellen, dass im Jahr 2014 an den รผberwachten Lichtsignalanlagen ein Gesamtdurchfluss von 38.763.973 Fahrzeugen registriert wurde. Insgesamt ca. 15.000 Fรคlle von Rotlichtverstรถรen kamen zur Anzeige. Der รผberwรคltigende Anteil von Kraftfahrern kam demnach mit den jeweils aufleuchtenden Lichtsignalen zurecht.โ
Interessant wรคre natรผrlich auch zu wissen, ob unter den 15.043 angezeigten Rotlichtfรคllen auch Mehrfach-Geblitzte sind, was natรผrlich zu vermuten ist. Aber das weist die Statistik so nicht aus.
Dafรผr zeigt sie etwas anderes โ und das ist die eigentlich brisante Seite: Die Zahl der Verkehrsunfรคlle mit der Ursache โFahren bei Rotโ steigt in Leipzig seit 2010 kontinuierlich an. Und zwar bei insgesamt sinkenden Unfallzahlen.
Gab es 2010 noch 149 Verkehrsunfรคlle nach โFahren bei Rotโ, so waren es ein Jahr spรคter schon 193, 2012 dann 182, 2013 dann wieder 198 Unfรคlle. 2014 stieg die Zahl dann auf 215.
Das deutet zumindest darauf hin, dass in Leipzig immer รถfter โschnell noch bei Rotโ gefahren wird โ mit entsprechend steigendem Risiko fรผr alle Verkehrsteilnehmer. Logisch, dass der Beschlussvorschlag des Petitionsausschusses dann lautete: โDer Petition kann nicht abgeholfen werden.โ
Die Stellungnahme des Petitionsausschusses zum Sachverhalt in voller Lรคnge zum Nachlesen
Die Gewรคhrleistung von Sicherheit und Ordnung ist grundlegende Aufgabe einer Kommune. Dazu gehรถrt gerade in einer Groรstadt mit einem starken Verkehrsaufkommen wie Leipzig auch ein hohes Maร an Verkehrssicherheit.
Die Stadt Leipzig ist als Kreispolizeibehรถrde gesetzlich verpflichtet, dazu die notwendigen Maรnahmen zu ergreifen, was deren effektive Kontrolle und die Sanktionierung festgestellter Verstรถรe ebenso einschlieรt wie eine wirksame Prรคvention. Insofern ist der vom Petenten geforderte Verzicht auf Instandhaltungsinvestitionen an Rotlichtรผberwachungsanlagen, was gleichbedeutend mit einer Einstellung der Verkehrsรผberwachung hinsichtlich der Beachtung des Lichtsignals โRotโ an Ampelanlagen wรคre, nicht nur kontraproduktiv, sondern rechtlich nicht durchsetzbar. Folgte man dieser Intention, wรผrde die Gefรคhrdung von Leben und Gesundheit der Verkehrsteilnehmer in einem Bereich billigend in Kauf genommen, der zu den Hauptunfallursachen zรคhlt. Der vermuteten Einsparung stรผnde mithin ein deutlich hรถherer volkswirtschaftlicher Schaden entgegen.
Der Petent geht von nicht nachvollziehbaren Vergleichszahlen aus. Die angegebene Zahl von 60.000 Rotlichtverstรถรen ist ebenso wenig erklรคrbar wie die Annahme, dass hiervon nur 300 โechteโ, weil vorsรคtzliche, Rotlichtsรผnder sind. Auch ist die von ihm vorgenommene Wertung unzutreffend. Im Jahr 2014 wurden gegenรผber der Zentralen Buรgeldbehรถrde der Stadt Leipzig insgesamt 15.043 Rotlichtfรคlle angezeigt; in 2.533 Fรคllen davon zeigte die Lichtsignalanlage bereits lรคnger als 1 s โRotโ. Die Ahndung dieser Verstรถรe erfolgt auf der Grundlage des Bundeseinheitlichen Tatbestandskataloges Verkehrsordnungswidrigkeiten, wonach den betroffenen Fahrzeugfรผhrern โ entgegen der Annahme des Petenten โ nicht grundsรคtzlich vorsรคtzliches Handeln, sondern lediglich Fahrlรคssigkeit vorgeworfen wird.
Der Petent behauptet, dass bei verรคnderter Verkehrsorganisation die absolute Zahl der Rotlichtverstรถรe sinken wรผrde. Selbst dann kann aber daraus nicht weitergefรผhrt werden, dass รberwachungsmaรnahmen vollstรคndig entbehrlich sind. Eine solche Annahme wรคre wirklichkeitsfremd. Auch die Stadt Leipzig setzt auf die Verkehrsdisziplin der รผberwiegenden Anzahl der Verkehrsteilnehmer und auf Prรคvention vor Restriktion. Jedoch bleibt es auch unter diesen Voraussetzungen unabdingbar, eine wirksame Verkehrsรผberwachung aufrecht zu erhalten. Das geschieht โ u. a. in Auswertung des Unfallgeschehens โ gemeinsam mit der Polizei durch Festlegung entsprechender Schwerpunkte.
Ferner unterstellt der Petent, dass die Verkehrsteilnehmer durch die derzeitige Verkehrsorganisation in Leipzig รผberfordert sind und insbesondere durch zu kurze Gelbphasen unverschuldet in den Rotlichtverstoร getrieben werden. Hierzu ist festzustellen, dass im Jahr 2014 an den รผberwachten Lichtsignalanlagen ein Gesamtdurchfluss von 38.763.973 Fahrzeugen registriert wurde. Insgesamt ca. 15.000 Fรคlle von Rotlichtverstรถรen kamen zur Anzeige. Der รผberwรคltigende Anteil von Kraftfahrern kam demnach mit den jeweils aufleuchtenden Lichtsignalen zurecht.
So kรถnnen Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstรผtzen:
Es gibt 2 Kommentare
Wer sich gemรคร StVO verhรคlt, wird auch nicht โabgezocktโ. Manche Verkehrsteilnehmer haben ihren Fรผhrerschein im Lotto gewonnen. Es mรผsste noch mehr kontrolliert werden! Manchmal ist es richtig lebensgefรคhrlich. Auch die vielen Radfahrer, die entgegen der Fahrtrichtung, auf dem Fuรweg und ohne Licht fahren!
โHierzu ist festzustellen, dass im Jahr 2014 an den รผberwachten Lichtsignalanlagen ein Gesamtdurchfluss von 38.763.973 Fahrzeugen registriert wurde. Insgesamt ca. 15.000 Fรคlle von Rotlichtverstรถรen kamen zur Anzeige. Der รผberwรคltigende Anteil von Kraftfahrern kam demnach mit den jeweils aufleuchtenden Lichtsignalen zurecht.โ
Das ist natรผrlich auch eine Milchmรคdchenrechnung. Hier fahren ja nicht 38 Millionen Autos rum, sondern โ wie in einem anderen Artikel auf dieser Site zu lesen war, wo es um Parkraumbewirtschfatung ging โ ca. 200.000 Einheimische. Rechnen wir noch ein paar Auswรคrtige hinzu, kommen wir auf ca. 250.000 Fahrzeuge in Leipzig. Andererseits sind die 15.000 Rotlichtverstรถรe nur die Spitze des Eisbergs, denn lรคngst nicht an allen Kreuzungen befinden sich entsprechende รberwachungsanlagen. Wenn wir mal (wilde Schรคtzung) annehmen. dass nur 10 % der Fรคlle registriert werden, kommen wir auf reale ca. 150.000 Verstรถรe. Das ins Verhรคltnis gesetzt zu den 250.000 Fahrzeugen lieรe den Schluss zu, dass ca. 60 % aller Fahrzeuge an Rotlichtverstรถรen beteiligt sind. Wenn man Mehrfachtรคter berรผcksichtigt, sind es sicher noch weniger, aber die Aussage des letzten Satzes wird damit sicher nicht gestรผtztโฆ