Wir begleiten seit nunmehr über einem Jahr persönlich und vor Ort die Aufmärsche von LEGIDA über alle Demonstrationstermine hinweg und berichten live mit Fotos, Texten und in Videoform. Bis zu je nach Anlass 100.000 Menschen lesen die Liveberichte innerhalb von wenigen Stunden, Kollegen und Leser im In- und Ausland verstehen unsere Berichte als Korrektiv und Informationsquelle, da wir immer selbst vor Ort sind. Eingestellte Original-Videos, die Einbindung des LEGIDA-Livestreams samt Live-Kommentierung, Analysen, Fotostrecken und Nachbetrachtungen haben zu einer umfassenden Auseinandersetzung mit den Themen neurechte Bewegungen, soziale Hintergründe und gesellschaftliche Bedeutungen in über 500 Artikeln innerhalb eines Jahres zum Thema PEGIDA und LEGIDA in Sachsen geführt.

Doch wir, lokale Journalisten in Leipzig, werden zunehmend im Stich gelassen, unsere Kollegen vor Ort werden unausgesetzt bedroht und attackiert. Auch um zu erreichen, was Demokratiefeinden schon immer das oberste Ziel war: Die Einschüchterung der freien Presse. Aus unserer Perspektive haben bisherige Gespräche, wie sie mit dem derzeitigen Polizeipräsidenten Bernd Merbitz bereits stattfanden, zu keiner Veränderung unserer Bedrohungslage und der unserer Kollegen beigetragen. Sie ist bis zum heutigen Tage unverändert gegeben, ein normaler Schutz unserer Kollegen durch eine geeignete Demonstrationsabsicherung bei LEGIDA-Aufmärschen während ihrer Arbeit existiert nicht.

Exemplarisch wurde dies wieder am 1. Februar 2016 deutlich. Da fand erneut ein massiver Angriff auf einen unserer Kollegen statt, nachdem diesem bereits eine deutliche Bedrohung durch den späteren Täter voranging. Eine sogenannte Gefährderansprache diesem Gewalttäter gegenüber oder gar ein Ausschluss seiner Person aus der Versammlung fand nicht statt. Er wähnte sich durch sein vorangegangenes Verhalten und den fehlenden Konsequenzen offenkundig sicher, dass er straflos anwesende Journalisten beleidigen und in ihrer Arbeit behindern dürfe.

Als Hauptgrund für die offenbar geduldete Gefährdung von Journalisten im Umfeld von LEGIDA-Demonstrationen ist damit auch die fehlende Unterstützung seitens der Einsatzbeamten vor Ort entscheidend. Diese unterlassen das Unterbinden von Drohungen, Vermummungen, das Blenden von Journalisten und die angemessene, absichernde Begleitung eines über Monate als aggressiv bekannten Demonstrationszuges. Teilweise werden Anzeigeerstattungen gegen Gewalttäter seitens der Polizei abgelehnt, präventive Ansprachen gegenüber aggressiv auftretenden Demonstrationsteilnehmern unterbleiben.

Als Inhaber der Staatsgewalt ist es ausdrücklich Aufgabe der Polizei, die Friedlichkeit der LEGIDA-Versammlungen zu gewährleisten. Nicht unsere, es sei denn, es ist gewünscht, Journalisten mit Eigenschutzwaffen auf Demonstrationen oder entsprechenden körperlichen Reaktionen auf Attacken erleben zu wollen.

Die für einen anderen Weg notwendigen, polizeilichen Präventivmaßnahmen, wie das Entfernen nicht demonstrationsrelevanter Blendlichter, Böller, Fiberglasangeln (laut Auflagen sind Holzelemente in gewissem Umfang gestattet) und demnach die Durchsuchung des vorhandenen, gewaltbereiten Klientels bei LEGIDA vor Beginn der Demonstration finden nicht oder nur unzureichend statt. Damit wird Angriffen auf Journalisten Vorschub geleistet.

Maßnahmen, wie die gebührenfinanzierte Stellung von privaten Sicherheitskräften seitens des Mitteldeutschen Rundfunks lehnen wir, die Leipziger Internet Zeitung, grundsätzlich ab. Einerseits ist es nicht zumutbar, dass sich Journalisten damit also nunmehr mit privaten Wachdiensten selbst schützen sollen oder eigene Gewaltausübung legitimieren, während LEGIDA-Demonstranten polizeilicher Begleitschutz zur Versammlung und zurück gewährleistet wird. Ebenso abzulehnen ist dieser Weg, da es ein weiteres Eingeständnis wäre, dass die Leipziger Polizeidirektion bis zum heutigen Tage die normale Ausübung der Staatsgewalt nicht vollziehen kann oder möchte.

Auch aus der Politik erfolgten bis heute seitens der sächsischen Staatsregierung keine nachhaltigen Signale. Hier wurden während einer Landtagsdebatte Anfang Februar 2016 durch Innenminister Markus Ulbig neue Gesprächsrunden zur Gewalt gegen Journalisten angekündigt. Eine Einladung haben wir, als in Leipzig maßgeblich vor Ort agierende Journalisten, bis heute nicht erhalten. Das Interesse an wirklichen Erkenntnissen ist demnach bislang weiterhin gering, mit betroffenen Journalisten wird nicht oder nur in leicht abzuqualifizierenden Einzelbeispielen gesprochen. Eine weitere Phantomdebatte auf Funktionärsebene durch Journalisten ohne „Straßenerfahrung“ und der Wunsch des Innenministeriums, hierbei „über Lösungen debattieren“ zu wollen, lassen uns aufgrund des offensichtlich Möglichen – die normale Durchsetzung von Demonstrationsregeln seitens der Polizei – auch weiterhin schlicht Abwiegeln und Verharmlosungen im Sinne sächsischer Verhältnisse vermuten.

Wir fordern deshalb die Polizeidirektion Leipzig auf, nach den Vorkommnissen geeignete Maßnahmen vorzuschlagen, wie der Gewalt innerhalb der LEGIDA-Demonstrationen präventiv entgegengewirkt werden kann. Bis auf weiteres, also dem Vorliegen solcher Maßnahmen, werden wir die Liveberichterstattung vor Ort erstmals seit über einem Jahr lückenloser Begleitung einstellen. Wir warten auf eine Antwort seitens der Leipziger Polizei, des sächsischen Innenministeriums und der Zivilgesellschaft in unserer Heimatstadt.

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Michael Freitag über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Es gibt 10 Kommentare

Hallo Ihr Zwei 😉

noch ist ja etwas Zeit hin, aber sehr lieb, dass wir solche Angebote bekommen 🙂 Sorry auch fürs verstorchen ^^

Monika, da hat sich der Herr Freitag halt mal verstorcht. 🙂

Ja, ich glaub auch, dass ihr euch diese Entscheidung nicht leicht gemacht habt. Immerhin wird ja ein wichtiger Teil des Berufes in Frage gestellt: das Berichten.

Christian, wenn ich noch mitkomme, sind wir schon 2 Piefkes. Ein paar brauchen wir noch, dann sollte es klappen mit dem Begleitschutz

Zu Monikas Satz: „Auf ein Einsehen bei der Polizei hoffe ich nicht wirklich.“ vielleicht so viel. Da sind wir irgendwie noch hoffnungsfroh. Schauen wir mal, was geschieht 😉

M.F.

Nur zu Berichtigung, das obige hat Katrin gesagt (kann passieren, in der Zeile verrutscht)

“… Antwort … der Zivilgesellschaft in unserer Heimatstadt.”

Da ich mich als Teil dieser verstehe, was erwartet ihr? Ich gebe euch gerne “Begleitschutz” aber ob ich Piefke da viel ausrichten kann, steht auf einem anderen Blatt. Aber mal im Ernst was soll die Zivilgesellschaft machen in einem Bereich welcher ganz klar Aufgabe der Polizei ist?

Ich höre immer alle von der Demonstrationsfreiheit schwärmen und sich auf die Meinungsfreiheit berufen. Was aber viele vergessen ist die Pressefreiheit die in meinen Augen das höchste Gut der Demokratie darstellt. Da eben diese es ist die allen Zugang zu Informationen bietet. Und eben aus diesem Grund muss sie (Presse) geschützt und die Arbeit unter allen Umständen ermöglicht werden.

Meinen großen Respekt vor dem Mut, den Ihr aufgebracht habt!

Die LVZ bildet keine Meinung, das ist ein Irrtum. Die LVZ verstärkt populistische Ansichten. Ein schlimmes Blatt, weil sie im Gewand seriösen Journalismus’ daherkommt. Da ist die B**d noch ehrlicher.

Der Polizei ist die L-IZ vermutlich ziemlich egal. Herr Merbitz wird Euch das nur noch in wohlgesetzten Worten sagen.

Wahrscheinlich verspürt die Polizei sogar klammheimliche Freude (à la Mescalero, nur andersherum), einen kritischen Beobachter weniger zu haben.

Vielen Dank für die Beiträge. Zu Monikas Satz: “Auf ein Einsehen bei der Polizei hoffe ich nicht wirklich.” vielleicht so viel. Da sind wir irgendwie noch hoffnungsfroh. Schauen wir mal, was geschieht 😉

M.F.

– Andererseits … jedoch … auch wenn … jedoch … jedoch –
Kathrin, Dein Zerrissen, Dein “einerseits und andererseits”, lässt ahnen, wie Rene Loch, Michael Freitag. Alexander Böhm, Martin Schöler, Marcus Fischer, Ralf Julke, Matthias Weidemann, Daniel Talheim mit sich gerungen haben müssen.

Andererseits: den Kollegen der LVZ die Meinungsbildung überlassen oder gar anderen?
Wiederum jedoch: eine Bühne weniger für die Legida, auch wenn in der L-IZ sehr wohltuend kritisch mit ihr umgegagngen wird.
Daraus folgt jedoch, dass auch der Gegenprotest eine Bühne weniger hat, jedoch leider in anderen Medien nur am Rande erwähnt wird und dann auch meist in keinem guten Kontext.

Ich kann eure Entscheidung verstehen und nachvollziehen. Niemand hat Lust darauf in seiner Arbeit gefährdet, beleidigt, festgenommen, verletzt zu werden.

Auf ein Einsehen bei der Polizei hoffe ich nicht wirklich. Und wenn eines kommen sollte, dann werden die schwarzen Brüder (also die von den Einsatzkommandos) sich schon auf subtile Art zu bedanken wissen

Ich würde mich auch nicht in Lebensgefahr begeben. Und solange die Polizei die Journalisten nicht schützt, die Rechten, Randalierer und Rassisten gewähren lässt, versteht jeder Mensch, dass die Berichterstattung eingestellt wird. Bin auf die Stellungnahme des Herrn Merbitz gespannt und was denn unser Oberbürgermeister dazu sagt!
Wie lange soll dieser Spuk noch gehen?

“…werden wir die Liveberichterstattung vor Ort […] einstellen.”
Verständlich, vernünftig, begründet, begreiflich, vertretbar, berechtigt, sinnvoll, wohlüberlegt, zweckmäßig, nützlich, klar besonnen, analytisch, RICHTIG.

Schreiben Sie einen Kommentar