Im dritten Prozesstag setzt sich das widersprüchliche Bild des Angeklagten von Julian G. fort. Der 28-Jährige wird beschuldigt, eine Backwarenverkäuferin am frühen Morgen des 29. Januar 2015 am Hauptbahnhof zusammengeschlagen zu haben. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm versuchten Totschlag vor. Polizeizeugen zeichneten vom Angeklagten am Mittwochmorgen ein sehr widersprüchliches Bild.
“Ich war über den hohen Alkoholwert überrascht”, bemerkte Ronny K. (37) bei seiner Aussage vor dem Landgericht zu den gemessenen 2,08 Promille. Der Polizeibeamte hatte Julian G. am Morgen des 29. Januar 2015 im Empfang genommen, um ihn auf die Polizeidienststelle zu bringen. Kurz vorher hatten seine Kollegen den 28-Jährigen in Gewahrsam genommen, nachdem er betrunken Katrin von K. (42) verprügelt und schwer verletzt hatte.
„Auf der Dienststelle haben wir ihn durchsucht und die Spurensicherung durchgeführt“, beschrieb der Beamte seinen Kontakt mit dem Beschuldigten. G. war an mehren Stellen mit Blut beschmiert. Seine Kleidung war durch die Gewahrsamnahme verschmutzt gewesen. Ein Büschel Haare von der Geschädigten fand man bei ihm.
„Er ließ alles über sich ergehen“, bemerkte der 37-Jährige zu dem damaligen beobachteten Verhalten. Der Polizist vermutete einen Drogensüchtigen vor sich. „Mehr hatte ich mit ihm nicht zu tun“, schloss er seine Erfahrungen mit G. ab.
Für seinen Kollegen Thomas V. (37) stelle sich die Situation nicht sonderlich außergewöhnlich dar. Gemeinsam mit K. führte er die Maßnahme in der Polizeistation durch – eine typische Nacht, in der man es mit Betrunkenen und Drogenkonsumenten zu tun hat. „Eine ganze normale Person“, schätzte er die Begegnung ein.
V. hatte Julian einige Zeit vorher im Bahnhof getroffen. „Ich habe mit ihm ein kurzes Gespräch geführt.“ Er wies ihn darauf hin, dass er nur in ausgewiesenen Stellen rauchen dürfte. „Er hat sich die Zigarette in der Hand ausgedrückt“, erinnerte sich der Bundespolizist in seiner Aussage an das einzig Außergewöhnliche bei der Zusammenkunft. G. verließ danach den Bahnhof.
Strafverteidiger Curt-Matthias Engel waren die Aussagen des Beamten scheinbar unzureichend. Er hakte immer wieder nach, als der 37-Jährige von einem normalen Ablauf in der Polizeiarbeit sprach.
„Haben sie Orientierungsfragen gestellt? Wusste er, dass er in einer Polizeidienststelle war“, fragte der Rechtsanwalt nach, um ein Bild seines Mandanten während der Maßnahme zu bekommen. Der Bundespolizist schlussfolgerte mehrmals aus seiner polizeilichen Erfahrung. An wichtige Umstände, die eine Aussage über den Geisteszustand des Angeklagten erlauben würde, konnte er sich jedoch nicht mehr erinnern.
Eine weitere Polizeibeamtin, Franziska G. (28), zeichnete ebenfalls ein uneinheitliches Bild. Sie hatte mit G. knapp anderthalb Stunden vor seiner Tat zu tun gehabt. Eine Taxirechnung konnte er nicht begleichen, woraufhin sie gerufen wurde. „Teilweise hat er ganz normal geredet“, erinnerte sie sich an den Angeklagten, der in einer nächsten Episode wieder wirr wurde. „Er wusste nicht, warum wir da waren.“
Die Verhandlung wird fortgesetzt.
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