Nach „Schrebers Visionen“ und „Schrebers Prozess“, zwei Tanztheaterstücke von urban collective & guests, aufgeführt in der Leipziger Kleingartenanlage Dr. Schreber, bildet der dritte Teil „Wahnsinn & Methode“ den Abschluss der Thematik Paul Schreber. Und diesen Teil will urban collective ab dem 2. September im Kleingärtnerverein Dr. Schreber e.V. wieder aufleben lassen.

Die große Wiese des Kleingärtnervereins Dr. Schreber wird fast gänzlich von einem gewaltigen viereckigen Konstrukt aus weißen Tüchern verdeckt. Die an einem Seilsystem hängenden Tücher bewegen sich in der Luft. Wo vorher noch Sicht auf Bäume, Gräser, Blumen und Gärten waren, erhebt sich nun ein weißer Koloss. Was steckt hinter den wehenden, sich kräuselnden Wänden?

Das Publikum betritt künstlich erzeugte Räume, Aufenthaltsräume des eigenen Lebens, Gedankenräume, die sich den Gefühlswelten der Schreberfamilie annähern. Vor allem jener von Paul Schreber (1842-1911), stellvertretend für viele Generationen. Paul Schreber hat eine lange Zeit seines Lebens in der Psychiatrie verbracht, weil seine Gedanken und Handlungen nicht den Normen der damaligen Gesellschaft entsprachen.

Flucht aus der Normalität und die Rolle der Psychiatrie

Welche Normen beeinflussen heute unser Leben, den Alltag eines jeden von uns und wie wehren wir uns dagegen, fragt sich urban collective. Versuchen wir nicht alle hier und da den Normen und Restriktionen zu entfliehen?

Das Stück untersucht die Flucht aus der Normalität und hinterfragt gleichzeitig die historisch gewachsene Rolle der Psychiatrie. Die Anregungen für das Stück stammen aus der Krankenakte Paul Schrebers und aus seinem Aufenthalt in der sogenannten Heilanstalt Dösen. Allerdings wird das Stück keine Auseinandersetzung mit psychiatrischen Einrichtungen, sondern eine Auseinandersetzung mit der menschlichen Gefühlswelt an sich.

Fluide, durchlässige, sich immer wieder verändernde Räume entstehen und vergehen, das Publikum mittendrin. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft vermischen sich, kämpfen gegeneinander, beneiden sich, tun sich zusammen.

Wer bewahrt sich die Unbeschwertheit aus seiner Kindheit? Wer beugt sich der Moral? Wer entflieht in die eigenen Träume? Wo fängt es an, wo wird es enden, fragt urban collectiv.

Premiere für die Wiederaufnahme ist am Freitag, 2. September, um 20 Uhr im Kleingärtnerverein Dr. Schreber e.V., Aachener Straße 7.

Weitere Vorstellungen gibt es am 3. und 4. September um 20 Uhr und am 9. und 10. September um 20 Uhr.

Reservierung unter: wahnsinnundmethode@gmail.com

Künstlerische Leitung & Produktion: Ronny Hoffmann, Ramona Lübke, Anja Dietzmann
Tanz & Performance: Ronny Hoffmann (Leipzig), Kristoffer Kempker (Leipzig), Lilian Mosquera (Leipzig), Thomas Roth (Leipzig), Andrea Torres Saiz (Valencia), Maria Seidel (Leipzig), Clara Sjölin (Leipzig), Milena Stein (Berlin), Jaqueline van de Geer (Montreal)
Dramaturgie: Jana Rath
Kostümbild: Marianne Heide
Bühnenbild: Maryna Ianina, Ronny Hoffmann
Musik: Twins in Colour
Technik: Tonfabrik

Empfohlen auf LZ

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Redaktion über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar