Hinter den Kulissen des Ost-Passage Theaters rumort es dieser Tage gewaltig. Hinweg mit all dem Staub, der sich seit der Schließung am 17. März auf den Brettern, die die Welt bedeuten, angesammelt hat. Hinweg mit liebgewonnenen aber verbrauchten Gewohnheiten und auf zu neuen Horizonten. Denn auch im Ost-Passage Theater hält die klinische Vernunft Einzug, ein weitreichendes Hygiene- und Seuchenschutz-Konzept mit über 50 einzelnen Maßnahmen wurde mit dem Gesundheitsamt abgestimmt.

Dazu zählen unter anderem die Halbierung der Sitzplätze auf 48 (in hausstandsgebundenen Sitzgruppen), die Reduzierung der Bühnenfläche, die Einführung eines Platzkartensystems und die Erfassung von Kontaktdaten, die Begrenzung der Veranstaltungslänge auf maximal zwei Stunden, die Entzerrung der Veranstaltungsdichte sowie die Maskenpflicht bis zum Sitzplatz.

Daniel Schade, der als Teil eines kleinen Arbeitskreises das Konzept mitentwickelt hat, betont: „Sicherheit ist unser oberstes Gebot. Deswegen gehen wir im Einzelnen auch über rechtliche Vorgaben hinaus. Wir wissen um die besonderen Gefahren von Veranstaltungen in Innenräumen und tun alles, damit sich die Gäste und Künstler/-innen bei uns sicher und wohlfühlen können.“

Bis zum Besuch der Kulturbürgermeisterin am Dienstag, 9. Juni, im Ost-Passage-Theater und zur Wiederöffnung am Mittwoch, 10. Juni, soll jedenfalls alles fertig werden. Staatliche Unterstützung hat das Nachbarschaftstheater an der Eisenbahnstraße dabei bisher keine bekommen.

„Der Informationsumlauf durch das Kulturamt ist gut und das Gesundheitsamt hat innerhalb von zwei Stunden reagiert, aber die Soforthilfen oder Ähnliches haben uns nicht erreicht. Wir finanzieren den Umbau derzeit komplett aus Eigenmitteln“, so Schade.

Im Spielplan für Juni sind dann erst einmal nur wenige Veranstaltungen vorgesehen, vor allem Filmvorführungen. Das Team des Ost-Passage Theaters will sich vorsichtig an die neue Praxis im Haus herantasten. Dabei geht es den Theatermacher/-innen nicht um Einnahmen, denn ein vernünftiges Wirtschaften ist unter diesen Bedingungen gar nicht möglich. „Wir wollen zeigen, dass es geht. Ja, dass es gehen muss! Ohne gemeinschaftsbildende Kultur ist der Mensch nicht denkbar. Wir haben keinen Tag zu verschenken.“

Matthias Schluttig, der als Dramaturg und künstlerischer Leiter im Ost-Passage Theater den Spielplan mitgestaltet, hat aber auch Verständnis für die Kulturbetriebe, die derzeit noch zögern: „Jeder Betrieb hat sein eigenes Profil und besondere Herausforderungen. Wir verstehen unsere Wiedereröffnung auch nicht als Normalisierungsschritt, sondern eher als ein Lebenszeichen. Für unser Publikum, für die vielen Künstler/-innen der Stadt. Und vielleicht sind wir für die eine oder andere Bühne auch ein Hoffnungsschein.“

Am Mittwoch, 10. Juni, um 21 Uhr startet das Programm mit dem tragisch-komischen Kinofilm „Der Glanz der Unsichtbaren“ (F 2018 – FSK 6) in der deutschen Synchronfassung. Mit einem aus Amateuren und Profis gemischten Ensemble erzählt der Regisseur Louis-Julien Petit humorvoll und einfühlsam vom zähen Kampf einer Gruppe starker Frauen um ein Obdachlosenheim in Nordfrankreich. In der AG Kino, die das Filmprogramm des Ost-Passage Theaters konzipiert, fiel die Entscheidung für den Auftaktfilm nicht nur wegen seiner politischen Bedeutung, sondern auch wegen seines Potentials, die Lachmuskeln anzuregen.

Daniel Maier von der AG Kino ist sich jedenfalls sicher, dass Menschen, bewusst oder unbewusst, wegen der gemeinschaftlichen Erfahrung Kino und Theater besuchen, und macht allen Gästen Mut: „Das Lachen ist auch noch über 1,50 Meter ansteckend.“

Der Eintrittspreis für den Filmabend beträgt 5 Euro bzw. 3 Euro ermäßigt.

Am Freitag, 12. Juni, um 20 Uhr improvisiert dann das Leipziger Playback-Ensemble in gewohnter Besetzung, aber mit einigen neuen Formaten, unter dem Titel „Ansteckende Geschichten – Best of Lockdown“.

„Wo wart ihr, als Corona die Fensterläden der Restaurants verdunkelte und Uni-Vorlesungen nur noch virtuell stattfanden? Welche persönlichen Rekorde habt ihr gebrochen? Serien-Gucken, Gassi-Runden, Spät-Aufstehen oder frühestes Bier? Mit wem wart ihr in euer Zuhause ,eingesperrt‘? Mit euren engsten Verwandten oder eurer Einsamkeit?“ Matthias Schluttig lädt die Gäste dazu ein, ihre Geschichten zum Thema mitzubringen und unter spielfreudiger Vermittlung durch das Ensemble mit allen Anwesenden zu teilen.

Der Eintrittspreis beträgt hierfür 9 Euro bzw. 6 Euro ermäßigt. Die Künstler/-innen spenden 100 % ihrer Gage an das Haus.

Um auf die derzeit höchst prekäre Situation der Leipziger Künstler/-innen und Kulturbetriebe aufmerksam zu machen, können Gäste außerdem ab sofort mit ihrem Ticket freiwillig einen solidarischen Kulturzuschlag von 3 Euro entrichten und damit die Sitzplätze mitfinanzieren, die wegen der Infektionsgefahr auf unbestimmte Zeit frei bleiben müssen.

Mit der Wiedereröffnung will die Nachbarschaftsbühne im Leipziger Osten auch die politischen Spielräume erweitern und wieder stärker in der Öffentlichkeit stehen, um der aktuellen Lage der freien Leipziger Kulturszene einen Erfahrungsraum zu verschaffen. Denn neben staatlicher Unterstützung ist in Sachen Kultur vor allem die Zivilgesellschaft, jeder und jede Einzelne, gefragt, darin sind sich Schade, Schluttig und Maier jedenfalls einig: „Spendet, werdet Fördermitglieder oder engagiert euch. Seid solidarisch und kämpft für eure Veranstaltungsräume, für die Künstlerinnen und Künstler. Die Kultur ist keine Nebensache, gebt sie nicht auf! Wir glauben an euch.“

Kartenvorbestellungen: karten@ost-passage-theater.de

Wie kommt das Ost-Passage Theater durch die Coronazeit?

Wie kommt das Ost-Passage Theater durch die Coronazeit?

Hinweis der Redaktion in eigener Sache

Natürlich werden auch die L-IZ.de und die LEIPZIGER ZEITUNG in den kommenden Tagen und Wochen von den anstehenden Entwicklungen nicht unberührt bleiben. Ausfälle wegen Erkrankungen, Werbekunden, die keine Anzeigen mehr schalten, allgemeine Unsicherheiten bis hin zu Steuerlasten bei zurückgehenden Einnahmen sind auch bei unseren Zeitungen L-IZ.de und LZ zu befürchten.

Doch Aufgeben oder Bangemachen gilt nicht 😉 Selbstverständlich werden wir weiter für Sie berichten. Und wir haben bereits vor Tagen unser gesamtes Archiv für alle Leser geöffnet – es gibt also derzeit auch für Nichtabonnenten unter anderem alle Artikel der LEIPZIGER ZEITUNG aus den letzten Jahren zusätzlich auf L-IZ.de ganz ohne Paywall zu entdecken.

Unterstützen Sie lokalen/regionalen Journalismus und so unsere selbstverständlich weitergehende Arbeit vor Ort in Leipzig. Mit dem Abschluss eines Freikäufer-Abonnements (zur Abonnentenseite) sichern Sie den täglichen, frei verfügbaren Zugang zu wichtigen Informationen in Leipzig und unsere Arbeit für Sie.

Vielen Dank dafür.

 

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Redaktion über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar