Wenn in der Intendanz Ulf Schirmers eine musikalische Epoche zu kurz gekommen ist, dann die Gegenwart. Neue Musik suchte man auf dem Spielplan bislang vergebens. Seit Samstag befindet sich mit Marius Felix Langes Märchenoper „Schneewittchen“ wieder ein Werk eines zeitgenössischen Komponisten im Programm. Die Premiere stieß auf helle Begeisterung.
Aufführungen für Kinder und Erwachsene bilden in Leipzig seit Schirmers Amtsantritt 2011 zwar einen der programmatischen Eckpfeiler. Neue Musik hat in der Klassikmetropole Leipzig jedoch generell das Problem, Gehör zu finden. Das Leipziger Publikumsinteresse hielt sich am Samstag dann auch sichtbar in Grenzen. Während die Holländer-Premiere am 30. März längst ausverkauft ist, waren an der Abendkasse noch reichlich Tickets für das „Schneewitchen“ verfügbar.
Dass sich „Schneewittchen“ in der Messestadt auf Dauer durchsetzen wird, erscheint fraglich. Der Komponist schrieb das Werk, zu dem er auch das Libretto beisteuerte, ursprünglich für die Oper Köln. Die Uraufführung fand im April 2011 in der Domstadt statt. Die Partitur bewegt sich irgendwo zwischen dem Spätromantiker Strauss und dem Zwölftontechniker Arnold Schöneberg. Viel Melodie, spannende Motive, aber viel zu wenig zum Mitsummen.
Auf der Bühne setzten der langjährige MuKo-Solist Patrick Rohbeck und sein Team die bewährte Leipziger Linie fort, klassische Stoffe ästhetisch nach ihrem naturalistischen Gehalt zu befragen. Die Kostüme von Ausstatter Alexander Mudlagk chargieren als bunte Farbkleckse im düster gehaltenen Bühnendesign irgendwo zwischen DEFA, ARD-Neuverfilmungen und phantasievollen Kinderzeichnungen. Das Szenenbild wird von einem riesigen Spiegel dominiert, der den bemalten Bühnenboden projiziert und dem Betrachter ein Gefühl von Raumtiefe vermittelt.
Die von Lange konzipierten holzschnittartigen Figuren haben sich in Rohbecks Inszenierung alle brav dem Grimm`schen Narrativ unterzuordnen. Die starke Nähe dieser Adaption zur Vorlage ist Stärke und Schwäche zugleich. Die Storyline ist vorhersehbar. Das freut vielleicht die Kinder, während Erwachsene schnell gelangweilt sind. Wäre da wenigstens gute Musik. Dass die Balance zwischen Gewandhausorchester und Solisten während des ersten Aufzugs nicht immer passt, ist der Dirigentin Giedre Slekyte zum Vorwurf zu machen. Man versteht selbst als wagnererprobter Operngänger nicht immer, was auf der Bühne gesungen wird. Leider blieb die Übertitelanlage an diesem Abend ungenutzt.
Makellos dagegen die sängerischen Leistungen. Martin Petzold glänzte stimmlich wie schauspielerisch als Spiegel. Magdalena Hinterdobler gab ein inbrünstiges Schneewittchen, Sandra Janke eine eiskalte und egozentrische Königin. Das kam beim Premierenpublikum sehr gut an. Mitwirkende und Team durften sich über reichlich Applaus freuen. Ob sich die Produktion in Leipzig durchsetzen wird, wird sich zeigen. Das Interesse an den vier Schulvorstellungen hält sich jedenfalls stark in Grenzen.
Können sich Normalverdiener im Leipzig bald kein Opernticket mehr leisten?
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