Wenn die Cammerspiele ihre neuen Premieren ankündigen, dann ist der Sommer wirklich vorbei. Dann haben sich die freien Theatermacher ein neues großes Thema ausgedacht, so eine Art Leit-Kultur für ihre neue Spielsaison, was meistens richtig Welt-Kultur wird, weil man sich mit Leipzig und dem hiesigen Theatermachen mitten in einer Welt fühlt, deren Sorgen alle angehen. Dass man da vom Paradies träumen kann, ist schon möglich.

Dass die Theatermacher mit der Brett-vorm-Kopf-Politik der deutschen Leitkulturisten nichts anfangen können, hat man schon beim Austüfteln der neuen Pläne gemerkt und gemeldet. „In der Spielzeit 2016/17 begeben sich die Cammerspiele entgegen aller globaler Tendenzen auf die Suche nach der Idee des Paradieses.“

Das Paradies muss man nämlich suchen. So wie Adam bei Mark Twain. Andere glauben, sie kommen hinein, wenn sie Mauern bauen, Obergrenzen fordern oder sich gleich kraftvoll hineinbomben. Aber wer es nicht schafft, die Erde (die Gott übrigens in allen großen Religionen den Menschen geschenkt hat, damit sie pfleglich damit umgehen) in ein Paradies zu verwandeln, der muss nicht auf Jungfrauen und Engel und eine Shag-Pfeife im Himmel hoffen. Der bereitet ja schon auf Erden den Mitmenschen die Hölle. Was erwartet der dann noch als Belohnung?

Aus diesem Anlass öffnen die Cammerspiele am Mittwoch, 5. Oktober, um 20 Uhr ihre Pforten in der Kulturfabrik Werk 2 und laden zu paradiesischen Aussichten auf die kommende Theatersaison. Premieren, Koproduktionen, CammerConcerts und Improshows stehen auf dem Programm.

One Night in Paradise

In einer begehbaren Spielzeitvorschau werden zukünftige Projekte an unterschiedlichen Stationen mit allen Sinnen erlebbar und Initiatoren sowie Mitwirkende stehen Rede und Antwort. Ob Badeerlebnisse mit Sekt, hörbar gemachte Gedankenwelten oder intime Begegnung mit dem eigenen Abbild – ein Hauch Paradies wird den Zuschauer stets begleiten, denn auch das aktuelle Spielzeitmotto „another day in paradise“ ist Thema der diesjährigen Spielzeiteröffnung, macht das kleine Theater schon mal neugierig auf den 5. Oktober.

Projekte der Spielzeit 2016/17 sind u.a. „Hol mich hier raus, ich bin ein Stern“, ein Hörspieltheater von Thomas Kirsche, „Sie“ von Jean Genet in einer Inszenierung von Olav Amende, „The Waves“, ein musikalisches Hörtheater nach dem Roman von Virginia Woolf unter der Leitung von Gwen Kyrg, „Am Brühl“, ein dokumentarisches Theaterstück über eine Hausgemeinschaft in der DDR von Sascha Schmidt sowie „Einsame Menschen“ von Gerhart Hauptmann unter der Regie von Danilo Riedl.

Hol mich hier raus, ich bin ein Stern

Die erste Premiere ist dann eine Woche später. Mit Thomas Kirsches „Hol mich hier raus, ich bin ein Stern“ feiern die Cammerspiele am Donnerstag, 13. Oktober, um 20 Uhr die erste Premiere der neuen Spielzeit. In der Satire, in der schräge Charaktere wie die Hypochonderin Esmeralda, Dr. Satarian oder die Prinzessinnen Marie-Chantal und Julie-Cheyenne nicht ganz so schräge Ziele verfolgen, wird das Fantasy-Genre bissig aufs Korn genommen und mit Gesellschaftskritik zum humorvollen Hörspiel-Theater vermischt. Dabei ist Hörspiel-Theater eine Weiterentwicklung des Live-Hörspiels. Die Sprecher und Sprecherinnen werden zu agierenden Figuren, die selbst akustische Kulissen bauen und mit vollem Körpereinsatz dem Gesagten Form verleihen.

Blondi oder die sexuellen Neurosen der Eva Braun

Das eindrückliche Einpersonenstück „Blondi oder die sexuellen Neurosen der Eva Braun“ von Danilo Riedl mit Victoria Schaetzle auf der Bühne ist auch im Oktober noch einmal zu erleben, quasi als Einstimmung am heutigen 01.10. und dann wieder vom 06. bis 08.10., jeweils 20 Uhr). Zudem kehrt die bildgewaltige newcammer-Produktion „Aufzeichnungen aus dem Kellerloch“ nach dem Roman von Dostojewskij vom 28. bis 30.10. zurück auf die Bühne der Cammerspiele.

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